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Finanzkrise: Was ist der IWF?

Einst sollte er helfen, Europa wieder aufzubauen. In anderen Ländern wurde seine Arbeit oft kritisiert. Jetzt erhoffen viele von ihm die nötige Kontrolle – denn es herrscht Chaos im Finanzsystem.

WARUM IST DER INTERNATIONALE WÄHRUNGSFONDS GEGRÜNDET WORDEN?

In Europa tobte noch der zweite Weltkrieg, als im Juli 1944 im idyllischen US-Kurort Bretton Woods Wirtschaftswissenschaftler aus 44 Nationen zusammenkamen, um Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Die Weltfinanzkonferenz tagte in malerischer Atmosphäre: in einem schlossartigen Hotel, 1902 im Stil der Spanischen Renaissance am Fuße des Mount Washington erbaut. Die US-Regierung hatte extra 150 Arbeiter angestellt, um das Hotel renovieren zu lassen. Jeder von ihnen bekam 50 Eimer weißer Farbe und den Auftrag, so viel wie möglich anzustreichen.

So berieten die Ökonomen in einem blütenweißen Gebäude, doch angetrieben wurden sie von dunklen Erinnerungen. Ihnen standen die Bilder der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre noch klar vor Augen: lange Schlangen Arbeitsloser, die vor Armenküchen anstehen, verunsicherte Sparer, die Banken belagern. Die Konferenzteilnehmer wussten auch, dass sie die Not des im zweiten Weltkrieg zerbombten Europa nur durch gemeinsames Handeln würden lindern können. Einer der Initiatoren der Konferenz von Bretton Woods, der britische Ökonom John Maynard Keynes, hat einmal gesagt: „Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen.“ Zumindest für die Zeit der Konferenz wird er seine Kollegen und sich davon ausgenommen haben. Sie hatten ein ehrbares Ziel: ein neues Weltwährungssystem.

Nach drei Wochen Beratung einigten sich die Konferenzteilnehmer dann am 22. Juli auf die Gründung des Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund), der die Währungsbeziehungen der Länder neu ordnete. Zugleich riefen sie die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ins Leben, den Vorläufer der Weltbank. Beide Institutionen sollten die Mittel für den Aufbau Europas nach dem Krieg bereitstellen und die Währungen stabilisieren.

FÜR WAS FÜR EINE FINANZPOLITIK STEHT DER IWF?

Ursprünglich war der IWF als Kreditgeber und Währungsaufseher geplant. Auch heute gilt er noch als Feuerwehrmann des Weltfinanzsystems: Rutscht eines der 185 Mitgliedsländer in ein Zahlungsbilanzdefizit, legt der IWF einen Kredit auf, der durch Beiträge der Mitglieder finanziert wird. Defizite in der Zahlungsbilanz entstehen, wenn ein Land mehr Güter importiert als exportiert, und gleichzeitig nicht genug Kapital ins Land fließt. Das war zum Beispiel in der Mexikokrise Anfang der 90er der Fall. Zwar floss während des Booms der mexikanischen Wirtschaft Kapital ins Land. Aber die Mexikaner finanzierten damit ihren Konsum und gönnten sich noch mehr importierte Waren, während ihre eigene Wirtschaft zu wenig Exportgüter produzierte. Am Ende klaffte eine Lücke in der mexikanischen Zahlungsbilanz, die der IWF mit einem Kredit von 17,8 Milliarden US-Dollar schloss.

Die IWF-Kredite fließen aber nicht bedingungslos: Bevor der IWF überweist, schickt er seine Ökonomen, die beim Kreditnehmer die Finanzsituation unter die Lupe nehmen und erste Empfehlungen abgeben. Mit der ersten Überweisung setzen die sogenannten Konditionalitäten ein: finanzpolitische Auflagen, um eine langfristige wirtschaftliche Stabilisierung des Landes zu erreichen.

Zuletzt ist der IWF aber immer mehr von dieser Aufgabe abgekommen. Auch weil frühere Empfängerländer wie Brasilien, Indien oder Russland inzwischen selbst zu eigenständigen Kreditgebern geworden sind. Jetzt wurde sogar von einem möglichen Vier-Milliarden-Euro- Kredit Russlands an das vor dem Staatsbankrott stehende Island berichtet.

Dominique Strauss-Kahn, der Direktor des IWF, weiß, dass er das Profil seines Hauses weiter schärfen muss – auch, um die eigene Finanzierung zu sichern. Denn die Einnahmen des Fonds aus Zinsen auf vergebene Kredite sind zurückgegangen. Zudem wollen Schwellen- und Entwicklungsländer mehr Mitsprache. Bei der Herbsttagung von IWF und Weltbank an diesem Wochenende in Washington wollte der Franzose weitere Reformfortschritte verkünden, doch nun ist ihm die Finanzkrise dazwischen gekommen. An deren Lösung will er mit dem IWF mitarbeiten. Pläne dazu erhofft man sich vom Herbsttreffen. Vorab hat Strauss-Kahn schon mal vor „nationalen Alleingängen“ gewarnt und mehr Regulierung der Finanzmärkte auch international gefordert.

