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Wirtschaft: Europäischer Schachzug für die ostdeutschen Werften

Mit einem Verkauf an einen dänischen Bewerber könnten auch die Kapazitätsbeschränkungen der EU-Kommission fallenGREGORY LIPINSKI (HB) SCHWERIN / HAMBURG.Günter Himstedt, Präsident der Berliner Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), ist in Sachen Werftenprivatisierung zur Zeit häufig auf Reisen.

Mit einem Verkauf an einen dänischen Bewerber könnten auch die Kapazitätsbeschränkungen der EU-Kommission fallenGREGORY LIPINSKI (HB)

SCHWERIN / HAMBURG.Günter Himstedt, Präsident der Berliner Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), ist in Sachen Werftenprivatisierung zur Zeit häufig auf Reisen.So besuchte der Chef der Treuhand-Nachfolgerin neben der norwegischen Schiffbau-Gruppe Ulltveit-Moe, aussichtsreichster Übernahmekandidat für die MTW Schiffswerft GmbH in Wismar, vor kurzem auch den dänischen A.P.Möller-Konzern und dessen Lindö-Werft in Odense.Zusammen mit dem Schweriner Wirtschaftsminister Jürgen Seidel wollte sich der BvS-Präsident vor Ort ein Bild von einem der größten Industriekonzerne Dänemarks machen, der als Anwärter für die Übernahme der Volkswerft Stralsund GmbH gilt.Die Kompaktwerft, die noch zu 51 Prozent der BvS und zu 49 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern gehört, soll nach dem Konkurs des Bremer Vulkan in sichere Hände gelegt werden. Himstedts Interesse für den dänischen Investor geht aber noch weiter.Denn ein Einstieg von A.P.Möller bei dem Stralsunder Schiffbauer wäre für den gesamten ostdeutschen Schiffbau ein wichtiger Schachzug, um das bis zum Jahr 2005 bestehende Korsett der Kapazitätsbegrenzung für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern aufzubrechen - dem größten Wettbewerbsnachteil der Ost-Betriebe im internationalen Schiffbau.Nach der ersten Privatisierungswelle hatte die Europäische Kommission nämlich die Vorgabe gemacht, die Produktionskapazitäten der ostdeutschen Schiffbauer von ehemals 545 000 auf 327 000 CGT (gewichtete Neubautonne) zu kappen.Daran interessiert waren vor allem Dänemark und Frankreich, die in der Subventionierung der ehemaligen Bremer Vulkan-Betriebe erhebliche Wettbewerbsverzerrungen sahen.An dieser Haltung von Dänemark und Frankreich hat sich bisher wenig geändert.Im Gegenteil: Nach dem Desaster um das Versickern der milliardenschweren Beihilfen für die Ostwerften des Bremer Vulkan Verbunds reagieren die beiden Industrienationen im EU-Ministerrat äußerst sensibel auf das Drängen der deutschen Seite nach einer Abschaffung der Kapazitätsbeschränkung in Ostdeutschland. Doch bei einer Übernahme der Volkswerft durch A.P.Möller könnte sich das politische Klima drehen.Denn den Dänen steht bei den Stralsunder Schiffbauern nur eine Kapazität von 85 000 CGT zur Verfügung.Sollte A.P.Möller auch die Elbewerft in Boizenburg im Paket erwerben, sind dem Unternehmen für eine Fertigungsausweitung vorerst die Hände gebunden.Allerdings: Auch die Produktionskapazität der Elbe-Werft von 22 000 CGT dürfte für die Volkswerft Stralsund in den nächsten Jahren kaum ausreichen, um langfristig im harten internationalen Wettbewerbsumfeld zu bestehen.Schließlich verfügen allein die Wettbewerber aus Japan und Korea 1996 über eine Produktionskapazität von rund 9,6 Mrd.CGT.Deutschland kommt hingegen insgesamt auf nur rund 1,12 Mrd.CGT. Bei einem Erwerb des Stralsunder Schiffbauers durch A.P.Möller könnte Dänemark deshalb seine starre Haltung bei den ostdeutschen Kapazitätsgrenzen aufgeben.Die Weichen hierfür könnten am 13.November auf der Tagung der EU-Industrieminister gestellt werden.Danach sollen die EU-Staaten eine Änderung der bisherigen 7.EU-Schiffbau-Richtlinie erörtern und sie gegebenenfalls billigen."Der Entwurf sieht vor, daß ein Investor mit staatlicher Hilfe notwendige Modernisierungen vornehmen kann, die auch eine Betriebsvergrößerung zulassen", erklärt ein Sprecher des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg.Sollten die "Modernisierungs-Beihilfen" gebilligt werden, könnten möglicherweise bereits zum 1.Januar 1999 die Kapazitätsgrenzen für die ostdeutschen Schiffbauer fallen - vorausgesetzt die OECD-Vereinbarung über eine Abschaffung der weltweiten Schiffbau-Subventionen tritt nicht mehr in Kraft.In Branchenkreisen gilt die OECD-Vereinbarung ohnehin als gescheitert, da die USA von ihrem Veto kaum abrücken dürften. Leidtragender dieser Entwicklung wäre allerdings die Elbewerft in Boizenburg, die derzeit nur noch wegen ihrer Produktionskapazitäten begehrt ist."Wir haben unter gewissen Voraussetzungen ein Angebot gemacht, die MTW Schiffswerft zusammen mit der Elbewerft als Paket zu übernehmen", erklärt Bernd Kortüm, geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutschen Vermögen in Hamburg, zögerlich.Das größte deutsche Emmissionshaus für Schiffsbeteiligungen will zusammen mit der Schoeller Holding und der Conti-Reederei sowie dem Management die Werft in Wismar übernehmen.Angaben über das Konzept will Kortüm allerdings nicht machen.Doch wie die Kvaerner Warnow-Werft in Warnemünde, die auch Interesse an dem Boizenburger Betrieb signalisiert hat, dürfte die Investorengruppe Schoeller/Conti/Norddeutsche Vermögen nur auf die Kapazitäten schielen."Alle Übernahmeinteressenten für MTW Schiffswerft und Volkswerft betrachten die Elbewerft nur als verlängerte Werkbank.Sie wollen mit einem Erwerb ihre eigenen Kapazitäten ausweiten", betont ein Branchenkenner.Sollten die Kapazitätsgrenzen 1999 bei den Schiffbauern in Mecklenburg-Vorpommern fallen, dürfte ein strategisches Interesse an dem Betrieb in Boizenburg für einen Erwerber kaum mehr bestehen.Bei der finanziell angeschlagenen Elbewerft mit ihren derzeit noch rund 300 Mitarbeitern dürfte dann endgültig das Licht ausgehen.

GREGORY LIPINSKI (HB)

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