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Akteur im Hintergrund. Wirecard ist auf Zahlungsdienstleistungen spezialisiert – zum Beispiel fürs Onlineshopping.

© imago/Sven Simon

Finanzdienstleister im Visier: Polizei durchsucht Wirecard-Büros in Singapur

Der Dax-Konzern Wirecard kommt nicht aus den Turbulenzen. Jetzt wurden Büros in Asien durchsucht. Der Kurs fällt weiter.

Von Carla Neuhaus

Es ist ein Krimi, in den der deutsche Zahlungsdienstleister Wirecard aktuell verwickelt ist. Da sollen Bücher manipuliert worden sein, Umsätze erfunden und die Behörden getäuscht worden sein. Da soll ein Finanzchef mehrere Mitarbeiter der Niederlassung in Singapur in einen Konferenzraum gebeten haben, um ihnen beizubringen, wie man Zahlen frisiert. Da sollen fiktive Rechnungen angefertigt worden sein, um Prüfer in die Irre zu führen. Seit Tagen berichtet die „Financial Times“ über immer neue Details dieses Krimis, während Wirecard selbst alles von sich weist.

Was ist also dran, an diesen Vorwürfen? Das wollen nun auch die Behörden in Asien wissen.

Die Polizei hat die Büros in Singapur durchsucht

Zehn Polizeibeamte haben am Freitagvormittag die dortige Niederlassung von Wirecard durchsucht. Sie sollen Laptops beschlagnahmt und Mitarbeiter befragt haben. Das Unternehmen teilt hingegen erneut mit: „Wir bekräftigen, dass die Vorwürfe gegen Wirecard-Mitarbeiter unbegründet sind.“ Dass es nach solch negativen Medienberichten zu Ermittlungen komme sei „ein normaler Vorgang“. Wirecard arbeite mit der Polizei in Singapur zusammen, um den Fall aufzuklären. Die Anleger beruhigt das aber nicht: Um 14 Prozent Prozent ist die Aktie von Wirecard am Freitag abgestürzt. Mehrere Milliarden Euro an Börsenwert hat das Unternehmen inzwischen eingebüßt.

Brisant ist das Ganze deshalb, weil Wirecard einer der wichtigsten deutschen Aktienkonzerne ist. Seit September letzten Jahres ist die Firma aus Aschheim bei München im Dax vertreten – rangiert damit in derselben Liga wie die Deutsche Bank, Siemens oder Bayer. Dass Verbraucher mit dem Namen Wirecard dennoch kaum etwas anfangen können, liegt daran, dass die Firma stets im Hintergrund agiert. Auch wenn sie eine Banklizenz hat, bietet sie keine Girokonten an. Stattdessen kümmert sich Wirecard etwa darum, dass beim Onlineshopping das Geld vom Käufer zum Händler kommt – egal ob der Verbraucher dabei nun per Kreditkarte, Überweisung oder Lastschrift zahlt. Zu den deutschen Konzernen, die mit Wirecard zusammenarbeiten, gehören zum Beispiel Ikea, Aldi Nord und Süd, der Besteckhersteller WMF und die Fluglinie KLM. Auch beim mobilen Bezahlen mischen die Münchner mit: Zum Beispiel wickelnt sie hierzulande die Zahlungen für den chinesischen Dienst Alipay ab.

Das Schmuddelimage wird Wirecard nicht so recht los

So erfolgreich Wirecard heute ist, so abenteuerlich ist die Entstehungsgeschichte der Firma. Gegründet worden ist sie 1999 mit der Idee, eine virtuelle Kreditkarte zu entwickeln. Nur ein Jahr später aber ging den Gründern das Geld aus und sie holten sich einen Berater von KPMG an Bord: Markus Braun. Der Wirtschaftsinformatiker erkannte das Potenzial – und blieb. Obwohl Onlineshopping noch kaum verbreitet war, soll Braun schon damals daran geglaubt haben, dass Kunden einmal im Internet bezahlen. Weil es bis dahin aber noch dauerte, kamen die ersten Kunden vor allem aus der Porno- und Glücksspielindustrie.

