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Friedrich von Metzler in seinem Büro im Bankhaus Metzler. 1969 stieß er zum fast 350 Jahre alten Familienunternehmen. Nun, nach seinem 75. Geburtstag, hat er sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

© picture alliance / Fabian Sommer

Friedrich von Metzler im Interview: „Die Deutschen sparen falsch“

Privatbankier Friedrich von Metzler über historische Krisen seiner Branche, Risikofaktoren wie Trump und Brexit – und die Deutschen und ihr Geld. Ein Interview.

Friedrich von Metzler gilt als der deutsche Privatbankier schlechthin. Der Mäzen und Ehrenbürger von Frankfurt am Main führte über Jahrzehnte das fast 350 Jahre alte Bankhaus Metzler, das sich bis heute im Besitz seiner Familie befindet. Mit seinen rund 800 Mitarbeitern kümmert sich das Institut um vermögende Kunden, um Familien, den Mittelstand und um Pensionskassen. Kreditgeschäft gibt es nicht. Im April hat „FM“, wie er intern genannt wird, seinen 75. Geburtstag gefeiert. Als Aktionär ist er ausgeschieden, aus dem Tagesgeschäft zog er sich zurück. Traurige Bekanntheit erlangte die Familie Metzler im Herbst 2002 als der damals elfjährige Sohn Jakob entführt und ermordet wurde.

Herr Metzler, Sie verfolgen das Weltgeschehen und die Ereignisse an den Finanzmärkten seit rund 50 Jahren. Wo stehen wir heute? Machen Sie sich Sorgen?

Seit 1969 bin ich bei Metzler, davor war ich in London, New York, Paris und in Düsseldorf bei anderen Banken, unter anderem bei der Deutschen Bank. Es gab schon bessere Zeiten für die Banken. Große Sorgen mache ich mir aktuell nicht, aber Probleme sind nicht zu leugnen. Die beiden deutschen Großbanken sind in keinem guten Zustand.

In Sichtweite des Metzler-Hauses am Main ragen die Doppeltürme der Deutschen Bank in den Himmel. Leiden Sie mit?

Die deutschen Banken haben einiges aufzuholen. Sie sollten sich mehr um Deutschland und Europa kümmern. Der internationale Wettbewerb ist sehr stark und im Gegenzug haben internationale europäische Banken bei uns Marktanteile gewonnen. Deutschland braucht auf Dauer eine oder besser mehrere starke Banken.

Metzler steht auch nach fast 350 Jahren gut da. Ihr vergleichsweise einfaches Konzept hat sich bewährt.

Mit unseren vier Sparten – dem Asset Management etwa für Pensionsfonds, der Vermögensverwaltung für Privatkunden, der Begleitung von Übernahmen und Fusionen und dem Kapitalmarktgeschäft bei gleichzeitigem Verzicht auf das Einlagen- und Kreditgeschäft – sind wir immer gut gefahren. Daran wird sich nichts Entscheidendes ändern.

Aus Ihrem Büro schauen Sie auch auf die Europäische Zentralbank im Osten der Stadt. Wie fällt Ihr Urteil aus?

Die Europäische Währungsunion und auch die EZB sind ein Erfolg. Das hat Europa vorangebracht. Der Euro ist auch dank der EZB stabil.

Aber seit einiger Zeit ist dank der EZB sehr viel Geld im Markt. Dabei läuft die Konjunktur in Euroland gut.

Zwar hat die EZB jetzt in Aussicht gestellt, dass die Anleihekäufe Ende 2018 auslaufen werden. Die Zinsen werden aber wohl bis Ende 2019 auf ihrem niedrigen Niveau bleiben. Klar ist, dass die gegenwärtige Zinslandschaft für eine gut laufende Konjunktur wie in Deutschland zu niedrig ist. Übertreibungen sind immer ein Problem, das Überangebot an billigem Geld gibt weder einen Anreiz zum Sparen noch zu politischen Reformen.

Trump, Brexit, Erdogan, populistische Regierungen in vielen Ländern, eine euro-kritische Regierung in Italien, um sich greifender Protektionismus. Ein Desaster beim jüngsten G 7-Gipfel. Sorgt Sie das?