WAS FÜR EINE ROLLE SPIELT DER IWF IN DER AKTUELLEN KRISE?

Bisher ist die Rolle des IWF in der Finanzkrise überschaubar, da er im Grunde nicht für eine solche Situation erdacht worden ist. Ursprünglich kümmert er sich um die Stabilität der Währungen und greift ein, wenn Staaten in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Noch ist in der derzeitigen Finanzkrise, die in den USA begann, dieser Punkt nicht erreicht. Zwar könnte sich Washington beim IWF Geld leihen, doch wird dies kaum passieren, solange die Regierung die Folgen der Finanzkrise selbst schultern kann.

Dennoch trägt der Fonds mit seinem Wissenschaftlerapparat dazu bei, die Krise zahlenmäßig zu erfassen. Zum einen registriert er die verursachten Schäden. Am Donnerstag sagte Strauss-Kahn, von den geschätzten weltweiten Gesamtausfällen von gut einer Billion Euro auf Kredite und verbriefte Wertpapiere würden „90 Prozent in den Vereinigten Staaten und Europa“ anfallen. Zum anderen prognostiziert die Konjunkturabteilung des IWF die Entwicklung der Weltwirtschaft, ähnlich wie es in Deutschland der Rat der Wirtschaftsweisen macht. Gerade hat der IWF seine Prognose des globalen Wachstums exakt auf die 3,0-Prozent-Grenze herunterkorrigiert. Werte darunter gelten laut IWF als Rezession. Strauss-Kahn geht momentan davon aus, dass eine weltweite wirtschaftliche Erholung erst ab Ende 2009 einsetzen könnte.

WIE HAT DER IWF IN BISHERIGEN KRISEN GEHANDELT?

Bisher ist der IWF qua seiner Bestimmung vor allem in Währungskrisen eingeschritten, massiv in den 90er Jahren, als zuerst mehrere Staaten Lateinamerikas in Schwierigkeiten gerieten, später dann die Asienkrise und die Krise des russischen Rubels folgten. Viele dieser Krisen konnten die Staaten durch die Finanzspritzen des IWF überwinden. Allerdings entzündete sich am Vorgehen des IWF immer wieder Kritik: Dem Fonds wurde in der Argentinien- und der Asienkrise verfehltes Krisenmanagement vorgeworfen. Auch Globalisierungsgegner sind auf den aus ihrer Sicht neoliberalen IWF schlecht zu sprechen. Sie kritisieren die sogenannten Konditionalitäten, unter denen Kredite an Entwicklungsländer bewilligt werden. So habe der IWF in einigen Fällen Kredite unter der Auflage erteilt, dass die Länder öffentliche Güter wie die Wasserversorgung privatisieren sollten. Die betroffenen Länder seien aber oft nicht in der Lage gewesen, die Privatisierung innerhalb ihres Staates zu organisieren. Internationale Unternehmen hätten sich dann in den Markt eingekauft.

VON VIELEN SEITEN WIRD JETZT EINE SCHÄRFERE KONTROLLE DES INTERNATIONALEN FINANZSYSTEMS GEFORDERT. WÄRE DER IWF EINE GEEIGNETE KONTROLLINSTITUTION?

Vom Papier her ist der Währungsfonds geradezu dafür prädestiniert, ein globales Finanzsystem zu kontrollieren: 185 Staaten sind Mitglied im Fonds. Außerdem arbeiten im Washingtoner Hauptquartier 2490 Menschen aus 143 Ländern. Internationaler geht es nicht. Einige finanzpolitische Beobachter trauen dem IWF die Rolle einer globalen Finanzaufsicht auch zu. Andere sehen gerade die Internationalität als Schwachpunkt an, da zu viele Länder beteiligt wären, die gar keine eigene starke Wirtschaft haben. Sie glauben, dass die Kontrolle der Finanzbranche von den großen Industrienationen geleistet werden sollte – also beispielsweise von den G8 sowie Ländern wie China und Indien.

Ob aber am Ende womöglich der IWF, die Vereinten Nationen oder eine neu zu schaffende Institution die Kontrolle übernimmt, wird die Herbsttagung des Währungsfonds kaum abschließend klären. Und das ist aus Sicht von Wirtschaftsforschern auch gut so. Denn egal wer am Ende die Regeln für ein neues Finanzsystem aufstellt und deren Einhaltung kontrolliert – er benötigt dafür Zeit.

Martin Gropp

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