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Was gibt’s da zu lachen? Zumindest Lufthansa-Chef Carsten Spohr scheint der Spaziergang seines Vorstandes über den Flughafen BER etwas Spaß gemacht zu haben.

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Flughafen Berlin-Brandenburg: Berlin taugt doch für die Langstrecke

Für Lufthansa lohnen sich keine Direktflüge ab Tegel in die USA oder nach Fernost. Für andere Airlines geht die Rechnung auf

Vergangenen Mittwoch spazierten ein paar wirklich seltene Gäste über die Dauerbaustelle des Flughafens BER: Der komplette Lufthansa-Vorstand rückte in Schönefeld an und machte sich ein Bild von der Lage. Entwickelt Deutschlands größer Luftfahrtkonzern vielleicht doch noch größere Pläne für die deutsche Hauptstadt? Das blieb offen. Presse war nicht geladen. "Berlin liegt uns am Herzen" ließ der Vorstandschef Carsten Spohr verlauten. Dabei blieb es dann auch vorerst. Erst vor wenigen Tagen hatten Konzernvertreter wieder einmal betont, dass sich Langstreckenflüge ab Berlin nicht rechnen würden. Ausländische Airlines sehen das gleichwohl anders. Nur einen Tag nach der Vorstandstour kündigte der dänische Billigflieger Primera die Aufnahme von drei neuer Amerika-Routen ab Tegel an.

"Angesichts der überschaubaren wirtschaftlichen Kraft Berlins kann man von uns nicht verlangen, die Stadt mit vielen Direktverbindungen an die Wirtschaftsmetropolen dieser Welt anzubinden", hatte Lufthansa-Cheflobbyist Kay Lindemann im Tagesspiegel erklärt. Berlin reiche als alleiniger Quellmarkt nicht aus und der überlastete Flughafen Tegel sei als Drehkreuz mit Zubringerflügen und Gepäckumladung ungeeignet, heißt es in der Frankfurter Konzernzentrale. Air Berlin hatte bei ihren Langstrecken allerdings auf viele Umsteiger vornehmlich aus Nord- und Osteuropa zählen können.

Davon, dass Berlin als "attraktiver Markt" für die Lufthansa "immer weiter an Bedeutung gewinnt", wie Spohr am BER betonte, ist bisher wenig zu spüren. Die Lufthansa selbst beschränkt sich heute ausschließlich auf Zubringerflüge zu ihren beiden Drehkreuzen, startet in Tegel teilweise im Halbstundentakt bis zu 22 Mal täglich nach Frankfurt und 18 Mal nach München. Wer dort nicht umsteigen will, den düsen die Konzerntöchter Swiss elfmal täglich nach Zürich und Austrian siebenmal nach Wien. Zusammen sind das gut 10 000 Plätze. Ansonsten überlässt man Berlin dem hauseigenen Billigflieger Eurowings, der mit jeweils bis zu 14 täglichen Diensten ebenfalls vorrangig seine Drehkreuze in Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart bedient. Ansonsten standen beispielsweise am letzten Freitag nur wenige Flüge nach Karlsruhe (2), Nürnberg (4), London (3), Palma (2), Salzburg (2) und je ein Start nach Barcelona, Mykonos, Nizza und Zagreb auf dem Programm.

Selbst für Eurowings erschien die Fortsetzung des einstigen New York-Fluges der Air Berlin nicht rentabel. Die US-Gesellschaften Delta und United fliegen dagegen ebenso erfolgreich vom Big Apple nach Berlin wie Air Canada Rouge aus Toronto, Qatar Airways aus Doha, Hainan Airlines, die nächsten Mittwoch ihr zehnjähriges Jubiläum in Tegel feiern, aus Peking und seit Juni Scoot aus Singapur. Auch dafür hat man bei Lufthansa eine Erklärung. Die Wettbewerber kämen aus ihren jeweiligen Drehkreuzen und seien nicht auf Umsteiger in Berlin angewiesen, erklärt man.

Beim Hinweis, dass es bei Air Berlin auch umgekehrt funktionierte, verweisen die Lufthansa-Manager auf deren Pleite. Dass es doch geht, will jetzt Primera beweisen. Der dänische Billigflieger nutzt die Entwicklung von Langstreckenversionen klassischer Mittelstreckenjets, um auch weniger stark frequentierte Routen wirtschaftlich zu bedienen. Ab Juni will man Maschinen des Typs Boeing 737 MAX 9 in Tegel stationieren und damit täglich nach New York, dreimal wöchentlich nach Toronto und viermal nach Boston starten. Der Einführungspreis beginnt bei 149 Euro pro Strecke. Bereits zuvor hatten mit American Airlines angekündigt, ebenfalls ab Juni Tegel viermal wöchentlich mit Philadelphia zu verbinden. Emirates aus Dubai kämpft seit Jahren um zusätzliche Verkehrsrechte, um auch in Berlin landen zu können.

Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitBerlin, unterstreicht die Bedeutung der Langstreckenverbindungen für die Tourismus- und Kongressmetropole. Mit gut 200 000 Besuchern und 560 000 Übernachtungen in der ersten Jahreshälfte stellen die USA den bedeutendsten Überseemarkt dar. Deshalb werde man alles tun, damit die neuen Langstrecken ein Erfolg werden. Für die neue Singapur-Verbindung wirbt man bereits bis ins per Anschlussflug erreichbare Australien. Gerade der asiatische Markt bietet mit jährlich gut einer halben Million Berlin-Besuchern große Potentiale. Auch in Europa setzt der einstige Lufthanseat Kieker nicht mehr auf seinen früheren Arbeitgeber, hier kooperiert man mit EasyJet, die sich immer mehr zum Air Berlin-Nachfolger als Homecarrier der Hauptstadt entwickeln.

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