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Sallie Krawcheck hat eine Marktlücke entdeckt: Sie legt Geld für Frauen an.

© imago

Finanzielles: Frauen kümmern sich zu wenig ums Geld

Fast 30 Prozent der Frauen haben sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie sie ihr Geld anlegen wollen. Gründerinnen wollen das ändern.

Von Carla Neuhaus

Fast wäre Natascha Wegelin auf die werbenden Worte der Finanzmaklerin hereingefallen. Einen aktiven Aktienfonds empfiehlt die ihr. Für Wegelin, die sich bis dahin kaum mit Geldanlage beschäftigt hat, hört sich das zunächst gut an. Doch Zuhause kommen ihr Zweifel. Denn Wegelin weiß gar nicht so genau, was ein aktiver Aktienfonds ist. Auch versteht sie nicht, warum ausgerechnet dieser Fonds für sie geeignet sein soll. Sie liest das Kleingedruckte, sucht nach Informationen im Netz. Und stellt fest: Der Fonds, zu dem man ihr da rät, ist extrem teuer, er ist mit hohen Provisionen und Gebühren verbunden.

Für Wegelin ist das ein Aha-Moment. Sie hat BWL studiert und ein Start-up gegründet. Sie weiß, wie man Businesspläne schreibt und Marketingkonzepte. Und doch hat sie bis zu diesem Zeitpunkt bei der Geldanlage blind Finanzmaklern und Bankern vertraut. Erst nach der Sache mit dem Fonds fängt sie an, Bücher und Zeitschriften zum Thema zu lesen. Auch sucht sie Rat bei einer Honorarberaterin. Die stellt fest, dass auch die Rürup-Rente, die man Wegelin als Selbständige drei Jahren zuvor verkauft hat, überteuert ist. „Hätte ich den Vertrag weiterlaufen lassen, hätte ich Gebühren von mehr als 30 000 Euro gezahlt“, sagt sie.

29 Prozent der Frauen kümmern sich nicht um die Geldanlage

Heute kümmert sich Wegelin deshalb selbst um ihre Geldanlage – und hat sogar Spaß daran. Sie hat sich ein Depot aus börsengehandelten Fonds (ETFs) zusammengestellt, in das sie regelmäßig einzahlt. „Man muss nicht Mathe studiert haben, um sich um die eigenen Finanzen zu kümmern“, sagt sie. Anderen Frauen will Wegelin Mut machen. Als „Madame Moneypenny“ berichtet sie deshalb auf ihrem Blog im Internet über ihre Erfahrungen. Über 30 000 Leserinnen hat sie bereits im Monat. Zusätzlich hat sie eine Facebook-Gruppe aufgebaut, in die nur Frauen aufgenommen werden, die sich dort über Finanzthemen austauschen können. Seit Kurzem bietet Wegelin zudem Seminare zum Thema an, bald soll ein Podcast folgen.

Es ist eine Marktlücke, in die Wegelin damit stößt. Denn gerade unter Frauen scheint der Bedarf an Aufklärung über Finanzthemen groß zu sein. Erst kürzlich ergab eine Umfrage der Postbank: 29 Prozent der Frauen kümmern sich überhaupt nicht um ihre Finanzen. Ein Viertel der Frauen hat nach Angaben des Versicherungsverbands GDV daher auch keine private Altersvorsorge. Und das, obwohl Frauen durch Auszeiten für die Familie und Teilzeit im Schnitt im Alter 40 Prozent weniger Rente aus der gesetzlichen Kasse bekommen als Männer. Gerade sie müssten also vorsorgen.

Zu viele verlassen sich auf den Ehemann

Dass etliche Frauen das dennoch nicht tun, regt Manuela Rabener auf. „Zu viele Frauen verlassen sich bei der Altersvorsorge noch immer auf andere, etwa auf ihren Ehemann“, sagt sie. Rabener ist eine Mitgründerin von Scalable Capital: einem Roboadvisor, also einem Onlinedienst, der das Geld der Anleger je nach Risikobereitschaft automatisch in ein Portfolio investiert. „Eigentlich ist unser Service ideal für Frauen“, sagt Rabener. „Denn meistens geben sie an, wenig Lust auf das Thema Geldanlage zu haben.“ Bei ihnen müssten sie sich nur einmal damit beschäftigen und hätten dann erstmal Ruhel. Genutzt wird Scalable Capital aber dennoch vor allem von Männer.

Rabener wollte kürzlich wissen, warum und hat mehr als 2000  Frauen und Männer befragen lassen. Das erschreckende Ergebnis: Fast 58 Prozent der Frauen sagten, sie hielten ihr Finanzwissen nicht für ausreichend, um ihr Geld „mit einem sicheren Gefühl“ anzulegen. Unter den Männern schätzen dagegen weniger als die Hälfte (43 Prozent) ihr Finanzwissen so schlecht ein. „Das ist eine typische Fehleinschätzung“, sagt Rabener. Sie glaubt nicht, dass Frauen tatsächlich so viel weniger über Geldanlage wissen als Männer. Doch allein das Gefühl, zu schlecht informiert zu sein, reiche aus, um die Frauen vom Kapitalmarkt fernzuhalten: Nur elf Prozent der Frauen besitzen Aktien, unter den Männern sind es immerhin 24 Prozent.

