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Wirecard wickelt Zahlungen per Karte ab. Das können auch andere.

© REUTERS

Finanzbranche sortiert sich neu: Wer von der Wirecard-Insolvenz profitiert

Experten glauben nicht, dass Wirecard zu retten ist. Andere Zahlungsdienstleister sind in den Startlöchern, um die Kunden des Skandal-Unternehmens zu übernehmen.

Der Markt für Zahlungsdienste wächst. Immer mehr Zahlungen werden im Internet abgewickelt. or allem in Europa ringen unzählige Zahlungsdienstleister darum, einen Anteil des Kuchens zu ergattern. 2,5 Billionen Euro soll allein der Onlinehandel schwer sein, an dem Zahlungsdienstleister mitverdienen wollen.

Im Ringen um Marktanteile und die Marktführerschaft in Europa sah sich auch Wirecard mit seinen nach eigenen Aussagen gut 313000 Kunden auf einem guten Weg. Nach dem Insolvenzantrag bleibt die Frage: Wer schnappt sich das Geschäft des bayerischen Unternehmens?

Dass Wirecard das Insolvenzverfahren überleben werde, glaube er nach den massiven Betrugsvorwürfen nicht, sagt Marcus Mosen. 

Der frühere Vorstand von Wirecard-Wettbewerber Concardis geht davon aus, dass sich viele Wirecard-Kunden bereits seit Wochen nach Alternativen zur Abwicklung ihrer Zahlungsgeschäfts umsehen. Allerdings sei der Markt in Europa extrem fragmentiert.

Wer wird Marktführer in Europa?

Denn nur zögerlich haben sich Unternehmen herauskristallisiert, die in Zukunft zu den führenden Zahlungsdienstleistern in Europa gehören könnten. 

Dazu zähle vor allem das französische Unternehmen Wordline, das erst im Februar mit dem ebenfalls französischen, etwa acht Milliarden Euro schweren Payment-Spezialisten Ingenico zum viertgrößten Zahlungsdienstleister weltweit fusioniert war.

Wenn Verbraucher Waren im Netz einkaufen, wickeln Dienstleister im Hintergrund die Zahlung ab.
Wenn Verbraucher Waren im Netz einkaufen, wickeln Dienstleister im Hintergrund die Zahlung ab.

© dpa-tmn

Allein in den vergangenen zwei Tagen nach dem Insolvenzantrag von Wirecard hatte die Aktie von Worldline knapp zehn Prozent zugelegt. Ein wichtiger Player im Markt ist zweitens das dänische Unternehmen Nets, das nach eigenen Angaben den Geldtransfer zwischen 700.000 Händlern und 250 Banken in ganz Europa managt.

Erst im vergangenen Jahr fusionierte Nets mit der hessischen Concardis, die wiederum in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südosteuropa digitale Bezahllösungen anbieten. Concardis bietet alle Zahlungsdienstleistungen aus einer Hand – von Kartenakzeptanz und Zahlungsabwicklung über Bezahlgeräte bis zu Zahlungslösungen für das Online-Geschäft. 

Größere Wettbewerber von Wirecard sind auch die italienische Nexi, die deutschen Unternehmen Computop und Heidelpay sowie Payone, an der die Sparkassen einen Anteil halten und von der Wordline kürzlich 40 Prozent übernommen hat.

Adyen könnte in den Eurostoxx aufsteigen

Einer der größten europäischen Player ist das niederländische Unternehmen Adyen, das demnächst sogar in den EuroStoxx 50, den wichtigsten Aktienindex der Eurozone aufsteigen könnte. Das Analysehaus Jeffries glaubt, dass die Niederländer einen guten Teil der Wirecard-Kunden für sich gewinnen könnten. Adyen hat allein im vergangenen Jahr 2,66 Milliarden Euro umgesetzt.

Boon ist der Interbezahl-Dienst von Wirecard.
Boon ist der Interbezahl-Dienst von Wirecard.

© imago images/Petra Schneider

Anders als die meisten Zahlungsdienstleister, die gesamte Bandbreite an Software- und Bezahllösungen vom stationären über den Online-Handel bis zum mobilen Bezahlen abdecken, ist er nach einem 75-prozentigen Plus der Aktie inzwischen fast 40 Milliarden Euro wert und kann damit an die großen US-Dienstleister anschließen. 

In den USA ist der Markt weit weniger fragmentiert, einige große Anbieter wie FIS, Fiserv und Global Payments setzen die große Mehrheit aller Geldtransfers um.

Start-ups können Schwierigkeiten bekommen

Problematisch, sagt Mosen, könnte der Ausfall von Wirecard vor allem für die Start-up-Branche werden, in der das insolvente Unternehmen viele Kunden gehabt habe. 

Mosen sieht hier unter Umständen die Solarisbank oder N26 als Ersatz. Allerdings könnte einigen Start-ups durchaus das Geld fehlen, um nun bei einem anderen Anbieter ein neues Zahlsystem aufzusetzen.

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Es gibt jedoch an der Größe des Kuchens, der nach der Wirecard-Insolvenz verteilt werden kann, immer mehr Zweifel. Der Branchendienst Finanz-Szene geht davon aus, dass das Loch in der Bilanz erheblich über die fehlenden 1,9 Mrd. hinausgehen und dass Wirecard unter Umständen sogar operative Verluste erwirtschaftet haben könnte. 

2018 bereits hatte die „Wirtschaftswoche“ die Marktposition von Wirecard in Deutschland analysiert und war zum Schluss gekommen, dass das Unternehmen nur 5,9 Prozent aller Umsätze der 29 größten Onlineshops in Deutschland abwickelt. Nur vier der 29 Unternehmen seien Kunde bei Wirecard gewesen.

Auch Merrill Lynch hatte mehrfach Zweifel über die behauptete Marktposition von Wirecard geäußert. Die US-Bank hatte die 100 größten Online-Händler nach ihren Zahlungsdienstleistern gefragt. 69 Unternehmen hatten Daten geliefert, nur fünf von ihnen waren Kunden bei Wirecard.

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