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Brisante Forschung. Die Standortwahl des neuen Standorts für Batteriezellenforschung sorgt für Kritik.

© Daniel Karmann/dpa

Forschungsministerin in der Kritik: Streit um Standortwahl für Zellforschungsfabrik

Mit 500 Millionen Euro fördert die Bundesregierung die neue Einrichtung in Münster. Drei Ministerpräsidenten sind verärgert und haben der Kanzlerin geschrieben.

Das BMBF unter der Leitung von Ministerin Anja Karliczek (CDU) hatte am Freitag bekanntgegeben, dass die neue Zellforschungsfabrik, die vom Ministerium mit 500 Millionen Euro gefördert wird, bis 2022 in Münster entsteht. Aufbau und Betrieb erfolgen durch die Fraunhofer-Gesellschaft. Die Forschungsfabrik soll „den Transfer von neuen Batteriekonzepten und Produktionsverfahren in die Praxis beschleunigen“, so die Zielsetzung des BMBF. Dazu sei Münster, wo das Batterieforschungszentrum MEET zur Westfälischen Wilhelms-Universität gehört, der beste Standort. 

Für die Forschungseinrichtung hatten sich neben NRW auch Baden-Württemberg (Ulm), Bayern (Augsburg), Sachsen (Dresden), Niedersachsen (Braunschweig) und Schleswig-Holstein (Itzezoe) beworben. Bayern und Itzehoe hatten keine Chance, die Bewerbung des Freistaats sei sogar „eine Frechheit“ gewesen, heißt es in Berlin. 

Als Favorit war Ulm ins Rennen gegangen, wo seit Jahren an Material- und Zellkonzepten geforscht wird und wo mit Varta auf der Schwäbischen Alb der größte deutsche Kleinzellenhersteller in der Nähe ansässig ist. Ulm hatte unter anderem damit geworben, dass sich Unternehmen verpflichteten, bereits frühzeitig Zellen im Wert von 53 Millionen Euro aus der neuen Forschungsfabrik kaufen zu wollen. Alles in allem warb Baden-Württemberg mit Landesinvestitionen von insgesamt 185 Millionen Euro für Ulm.  

Baden-Württemberg spricht von einem Skandal

Die Enttäuschung war groß im Ländle. Von einem Skandal war am Montag in der dortigen Wissenschaftlerszene sogar die Rede. Münster habe überhaupt keine Produktionskompetenz, offenbar habe „Vetternwirtschaft“ den Ausschlag gegeben, hieß es in Stuttgart, wo man vom BMBF eine Erklärung über die Standortentscheidung erwartet. 

Die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne),Markus Söder (Bayern, CSU) und Stephan Weil (Niedersachsen, SPD), haben inzwischen ein gemeinsames Protestschreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschickt. 

Tatsächlich kam bereits vor gut zwei Wochen der Verdacht einer Interessenüberschneidung bei Ministerin Karliczek auf: Denn im Wahlkreis der Ministerin, konkret in Ibbenbüren, soll im Zusammenhang mit der Forschungsfabrik ein Kompetenzzentrum für Batterierecycling entstehen. Ibbenbüren liegt gut 40 Kilometer nördlich von Münster. 

Die entscheidende Sitzung der so genannten Gründungskommission, die eine Empfehlung über den Standort der Forschungsfabrik abgab, verlegte das BMBF deshalb am vergangenen Dienstag ins Bundeswirtschaftsministerium, um möglichen Vorwürfen der Befangenheit zu begegnen. Angeblich gab es bei der Kommissionssitzung ein eindeutiges Votum für Ulm, Münster soll nur den 5. Platzbelegt haben. 

Entscheidung zur Zellfabrik im Herbst

Doch das BMBF entschied sich zwei Tage später für Münster, nunmehr auch mit dem Argument, die Forschung sei wichtiger als Fertigungskompetenz, um in Brüssel keine Probleme mit der 500 Millionen Steuergelder kostenden Anlage zu bekommen. 

Forschungsministerin Karliczek verteidigte am Montag ihre Entscheidung. „Das überzeugendste Konzept für Batterieforschungsproduktion und Recycling hat Münster vorgelegt“, sagte sie am Montag im ARD-Mittagsmagazin. Karliczek reagierte zugleich auf Kritik aus der sächsischen Landesregierung mit dem Hinweis, dass Dresden zwar ein sehr leistungsfähiger Batterieforschungsstandort sei, sich aber mit einem anderen Teilbereich beschäftige. Es sei wichtig, jetztschnell in die industrielle Umsetzung zu gehen und dafür sei der Standort Münster besser geeignet.

Im Übrigen wird voraussichtlich in der Nähe von Münster eine Fertigung entstehen. Im frühen Herbst wird vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die Entscheidung über die Förderung einer Zellfertigung im Rheinland erwartet, an der sich unter anderem die Elektroautohersteller Streetscooter und e.Go beteiligen sowie Ford und der Zellverarbeiter BMZ. 

Bereits vergangene Woche wurde in Brüssel die Förderung eines deutsch-französisches Konsortium um Saft, PSA/Opel und Varta angemeldet. Als Standort ist Kaiserslautern im Gespräch, doch auch Varta auf der Schwäbischen Alb könnte profitieren. Zumal dann, wenn Ulm als Ausgleich für die Nichtberücksichtigung beim Standort der Forschungsfabrik BMBF-Mittel bekommt für eine Zellenentwicklung und die Kooperation mit Varta. Bis zu 50 Millionen Euro sind im Gespräch. 

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