"Investiere wie eine Frau"

Rabener will das ändern. Sie spricht regelmäßig auf Konferenzen und bietet Kurse für Frauen im Internet (sogenannte Webinare) an. Durch letztere will Rabener einen Raum schaffen, in dem Frauen freier über Finanzthemen sprechen können – keine Scheu haben müssen, eine vermeintlich dumme Frage zu stellen. Um mehr Kundinnen für ihren Robo-Advisor zu begeistern, hat Rabener zudem eine eigene Startseite für Frauen programmieren lassen. Während den Nutzern auf der Hauptseite schlicht „die Vermögensverwaltung der Zukunft“ versprochen wird, heißt es auf der Seite für Frauen: „Wir kümmern uns um alles. Damit Sie sich mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen können.“ Angelegt wird das Geld in beiden Fällen nach demselben Prinzip. Frauen bekommen also kein anderes Produkt als die Männer – nur eine etwas andere Ansprache.

Ob das reicht, um Frauen zu überzeugen? Sallie Krawcheck hat in den USA einen anderen Weg gewählt. Die frühere Finanzvorständin der Citigroup hat einen Roboadvisor gegründet, bei dem überhaupt nur für Frauen Kunden werden können. Ähnlich wie Scalable investiert auch Ellevest das Geld der Anlegerinnen automatisch am Kapitalmarkt. Allerdings verspricht Krawcheck bei der Wahl des Anlagevorschlags zum Beispiel die längere Lebenserwartung von Frauen und mögliche Pausen für die Kindererziehung einzuplanen. „Invest like a woman. Because money is power“, heißt es bei Ellevest. „Investiere wie eine Frau. Weil Geld Macht ist.“ Gerade erst haben Investoren Krawcheck dafür weitere 32,5 Millionen Dollar bereitgestellt.

Krawchecks Konzept scheint also aufzugehen. Hierzulande wirken die Bestrebungen, verstärkt Frauen für Finanzthemen zu motivieren, dagegen zum Teil noch sehr bemüht. So hat das Crowdinvesting-Portal Rea Capital kürzlich etwa versucht, Frauen mit einem Amazon-Gutschein zu ködern. Den gab es, wenn eine Frau am „Crowdinvesting-Tag für Frauen“ in ein Immobilienprojekt investiert hat.

Frauen wollen anders angesprochen werden

Anne Connelly reichen solche Lockangebote nicht aus. Sie sagt, man müsse Frauen vielmehr in ihrer Lebenssituation abholen. Ihr Finanzportal „Hermoney“ hat sie daher nicht nach Aktien, Währungen oder Rohstoffen gegliedert – sondern nach Lebensphasen wie „Die wilden Zwanziger“, „In anderen Umständen“ oder „Midlife ohne Krise“. Je nach Alter bekommen Frauen auf der Seite aufgeschlüsselt, wie sie Existenzrisiken absichern. Wie sie ihre Altersvorsorge optimieren und Vermögen aufbauen.

Connelly kennt sich damit aus, sie hat in der Finanzbranche Karriere gemacht. Beim Analysehaus Morningstar ist sie erst zur Deutschlandchefin aufgestiegen, dann zur Marketingleiterin für Europa, den Nahen Osten und Afrika – bis sie vor zwei Jahren ausstieg. Heute leitet sie das Karrierenetzwerk „Fondsfrauen“ und treibt „Hermoney“ voran. Connelly ärgert vor allem, dass Frauen die Geldanlage noch immer oft dem Ehemann überlassen. Deshalb will sie Frauen ermuntern, mit ihrem Partner frühzeitig über ihre Absicherung zu sprechen. „Kümmert sich die Frau um die Kinder, sollte sie dafür einen finanziellen Ausgleich bekommen“, fordert Connelly. So könnte der Mann für die Frau in dieser Zeit in eine private Altersvorsorge einzahlen. Das würde verhindern, dass den Frauen im Fall einer Scheidung etwa Altersarmut droht.

Auch die Banken müssen reagieren

Handlungsbedarf sieht Connelly aber nicht nur bei den Frauen selbst, sondern auch bei den Banken. Connelly sagt, Frauen fühlten sich im Beratungsgespräch oft nicht abgeholt. „Ein Mann will häufig sofort übers Produkt sprechen, eine Frau erstmal als Person verstanden werden“, sagt Connelly. Auch wollten Frauen nicht nur eine Lösung präsentiert bekommen, sondern sie auch verstehen. Connelly sagt: „Gehen die Bankberater darauf stärker ein, profitieren davon am Ende alle, Frauen wie Männer.“

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