Die gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern, die ungeheuer positive Entwicklung in den Schwellenländern ist Ergebnis der Globalisierung, des freien Handels und der internationalen Zusammenarbeit. Das darf man nicht zurückdrehen. Der Brexit ist eine bedauerliche Entscheidung. Aber jetzt warten wir mal, was die Verhandlungen bringen.

Im Rückblick: Welche Ereignisse für die Banken sind haften geblieben?

Sicherlich der Zusammenbruch der Herstatt-Bank in den siebziger Jahren, die bis dahin größte Pleite einer Bank in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gab die Asien- und die Russland-Krise. Vor allem aber war es die Finanzkrise ab 2008. Die Pleite von Lehman und die damit verbundenen Folgen waren äußerst einschneidend.

Haben Sie damals einen Zusammenbruch des Systems befürchtet?

Nein. Die Notenbanken haben aus früheren Krisen gelernt und schnell viel Geld bereitgestellt. Die Amerikaner haben ihren Banken sehr rasch mit drastischen Schritten unter die Arme gegriffen. Deren Banken waren viel schneller wieder auf dem richtigen Weg und profitabel. Deshalb stehen sie heute viel besser da als deutsche Institute. Und die Verluste für den Steuerzahler haben sich in engen Grenzen gehalten. Das hat viel besser funktioniert als in Deutschland.

Auf Metzler wird gehört, auch in Berlin. Wird das Bankhaus in solchen Phasen und auch sonst um Rat gefragt?

Wir haben gute Kontakte. Natürlich finden wir nicht das Gehör wie früher die Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Aber wir haben etwa in jüngster Zeit intensive Gespräche über das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz geführt. Insbesondere das Arbeitsministerium war offen für unsere Anregungen und hat sehr genau zugehört. Wir haben selbstverständlich gute Kontakte zur Landesregierung in Wiesbaden; und es gibt seit Jahren gute Gespräche mit Vertretern aller demokratischen Parteien.

Sie haben 2017 einen offenen Brief über Ihre Sorgen im Blick auf die Altersvorsorge verfasst. Wie war die Resonanz?

Da liegt vieles im Argen; es gab aus der Politik viel Lob und viele Nachfragen. Viele Unternehmen machen für ihre Beschäftigten zu wenig. Auch Privatanleger lassen Aktien links liegen. Die Deutschen sparen falsch, nicht erst seit die Zinsen so niedrig sind. Über einen langen Zeitraum ergeben sich mit Aktien pro Jahr gute einstellige Renditen. Selbst Kurseinbrüche ändern daran nichts. Dafür fehlt auch in der Politik oft das Verständnis. Es geht nicht um kurzfristige Spekulation mit Aktien, sondern um die langfristige Beteiligung am Substanzvermögen einer Volkswirtschaft.

Die Aktienmärkte laufen seit fast einem Jahrzehnt mit kurzen Unterbrechungen nach oben. Ist das ein Problem?

Nein. Aktien sind zwar nicht mehr billig. Aber sie sind immer noch fair bewertet. Die Erwartungen sind vielleicht etwas gedämpfter. Aber man muss mit Blick auf die Altersvorsorge langfristig auf Aktien setzen. Allerdings muss man sich die jeweiligen Unternehmen und ihr Geschäftsmodell genau anschauen – kaufen und liegen lassen funktioniert nicht mehr. Dafür ändert sich die Welt zu schnell.

Zurück zum Brexit. Wird der Finanzplatz Frankfurt am Main profitieren?

Frankfurt hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Nicht umsonst sind viele große Auslandsbanken hier. Auch die Deutsche Börse ist eine Erfolgsgeschichte. Etliche Banken kommen von der Themse an den Main. Nur von einem Standort innerhalb der EU können sie in der EU tätig bleiben.

Sie haben im April Ihren 75. Geburtstag gefeiert. Trotzdem ist schwerlich vorstellbar, dass sich Friedrich von Metzler ganz zurückzieht.

Das stimmt wohl. Aus dem operativen Bankgeschäft habe ich mich schon die letzten Jahre Stück für Stück zurückgezogen. Aber ich bin weiter persönlich haftender Gesellschafter. Ich kümmere mich verstärkt um unsere Kunden. Das werde ich weiter tun, dafür durch die Republik reisen, viele Unternehmer treffen. Und vielleicht den einen oder anderen neuen Kunden gewinnen.

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