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Unter anderem in Schönefeld wurde der Flugbetrieb massiv gestört, als Anfang Januar das Sicherheitspersonal für mehr Geld streikte. Gefordert wurden 20 Euro Stundenlohn, am Ende stand ein Tarifkompromiss mit 19 Euro ab 2021.

© Bernd Settnik/dpa

Flughafenkontrolleure: Verdi will keinen weiteren Konflikt

Trotz eines negativen Mitgliedervotums: Tarifabschluss für Sicherheitspersonal bleibt bestehen. Mehr Geld gibt es aber erst später.

An den deutschen Flughäfen wird es frühestens im Herbst 2021 wieder Streiks des Sicherheitspersonals geben. Am vergangenen Mittwoch verständigten sich die Verhandlungsführer des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) und Verdi auf nur geringfügige Änderungen an dem Tarifkompromiss vom 24. Januar. Die damalige Verständigung war in Gefahr geraten, als Verdi ihre Mitglieder darüber abstimmen ließ und 55 Prozent dagegen votierten. Unter anderem, weil es in Ostdeutschland Verdruss gibt wegen des Angleichungszeitraums von sechs Jahren für bestimmte Beschäftigte an das westdeutsche Lohnniveau. Die entsprechende Passage im Tarifvertrag wird nun gestrichen. Verdi möchte stattdessen in den nächsten Tarifverhandlungen Ende 2021 eine schnellere Angleichung durchsetzen.

23 000 Beschäftigte betroffen

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen betrifft das Thema rund 30 Prozent der Kontrolleure in Ostdeutschland. Es sind die Beschäftigten, die das an den Flughäfen tätige Personal überwachen. Sogenannte Luftsicherheitsassistenten, die Passagiere und Gepäck kontrollieren, werden dagegen mit ihrem Einkommen bis 2021 das Westniveau erreichen.

Die Auseinandersetzung um die Bezahlung der 23 000 Mitarbeiter der Luftsicherheit hatte vor zwei Monaten den Flugverkehr erheblich beeinträchtigt. Verdi ließ die Berliner Flughäfen erst ein paar Stunden bestreiken, dann folgten ganztägige Arbeitsniederlegungen in Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart und schließlich ein 18-stündiger Warnstreik in Frankfurt am Main. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände kritisierte die Warnstreiks wegen ihrer Auswirkungen als unverhältnismäßig und forderte eine gesetzliche Einschränkung des Arbeitskampfrechts.

Verdi wollte 20 Euro für alle

Verdi war im Herbst vergangenen Jahres mit dem Ziel in die Tarifverhandlungen gegangen, für alle Beschäftigten einen Stundenlohn von 20 Euro zu vereinbaren. Das hätte für einzelne Gruppen eine Erhöhung um mehr als 40 Prozent bedeutet. Am Ende waren es dann 19,01 Euro, die es von 2021 an für die Passagierkontrolleure gibt. Über die verschiedenen Beschäftigtengruppen und Regionen hinweg verständigten sich die Tarifparteien auf jährliche Erhöhungen zwischen 3,5 und 9,77 Prozent in drei Stufen: Zum 1. März 2019 sollte es die erste Erhöhung geben, die nächsten dann jeweils Anfang 2020 und 2021. Für die Luftsicherheitsassistenten wurde bereits rückwirkend zum 1. Februar mehr Geld vereinbart. Das wird nun nichts, da die Mehrheit der Verdi-Mitglieder in einer Abstimmung gegen den Tarifabschluss votierte. Nach dem Gespräch mit den Arbeitgebern am vergangenen Mittwoch wollen die Verdi- Strategen nun Anfang April erneut die Tarifkommission abstimmen lassen. Erst danach kann der Abschluss wirksam werden, sodass es voraussichtlich im Mai zu der ersten Gehaltserhöhung kommt.

Misstrauensvotum der Mitglieder

Durch die freiwillige Mitgliederbefragung – die nicht zu verwechseln ist mit der erforderlichen Urabstimmung nach einem Arbeitskampf – hat sich Verdi in eine missliche Situation gebracht: Tariferhöhungen kommen später als gedacht, und die Mitglieder, die den Abschluss abgelehnt haben, erreichen keine Verbesserung, wie sie sich das in einer weiteren Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern vorgestellt haben. Alles in allem ist die Mitgliederbefragung ein Misstrauensvotum für die Verdi-Tarifstrategen.

Angaben aus Verhandlungskreisen zufolge haben 1600 Verdi-Mitglieder unter den insgesamt 23 000 Kontrolleuren über die Tarifeinigung vom 24. Januar abgestimmt. 920 waren dagegen, weil es eben nicht 20 Euro Stundenlohn gibt und weil sich die Angleichung im Osten hinzieht. So votierten die ostdeutschen Verdi-Mitglieder mehrheitlich dagegen, aber auch die Gewerkschafter in NRW, Bayern und Hessen lehnten den Tarif ab. Die Kontrolleure an den Berliner Flughäfen waren dafür. Doch auch sie werden jetzt in Mitleidenschaft gezogen, weil die Tariferhöhung später kommt.

Es gibt keine weiteren Verhandlungen

Der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist das ganze Prozedere unangenehm, und die Verhandlungsführer müssen sich fragen lassen, ob sie mit den massiven Warnstreiks die Erwartungen der Mitglieder zu sehr nach oben getrieben haben. Nach Abschluss der erneuten Gespräche mit den Arbeitgebern wolle man die Öffentlichkeit über das Ergebnis informieren, hatte die Gewerkschaft Mitte Februar mitgeteilt, nachdem das Ergebnis der Mitgliederbefragung vorlag. Doch in Wirklichkeit will Verdi so geräuschlos wie möglich die Tarifrunde beenden – und hofft auf möglichst wenige Austritte enttäuschter Gewerkschaftsmitglieder.

Die Sicherheitsdienstleistungen an den deutschen Flughäfen werden von sieben privaten Unternehmen erbracht, darunter Marktführer Securitas. Die Unternehmen haben sich im BDLS organisiert, der nun erstmals einen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die sieben Firmen übernehmen an 13 Flughäfen im Auftrag der Bundespolizei die Passagier- und Gepäckkontrollen. Eine Ausnahme ist Bayern: Dort werden die Kontrollen von landeseigenen Gesellschaften durchgeführt, die unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes fallen. Grundsätzlich ist die Kontrolle an den Flughäfen eine hoheitliche Aufgabe, die von der Bundespolizei auf dem Wege einer EU-weiten Ausschreibung für einen Zeitraum von sechs Jahren an private Dienstleister vergeben wird.

Besondere Qualifikation ist nicht erforderlich

Die Arbeitgeber hatten sich in den Verhandlungen gegen die Verdi-Forderung unter anderem mit dem Argument gewehrt, dass seit 2011 die Einkommen der Luftsicherheitsassistenten an den größten Flughäfen bereits um 44 Prozent gestiegen seien – obgleich für den Job keine besondere Qualifikation erforderlich sei. Um Passagiere am Flughafen kontrollieren zu dürfen, müssen die Luftsicherheitsassistenten 160 Stunden geschult worden sein. Die Inhalte der Schulung gibt das Innenministerium vor, die Bundespolizei nimmt die Prüfung ab.

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