zum Hauptinhalt
Farbspiele. Die Kanzlerin Angela Merkel hat im Laufe ihrer Amtszeit weder ihre Frisur noch ihren Stil gewechselt - aber immer wieder die Farbe ihres Blazers.

© picture alliance / dpa

Frauen an der Spitze: Arbeitskleidung

Anthrazit, dunkelblau schwarz – so kleidet man sich in Führungsetagen. Auffallen ist unerwünscht. Die meisten Frauen, die es nach oben schaffen, passen sich an. Ein Für und Wider.

Es war 2012 als eine niederländische Designzeitschrift Angela Merkel eine ganze Seite widmete: 86 Mal ist die Bundeskanzlerin dort zu sehen, immer vom Scheitel bis zur Hüfte, immer im Blazer. Diesem Jackentyp hält Merkel die Treue, farblich dagegen wagt sie stets Neues, so dass die Seite an einen Wassermalkasten in der Schule erinnert. Man kann das künstlerisch finden oder nicht, man kann sich aber auch versuchen vorzustellen, ob es diese Seite mit den Outfits eines Bundeskanzlers gegeben hätte. Wohl eher nicht.

Diejenigen, die in Chefsesseln sitzen und an wichtigen Meetings teilnehmen, sind meist unauffällig gekleidet. Gedeckte Farben wie schwarz oder anthrazit, weiße Hemden, dunkle Schuhe. Weil diejenigen, die in Chefsesseln sitzen und an wichtigen Meetings teilnehmen, noch immer meist männlich sind. Und diese Männer tragen eben kein lindgrünes Jackett wie Angela Merkel das tut. Das führt dazu, dass viele Frauen, je häufiger sie an wichtigen Meetings teilnehmen, meinen, sich dem dunklen Dresscode anpassen zu müssen. Peter Modler nennt solche Ansammlungen in Schwarz-Grau die „Sekte im Hosenanzug“.

Der 59-Jährige Coach trifft ständig Frauen in Führungspositionen. Sie kommen zu ihm in die Seminare, weil sie nicht mehr weiter wissen. Weil sie die männliche Arbeitswelt nicht verstehen. Weil sie ratlos sind, wie sie sich als Frau in dieser Welt bewegen sollen. Modler bietet ein „Arroganz-Training“ an, so nennt er es. Die Nachfrage scheint hoch zu sein. Er hat sich den Begriff rechtlich schützen lassen.

Ein "Arroganz-Training" soll Frauen weiterhelfen

„Ich halte es für ein Missverständnis, wenn Frauen sich so anziehen wie Männer“, sagt Modler. Niemand müsse sein Geschlecht verbergen, auch keine weibliche Führungskraft. Aber Modler sagt auch: „Natürlich unterstreicht ein Outfit die Machtposition, ein tiefes Dekolleté oder ein zu kurzer Rock etwa schwächen sie, ein Kostüm kann sie stärken.“

Es gibt Berufe, in denen man sich über seine Garderobe keine Gedanken machen muss. Ärztinnen, Stewardessen, Schaffnerinnen, Soldatinnen müssen morgens nur eine Art Uniform überstreifen. Und es gibt Berufe und Positionen, in denen die Wahl der Kleidung für Aufsehen sorgt: So wie First Lady Michelle Obama, die auf der offiziellen Internetseite des Weißen Hauses in einem ärmellosen Kleid zu sehen ist – konservative Amerikaner sind über diese Erscheinung empört. Oder wie Yahoo-Chefin Marissa Meyer, die sich auf einer Chaiselongue räkelnd, in engem Kleid und mit rotem Lippenstift, für die Vogue fotografieren ließ – und damit die Diskussion entfachte, wie sexy sich eine Frau in Führungsposition zeigen darf.