Auch wenn sich Wirecard seitdem stark weiterentwickelt hat: Das Schmuddelimage wird der Konzern bis heute nicht los. Immer wieder gab es in der Vergangenheit bereits Gerüchte über dubiose Geschäfte: Mal sollte Wirecard Zahlungen für illegale Onlinecasinospiele abgewickelt haben. Mal stand der Verdacht der Geldwäsche im Raum. Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger hat Wirecard schon einmal Bilanztricksereien vorgeworfen. Nachweisen ließ sich das aber nicht.

Das Unternehmen lässt den Fall von einer Kanzlei untersuchen

Wirecard-Chef Braun hat also inzwischen Erfahrung mit heiklen Vorwürfen. Diesmal scheint die Geschichte allerdings eine Nummer größer zu sein. Nachdem ein Mitarbeiter auf Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft hingewiesen hat, hat Wirecard vor Ort eine Kanzlei beauftragt, die auf Compliance spezialisiert ist. Diese Kanzlei legte daraufhin bereits im Mai letzten Jahres Wirecard einen vorläufigen Bericht vor, in dem sie „mögliche Vergehen“ des Dienstleisters benennt. Aufgelistet werden dabei laut Handelsblatt: „die Fälschung von Dokumenten oder Konten, Betrug, Untreue, Korruption und Geldwäsche“. Seitdem prüft die Kanzlei, was an diesem Anfangsverdacht dran ist. Ergebnisse liegen jedoch bis heute nicht vor.

Auch die Financial Times beruft sich vor allem auf diesen vorläufigen Bericht. Demnach sollen Mitarbeiter der Niederlassung in Singapur darin geschult worden sein, wie sie Umsätze generieren, die Wirecard nie erzielt hat. Wie das funktioniert, wird dabei detailliert beschrieben: Nämlich indem Gelder von einem deutschen Konto über eine stillgelegte Tochter in Hongkong und einen externen „Kunden“ auf ein Wirecard-Konto in Indien fließen und dort dann regulär als Umsätze verbucht werden.

Es ging offenbar um ein großes Geschäft

Mit diesen fiktiven Umsätzen soll Wirecard dann die Behörden in Hongkong überzeugt haben, ihnen Lizenzen für den chinesischen Markt zu erteilen. Die wiederum brauchte das Unternehmen, um wie geplant Zahlungsdienste der Citigroup zu übernehmen. Laut Financial Times ging es dabei um ein enorm großes Geschäft: Wirecard sollte auf diese Weise Zugang zu 20.000 Händlern in elf Ländern bekommen – von Indien bis Neuseeland. Wie die Financial Times auf Basis des vorläufigen Untersuchungsberichts schreibt, könnte das Ganze zudem kein Einzelfall gewesen sein. Vielmehr könnte dieses Verfahren über Jahre im gesamten asiatischen Raum zum Einsatz gekommen sein.

Entsprechend viel steht für Vorstandschef und Großaktionär Braun auf dem Spiel. Untersucht wird der Fall seitens der Behörden bislang jedoch nur in Asien. Die Münchner Staatsanwaltschaft darf erst eingreifen, wenn es auch hierzulande einen Verdacht gegen beteiligte Personen gibt. Und die Behörde teilt mit: „Wir sehen derzeit keinen ausreichenden Anfangsverdacht, um ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Wirecard AG einzuleiten.“

Wirecard will sich gegen Spekulanten wehren

Deshalb gehen die deutschen Ermittler vorerst lediglich dem Verdacht der Marktmanipulation nach. Wirecard selbst hat Anzeige erstattet. Es geht um die Frage, ob Spekulanten versuchen, den Kurs der Aktie zu beeinflussen. Auch gegen die Financial Times geht Wirecard vor. Ihr wirft das Unternehmen eine „unethische Berichterstattung“ vor. Dabei geht es aber nicht um die Vorwürfe an sich – sondern darum, dass die Zeitung die Namen der Mitarbeiter genannt hat, die in die dubiosen Geschäfte verwickelt sein sollen.

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