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Gute Kinderbetreuung ist Voraussetzung für eine hohe Erwerbsquote von Frauen.

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Frauengleichstellung in Ost und West: Ostdeutsche arbeiten länger und verdienen weniger

Die Frauen holen auf bei Erwerbstätigkeit und sozialer Absicherung. Doch ohne bessere staatliche Kinderbetreuung bleibt die Gleichstellung schwierig.

30 Jahre nach der deutschen Einheit haben Frauen hierzulande „in Puncto Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Absicherung gegenüber Männern aufholen können“. Aber es gibt immer noch gravierende Unterschiede – zwischen den Geschlechtern, aber auch zwischen Ost und West.

Die gewerkschaftliche Böckler-Stiftung beschreibt in einer aktuellen Studie Vorteile für die Frauen im Osten hinsichtlich Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeit und Einkommen.

So seien die Einkommensunterschiede im Osten zwischen Männern und Frauen „spürbar kleiner“, indes auf einem insgesamt niedrigeren Gehaltsniveau als im Westen. Etwas günstiger sind die Karriereverläufe der Ostdeutschen: Eine von drei Führungspositionen wird von einer Frau besetzt, im Westen ist es nur eine von vier.

Besser sieht die zweite Führungsebene aus, wo der Frauenanteil in Westdeutschland mit 39 Prozent dem Anteil an allen Beschäftigten (44 Prozent) relativ nahe kommt. In Ostdeutschland seien Frauen auf der zweiten Führungsebene sogar leicht überrepräsentiert.

74 Prozent arbeiten im Osten

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Böckler-Stiftung hat mit Hilfe von 27 Indikatoren die Gleichstellung hierzulande untersucht.

Bei schulischer Bildung und beruflicher Qualifikation haben Frauen in beiden Landesteilen mit den Männern gleichgezogen. Bei der Erwerbsbeteiligung gibt es dagegen „deutliche Unterschiede“.

So lag die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen 2018 um gut acht Prozentpunkte unter der von westdeutschen Männern – 71 Prozent gegenüber 80 Prozent.

Allerdings hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan: 1991 war die Differenz fast dreimal so groß. In Ostdeutschland waren zuletzt knapp 74 Prozent der Frauen erwerbstätig. Der Abstand zu den Männern reduzierte sich hier seit 1991 von zwölf auf vier Prozent.

Die Hälfte arbeitet im Westen in Teilzeit 

Die Frauen arbeiten mehr – und doch deutlich weniger als die Männer und häufiger prekär. In Westdeutschland verbringen Frauen nach den neuesten verfügbaren Daten neun Stunden weniger als Männer mit Erwerbsarbeit – der Rückstand ist wegen der höheren Teilzeitquote eine Stunde größer als 1991.

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In Ostdeutschland liegt die Differenz bei fünf Stunden und somit zwei Stunden höher als noch vor 30 Jahren. Fast 50 Prozent der berufstätigen Frauen machen im Westen Teilzeit, gut 17 Prozent haben nur einen Minijob. Im Osten liegt der Minjiobberinnen-Anteil bei knapp zehn und die Teilzeitquote bei 34,7 Prozent. „Bei Männern ist Teilzeitarbeit in beiden Landesteilen hingegen eher ein Randphänomen“, schreiben die Böckler-Wissenschaftler.

Kein Kulturwandel ohne staatliche Hilfe 

Die Differenzen bei der Arbeitszeit erklären sich im Wesentlichen mit der Kinderbetreuung: In Ostdeutschland werden 41,4 Prozent der Kinder unter drei Jahren und 74,8 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen ganztags außer Haus betreut. Die entsprechenden Werte für den Westen liegen bei nur 14,3 und 40,5 Prozent.

„Immerhin“, so schreiben die Studienautoren, "hat sich das Angebot an Ganztags-Kinderbetreuung in Westdeutschland im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt". Auch an diesem Punkt zeige sich, welche Bedeutung staatliche Rahmenbedingungen hätten für die Gleichstellung. „Einfach auf einen Kulturwandel zu vertrauen, reicht nicht. Dann kommt man nur sehr langsam voran und viele – zunehmend sehr gut ausgebildete Frauen – sind gezwungen, unter ihren Möglichkeiten zu bleiben.“

Ein Fünftel geringerer Lohn

Die Unterschiede bei Kinderbetreuung und Arbeitszeit sowie die unterschiedlichen Berufe tragen wesentlich zur Lohnlücke bei: In Westdeutschland liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 21 Prozent unter dem von Männern, der Abstand ist dreimal so groß wie in Ostdeutschland. Allerdings spielt bei den geringeren Unterschieden im Osten ein weiterer Faktor eine erhebliche Rolle: Die Stundenlöhne ostdeutscher Männer sind wesentlich niedriger als die der Kollegen im Westen. Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei der Einkommensverteilung: 26 Prozent der vollzeitbeschäftigten westdeutschen Männer haben monatliche Bruttoeinkommen über 5000 Euro, unter den ostdeutschen Männern erreichen nur gut zwölf Prozent dieses Niveau.

Ein Viertel verdient weniger als 2000 Euro

Mit Niedrigeinkommen unter 2000 Euro monatlich für eine Vollzeitstelle müssen in Ostdeutschland gut ein Viertel der Frauen und ein Fünftel der Männer leben. Im Westen sind es rund 19 Prozent der weiblichen und acht Prozent der männlichen Vollzeitbeschäftigten. Neben den erheblichen Unterschieden in der Wirtschaftsstruktur trägt nach WSI-Untersuchungen auch die niedrigere Tarifbindung im Osten zum niedrigeren Lohnniveau bei. Der Industriebestand ist im Osten deutlich schwächer als im Westen, und die Unternehmenssitze inklusive der oft gut bezahlten administrativen Tätigkeiten, Forschung- und Entwicklung, Marketing und Vertriebsfunktionen, befinden sich zumeist in den alten Bundesländern.

Die Alterseinkommen der Frauen liegen erheblich unteren denen der Männer. Vor allem im Westen ist der Unterschied erheblich.
Die Alterseinkommen der Frauen liegen erheblich unteren denen der Männer. Vor allem im Westen ist der Unterschied erheblich.

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Die aufgrund von Geburt und Erziehungszeiten auftretenden Brüche in den Erwerbsverläufen machen sich im Alter bemerkbar. Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen in Westdeutschland durchschnittlich ein um 58 Prozent niedrigeres Einkommen im Alter als Männer. Anfang der 1990er Jahre lag der dieser "Gender Pension Gap" im Westen sogar bei 73 Prozent. In Ostdeutschland beträgt der Abstand durchschnittlich 28 Prozent, 1992 waren es noch 39 Prozent.

Ehegattensplitting wirkt sich negativ aus 

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf breiter Linie zu fördern, empfehlen die Wissenschaftler „stärkere Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen“. Das könnte gelingen durch eine schrittweise Erweiterung der Partnermonate im Elterngeld auf sechs.

Weiter wichtig sei der Ausbau der institutionellen Betreuung von Kleinkindern und eine „finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich, um diese für beide Geschlechter attraktiver zu machen“. Ferner plädieren die Böckler-Autorinnen für die Abschaffung des Ehegattensplittings, „das vor allem in Westdeutschland ökonomische Fehlanreize für Ehefrauen nach der Familiengründung setzt, dem Arbeitsmarkt fernzubleiben oder die Arbeitszeit deutlich zu reduzieren“.

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