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Gegen Feinstaub. In Stuttgart hat die Firma schon Filter installiert, nun sollen auch Autos und Lkw damit ausgerüstet werden.

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Filter für Verbrenner: Was, wenn Autos die Stadtluft verbessern statt verschlechtern würden?

Der Autozulieferer Mann und Hummel bekommt eine Millionenförderung der EU-Kommission. Damit soll er neue Filter für Busse, Pkw und Co. zur Serienreife bringen.

Es klingt wie eine absurde Utopie: Autos fahren durch die Gegend und machen die Stadtluft sauberer. Sie filtern Schadstoffe wie etwa Feinpartikel aus der Atmosphäre heraus. Der Filter kann aerodynamisch geformt den Platz eines Spoilers auf dem Dach eines Lastwagen-Führerhauses einnehmen, unter dem Lkw-Aufbau oder in der Stoßstange integriert sein. Vor allem Fahrzeuge kommen infrage, die viel in Ballungsgebieten unterwegs sind, wo die Feinstaubbelastung ein Problem ist: Stadtbusse, Müllabfuhrfahrzeuge, Lieferwagen und Taxen.

Der Spezialist für Filter, das Unternehmen Mann und Hummel aus Ludwigsburg, arbeitet an der Verwirklichung dieser Utopie. Das Unternehmen mit weltweit 22 000 Mitarbeitern hat bereits erste Prototypen entwickelt. Noch in diesem Jahr soll die Technologie bis zur Serienreife entwickelt werden. Dabei hilft die finanzielle Unterstützung der EU-Kommission. Nach Informationen unserer Zeitung bezuschusst die EU-Kommission eine auf zwei Jahre angelegte Machbarkeitsstudie für die Filtertechnologie durch Mann und Hummel mit einem Betrag von 1,5 Millionen Euro.

Der Feinstaub der Reifen

Der Europa-Abgeordnete Norbert Lins (CDU) hatte dafür gesorgt, dass das Europa-Parlament das Pilotprojekt unterstützt, und der EU-Kommission zur finanziellen Förderung vorgeschlagen. Die Kommission hat grünes Licht gegeben. Florian Keller von Mann und Hummel macht deutlich, dass die Partikelbelastung der Stadtluft auch dann noch ein Problem bleibt, wenn immer mehr Fahrzeuge mit Elektroantrieb unterwegs sind: „Batteriegetriebene Fahrzeuge stoßen zwar kein Kohlendioxid mehr aus, doch die Hauptverursacher von Feinstaub sind die Bremsen, Reifen sowie Abrieb vom Straßenpflaster.“

Reifenhersteller sowie Zulieferer, die Bremsen bauen, hätten zwar deutliche Fortschritte dabei gemacht, die Emissionen zu senken. Doch der Austausch der Fahrzeugflotte sei zu langsam, um die Luftqualitätsanforderungen in den Innenstädten zu erfüllen. Dafür brauche es neue Technologien.

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Hinzu kommt: Während bislang die EU nur den Schadstoff-Ausstoß bei Autos mit Verbrennungsmotor am Auspuff reguliert, könnte es künftig auch Grenzwerte etwa für Feinstaub durch Bremsen und Reifen geben. Im Zuge der ersten Planungen für die nächste Stufe der EU-Schadstoffregulierung Euro 7 sind entsprechende Überlegungen laut geworden.

Serienproduktion ab 2021 garantiert

Zum einen soll ein Partikelfilter für Bremsstaub angeboten werden. Das Filtermaterial ist dabei so angebracht, dass es die Partikel aufnimmt, sobald sie dort entstehen, wo der Bremsbelag auf die Bremsscheibe trifft. Die Technologie sei für alle Fahrzeugtypen möglich. An handelsüblichen Bremsen sei genug Platz vorhanden, um den Filter einzubauen. Der Bremsstaubpartikelfilter sei bereits serienreif. Schon 2021 könne Mann und Hummel eine Produktion von mehr als 100.000 Stück garantieren. Auch der Preis spricht für die Technologie: Für die Ausrüstung eines Fahrzeugs mit dem Partikelfilter müsse der Halter Kosten von weniger als 200 Euro kalkulieren.

Zudem arbeitet Mann und Hummel an einem Filter, der aktiv den Feinstaub aus der Umgebungsluft herauszieht. Diese Technologie kann etwa auf dem Busdach, unter dem Koffer eines Lieferwagens oder in einer Lastwagenstoßstange Platz finden. Bei der Lösung in der Stoßstange will das Unternehmen etwa dafür sorgen, dass das Unfallverhalten sich nicht ändert und dass der Filter mindestens so viele Feinpartikel abschöpft wie das Fahrzeug selbst emitiert. Dieser Filter muss erst noch zur Serienreife entwickelt werden.

Teil des EU-geförderten Projekts ist auch, auszuloten, ob die Technologie das Zeug hat zum Export. Bei Tests im Labor sowie auf der Straße soll erhoben werden, in welchem Ausmaß die Emissionen gesenkt werden können und ob die Filter praxistauglich sind. Auf der Straße sollen mindestens 20 Fahrzeuge verschiedener Größe in mindestens drei Städten Europas untersucht werden. Lins setzt große Hoffnung in den Versuch: „Wenn wir es schaffen, Schadstoffe wie Feinstaub direkt am Fahrzeug zu filtern, können wir die Null-Emissionsstrategie der EU-Kommission mit technologieoffener Mobilität umsetzen, ohne Abstriche bei der individuellen Bewegungsfreiheit zu machen.“ Die Filter seien ein Beitrag dazu, den Zielkonflikt von Klimaschutz und Verbrennertechnologie beizulegen.

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