Auch Angela Merkels Äußeres ist immer wieder eine Schlagzeile wert. Als die Kanzlerin 2008 zur Eröffnung der neuen Oper in Oslo ein Kleid mit tiefem Ausschnitt trug, fragte man: Darf die das? Als sie bei den Bayreuther Festspielen zwei Mal dasselbe Kleid trug, titelten die Medien: „Krisengarderobe“.

Die Garderobe spielt heute eine weniger wichtige Rolle

Martina Niemann, Personalleiterin bei Air Berlin, meint, dass der Auftritt von Frauen heute weniger kritisch gesehen wird als früher. „Ich empfinde, dass gerade die Bundeskanzlerin viel dazu beigetragen hat, dass die Diskussion der Garderobefrage bei der Bewertung der beruflichen Leistung von Frauen geringer geworden ist“, sagt sie. Im alltäglichen, professionellen Umgang in Unternehmen spiele sie keine Rolle mehr.

Jenny Friese, die Vorsitzende der Geschäftsleitung Wealth Management der Commerzbank Berlin, meint: „Ein seriöser Auftritt und das gepflegte Äußere gehören einfach zu unserer Berufsgruppe und werden schlicht erwartet.“

Wie ein seriöser Auftritt aussieht, steht in jedem Büro-Knigge: Dem zufolge dürfen Frauen Kostüm und Hosenanzug tragen, Feinstrumpfhose und geschlossene Schuhe. Durchscheinende Bluse, Minirock oder zu tiefes Dekolleté gehen nicht.

Manche Frau will sich gar nicht zu diesem Thema äußern, zum Beispiel Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe. Ihre Pressesprecherin teilt mit, dass man gerne über Nikuttas Position als Chefin eines 13 000-Mann-Betriebes sprechen könne, zu Auftreten und Erscheinung aber wolle sie nicht Stellung nehmen. Sie spricht es nicht aus, aber sie meint: Bei einem männlichen Vorstandsvorsitzenden ist das Aussehen kein Thema. Warum soll es also bei einer Frau eines sein?

Frauen stehen nicht gern im Mittelpunkt

Doch offensichtlich gibt es gewisse Unterschiede zwischen Männern und Frauen, ansonsten wären doch wohl mehr Frauen an der Spitze: In den Aufsichtsräten der im Dax gelisteten Unternehmen liegt der Frauenanteil bei rund 20 Prozent, unter den Dax-Vorständen bei nicht einmal zehn Prozent.

Die Gründe liegen in einem unterschiedlichen Umgang mit Macht und Einfluss, in einer hohen Kompromissbereitschaft und einer noch höheren Konfliktscheue. So erklären sich das die Berliner Managerinnen. Sich in den Mittelpunkt zu stellen, fällt Frauen schwerer als Männern, sagt der Coach Modler. Und wer sich damit schwer tut, will es nicht noch schwerer haben, weil alle schauen, wenn man als Abteilungsleiterin mit geblümtem Kleid zur Besprechung kommt. Also lieber dezent, unauffällig, gedeckte Farben tragen.

Auch das große Angebot an Ratgebern und Seminaren zeigt, dass Frauen sich in der Männerwelt nicht akzeptiert fühlen – und Gleichberechtigung noch keine Realität ist. In Berlin schult Marina Matthies seit mehr als 20 Jahren weibliche Managerinnen. In so genannten Löwinnen-Seminaren rät sie Frauen, sich nicht zu verfremden (siehe Kasten). „Sie müssen sich wohl fühlen, sonst leidet das Gesamtbild.“

Der Coach Peter Modler empfiehlt dagegen, sich eine „Bühnenkleidung“ zuzulegen. Der Job, das ist die berufliche Bühne, das Outfit demnach die Bühnenkleidung. „Wenn sich weibliche Führungskräfte am Morgen diese Bühnenkleidung anziehen, kommen sie leichter in ihre Rolle“, sagt Modler. „Wenn sie sie am Abend wieder ablegen, können sie auch die Rolle gelassener hinter sich lassen.“ Auch Angela Merkel wird ihren Blazer dann in den Schrank zurück hängen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false