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Großer Abschied nach mehr als 18 Jahren: Der ewige Verdi-Chef Frank Bsirske ist jetzt Rentner.

© dpa

Frank Bsirske geht in den Ruhestand: „Die mögen dich einfach“

Vor drei Wochen war Frank Bsirske als Verdi-Chef abgetreten. Ein paar hundert Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften feierten ihn nun.

Unter den Applaudierenden waren nicht wenige, die sich erbitterte Tarifgefechte mit Frank Bsirske geliefert haben. Thomas de Maiziere zum Beispiel, der frühere Bundesinnenminister, oder der einstige niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring, der als Verhandlungsführer der Bundesländer Verdi vor vielen Jahren "das Kreuz brechen" wollte, wie Bsirske sagt.

Am Mittwochnachmittag standen sie alle auf im Tipi am Kanzleramt, um Bsirske mit einem langen Applaus den schweren Weg in den Ruhestand zu erleichtern. Eigentlich hatte aus der Nachbarschaft die Bundeskanzlerin kommen wollen, doch das Treffen mit Emmanuel Macron verhinderte Angela Merkels Auftritt auf der Abschiedsgala für den wichtigsten deutschen Gewerkschafter der vergangenen Jahre.

Nach mehr als 18 Jahren im Amt war Frank Bsirske vor gut drei Wochen abgetreten und durch "Frank II", seinen bisherigen Stellvertreter Frank Werneke, an der Spitze der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ersetzt worden.

Bsirske interessiert sich für die Leute

Bsirske bedankte sich gerührt bei einem halben Dutzend Festredner und ein paar hundert Gästen, darunter Klaus Wowereit, Eon-Chef Johannes Teyssen, DIHK-Präsident Eric Schweitzer, Parteienvertreter und jede Menge ehemaliger und aktueller Gewerkschaftsbosse. Für die Arbeitgeber trat Thomas Böhle auf, der als Präsident der kommunalen Arbeitgeber über all die Jahre zehn Tarifauseinandersetzungen mit Bsirske austragen musste.

Es ist gut gegangen. Die beiden Tarifpartner sind Freunde geworden und haben gemeinsam 2005 das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst modernisiert. Damals "eine Revolution", wie Böhle sagte, wurde doch der verstaubte BAT mit Einkommenserhöhung nach Lebensalter endlich abgeschafft. "Es gab nie persönliche Angriffe", erzählte Böhle aus den langen Tarifnächten mit Bsirske. Klar: Laut werden, raus laufen und Türen schlagen - das gehört dazu, denn "Tarifverhandlungen sind auch großes Theater".

Doch der starke und faire Verhandlungspartner Bsirske, habe immer gewusst, wie weit er gehen könne. Und wie weit nicht. "Man muss absteigen, wenn man merkt, dass man ein totes Pferd reitet", gab Böhle eine Tarifweisheit zum Besten. Und man muss sich verlassen können. In den vielen Jahren mit Bsirske hat Böhle eine "unglaubliche Zuneigung der Verdi-Mitglieder" für ihren Vorsitzenden beobachtet. "Die mögen dich einfach, weil Du Dich für sie interessiert hast."

Merkel statt Schröder

Dieser Aspekt klang bei einigen Redner durch, etwa bei einem österreichischen Gewerkschaftsfreund, der heute noch Gänsehaut bekommt, sobald er erzählt, wie Bsirske einst in Wien den Freunden in Not Hilfe anbot. Bsirske, dessen bisweilen ausufernde politologischen Referate manchen anderen Gewerkschafter forderten, könne auch sehr gut zuhören, berichtete DGB-Chef Reiner Hoffmann. "Und er hat eine unglaubliche Fähigkeit, auf Leute zuzugehen." Und hartnäckig auf Kurs zu bleiben.

Fast alle Rednerinnen und Redner erinnerten an diesem Nachmittag an den gesetzlichen Mindestlohn, der 2015 eingeführt worden war - und in der Form wohl kaum ohne Verdi respektive den Verdi-Vorsitzenden, der zehn Jahre für die Lohnuntergrenze getrommelt hatte. Kanzleramtsminister Helge Braun, der für Merkel gekommen war, würdigte den Mindestlohn als "großen und leuchtenden Stern" in Bsirskes späten Jahren, nachdem er gut zehn Jahre zuvor so unter der Agendapolitik Gerhard Schröders gelitten hatte.

Bsirske selbst betonte später seine "hohe Wertschätzung für die Bundeskanzlerin als Person" und nutzte einmal mehr die Gelegenheit, um Schröder einen Schlag zu verpassen. "Wo ihr Vorgänger autoritär wurde, fängt sie an zu argumentieren."

Gute Jahre für Verdi und Deutschland

Er habe mal nachschauen lassen, so Kanzleramtschef Braun, wie viele Staatsoberhäupter länger im Amt sind als es Bsirske wahr: Es sind 23. "Aber nicht viel davon sind demokratisch gewählt." Bsirske dagegen wurde alle vier Jahre wiedergewählt an die Spitze der Zwei-Millionen-Mitglieder-Gewerkschaft Verdi, die 2001 durch den Zusammenschluss von fünf Organisationen entstanden war.

Über all die Jahre mit Höhen und Tiefen sei Verdi "schlagkräftig" geblieben, lobte der CDU-Politiker Braun die Arbeit Bsirskes, der dazu eine "revolutionäre Mitgliederbeteiligung" eingeführt habe. Auch dank Bsirske sei der öffentliche Dienst ein attraktiver Arbeitgeber, meinte Braun und würdigte die von Verdi durchgesetzten Tariferhöhungen.

Vor allem die Gewerkschafter hörten gerne Brauns Bekenntnis, dass die erodierende Tarifbindung "auch die Bundesregierung umtreibt". Wenn weniger als 50 Prozent der Unternehmen keinen Tarif mehr anwendeten, dann sei ein Schmerzgrenze erreicht, sagte der Kanzleramtsminister und appellierte an die Anwesenden, weiter am Thema zu arbeiten. Bsirske betrifft das nun nicht mehr.

"Herzlichen Dank für 18 gute Jahre für Verdi und Deutschland", sagte Braun auch im Namen der Bundeskanzlerin.

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