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Ernst & Young (EY) gehört zu den sogenannten "Big Four", die Wirtschaftsprüfung und Beratung gleichermaßen anbieten.

© imago/IP3press

Folgen des Wirecard-Skandals: Jetzt geraten die zweifelhaften Methoden der Wirtschaftsprüfer in den Fokus

Die Opposition fordert, Beratung und Wirtschaftsprüfung zu trennen, die Bundesregierung schiebt der Branche die Schuld zu. Dabei nutzt sie deren Dienste selbst.

Wie jede große Affäre zerrt auch der Wirecard-Skandal diejenigen in den Fokus der Öffentlichkeit, die das eigentlich nicht schätzen. In diesem Fall sind das etwa die Wirtschaftsprüfer von EY und KPMG, die die Bilanzen des Dax-Konzerns prüften. Kein Wunder, tun doch die verantwortlichen Politiker alles dafür, ihnen die Schuld zuzuschieben.

Seit zehn Jahren sei Wirecard von einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit gutem Ruf überprüft worden, sagte etwa Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Sonntag im ZDF. „Es stellt sich schon die Frage, wie es sein kann, dass hoch qualifizierte, exzellent ausgebildete und teuer bezahlte Wirtschaftsprüfer von all den jetzt augenscheinlichen Betrügereien nichts mitbekommen haben“, legte er in der aktuellen „Zeit“ nach.

Der Fall Wirecard stellt die ganze Branche vor Probleme. Über die Fraktionen hinweg scheint sich die Politik einig zu sein, das lukrative Geschäftsfeld der Wirtschaftsprüfung und Beratung stärker zu reglementieren. In der Kritik steht vor allem die Tatsache, dass ein Unternehmen gleichzeitig als unabhängiger Prüfer, gleichzeitig aber auch als Berater fungieren kann.

Opposition fordert Trennung von Prüfung und Beratung

„Eine unabhängige, ernsthafte Prüfung wird nicht leichter, wenn man schon auf die nächsten lukrativen Beratungs- und Folgeaufträge schielt“, sagt Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion dem Tagesspiegel und fordert, „endlich eine strikte Trennung von Beratung und Prüfung durchzusetzen“. Auch ihr Amtskollege von der FDP, Florian Toncar, findet, dass „Wirecard ein Weckruf für die Branche sein muss“. Vor allem dürfe der Wirtschaftsprüfer nicht in die Lage kommen, die eigene Arbeit prüfen zu müssen.

Lisa Paus (Grüne) will auch kleineren Wirtschaftsprüfern eine Chance geben.
Lisa Paus (Grüne) will auch kleineren Wirtschaftsprüfern eine Chance geben.

© dpa

Doch wie könnte so eine Trennung aussehen? Der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Fabio de Masi fordert „ein Umlageverfahren zur Finanzierung der Prüfer, so dass alle Unternehmen in einen Topf einzahlen und keine Interessenkonflikte bestehen“. Lisa Paus wirft zudem die Frage auf, „ob ein Testat bei großen Unternehmen von zwei unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften abgegeben werden muss“.

Hiervon könnten auch kleinere Prüfgesellschaften jenseits der „Big Four“ profitieren, zu denen man neben EY und KPMG auch Deloitte und PwC zählt. Sie alle sind ursprünglich Wirtschaftsprüfer, sind aber Mitte des vergangenen Jahrzehnts in den Beratermarkt vorgestoßen. Andere große Player wie McKinsey, Bain oder BCG beschränken sich seit jeher auf Beratung.

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In Großbritannien steht das Gebaren der „Big Four“ ebenfalls in der Kritik. Die Prüferaufsicht FRC will eine strikte Trennung von Prüfung und Beratung durchsetzen: Bis Oktober sollen die Firmen Konzepte vorlegen, wie sie diese Trennung in den kommenden vier Jahren umsetzen können.

Bundesregierung zahlt selbst Millionen für Berater

Doch ihre Skepsis gegenüber den beratenden Prüfern hat die Politik nicht davon abgehalten, ihnen selbst millionenschwere Aufträge zu erteilen. Eine Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linke-Abgeordneten Matthias Höhn im Januar dieses Jahres ergab, dass die Bundesministerien inklusive nachgeordneter Behörden und bundeseigener Gesellschaften für externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen gut 215 Millionen Euro ausgegeben haben – und zwar nur im Zeitraum zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2019.

Mit fast 74 Millionen Euro hatte das Innenministerium hier den größten Beratungsbedarf. Es folgte das Verkehrsministerium mit knapp 63 Millionen und das Finanzministerium mit fast 34 Millionen Euro Beraterkosten. Eine weitere Kleine Anfrage der Linken zeigt zudem, dass auch die „Big Four“ von den Aufträgen profitierten. Demnach vergab etwa das Verkehrsministerium zwischen Juli 2018 und Februar 2020 Aufträge mit einem Volumen von insgesamt gut 12 Millionen Euro an „Big Four“-Unternehmen. Auch das Innenministerium und das Auswärtige Amt überwiesen in dieser Zeit jeweils knapp sechs Millionen Euro an die „Big Four“.

Schon früher gab es Ärger um Berater

Auch aktuell laufen zahlreiche Verträge mit externen Beratern. So berät etwa EY derzeit das Umweltministerium für 1,7 Millionen Euro in Fragen zu Umweltpolitik und Digitalisierung, weil „das Ministerium über keine eigenen Kapazitäten mit der erforderlichen Qualifikation“ verfügt, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel mitteilte.

Das Arbeitsministerium lässt sich gerade von zwei externen Firmen beraten, aus dem Haushalt des Bildungsministeriums werden sieben Beratungsaufträge gezahlt, darunter jedoch keine der „Big Four“. Die meisten Ministerien konnte die Anfrage nach laufenden Beraterverträgen nicht zeitnah beantworten.

Für Ärger sorgten Beratertätigkeiten zuletzt im Verteidigungsministerium, wo die Umstände der Auftragsvergabe unter der ehemaligen Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) noch immer nicht aufgeklärt sind. Auch die McKinsey-Beratung während der Flüchtlingskrise im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und im Berliner Landesamt für Gesundheit uns Soziales sind umstritten. Im Umfeld der Behörden wird betont, dass keine ministeriellen Kernaufgaben ausgelagert würden. „Der Schwerpunkt bei der Beauftragung externer Beraterleistungen liegt bei IT-bezogenen Maßnahmen“, heißt es etwa aus dem Justizministerium.

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