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Der Herr des billigen Geldes. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, hält die Zinsen niedrig.

© AFP

Europäische Zentralbank: Mario Draghi ist nicht allein

Helikopter-Geld, Nullzinsen – bei der Bundesbank macht sich der EZB-Chef nicht beliebt. Im Rat der Europäischen Zentralbank hat er aber viele Unterstützer.

Mario Draghi hatte es noch als „interessante Idee“ bezeichnet. Jetzt winkt Benoît Coeuré, Kollege des italienischen Präsidenten im Direktorium und eine Art „Außenminister“ der Europäischen Zentralbank (EZB) ab. „Helikopter-Geld“, sagt der Franzose, sei derzeit nicht Teil der Diskussion im Rat. Es ist wieder einmal ein Indiz dafür, dass Draghi zwar gerne betont, dass die überwältigende Mehrheit der 25 Mitglieder im EZB-Rat hinter seiner Politik stehen – wie er es auch nach den jüngsten Beschlüssen am 10. März formuliert hatte – aber es eben durchaus sehr intensive Diskussionen gibt. In den obersten Etagen der Notenbank im Frankfurter Osten pflegt man stets einen höflichen und freundlichen Umgangston. Aber in der Sache prallen die Meinungen aufeinander, verstärkt auch wieder nach den jüngsten Beschlüssen. Manche Ökonomen werfen Draghi mittlerweile vor, dass er sich mit der immer weiteren Öffnung der Geldschleusen verrenne.

Als Sabine Lautenschläger bei der Vorstellung des Jahresberichtes der europäischen Bankenaufsicht SSM Mitte März zur jüngsten Ratssitzung befragt wurde, nahm ihre sonst freundliche Miene ernste Züge an. Konkret gab die einzige Frau im sechsköpfigen Direktorium der EZB zwar keine Antwort. Und doch machte sie klar, dass sie die Beschlüsse zur Senkung des Leitzinses auf null und des Einlagezinses noch tiefer in den Minusbereich wie auch die Ausweitung der Anleihekäufe ab April von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat alles andere als gutheißt.

Wie tatsächlich im Rat der EZB diskutiert wird und wer mit wem gut und weniger gut kann, ist von außen schwer zu beurteilen. Auch die Protokolle der Sitzungen, die seit einem Jahr vier Wochen nach der jeweiligen Sitzung veröffentlicht werden, helfen nicht weiter. Sie fassen die Diskussion nur zusammen, nennen keine Namen, die für die jeweiligen Äußerungen stehen. Deshalb können die Protokolle kein Gefühl für die Mehrheitsverhältnisse im Rat geben.

Nur wenige Vertraute

Draghi, der noch bis November 2019 an der Spitze der EZB steht, setze ohnehin nur auf wenige Vertraute, sagen Beobachter. Im Direktorium sei das angeblich allein Benoît Coeuré, ansonsten mehrere EZBler aus der zweiten Reihe, mit denen er sich eng abspreche. Die Rede ist mitunter von einem kleinen Küchenkabinett. Draghi selbst würde sich zu solchen Spekulationen kaum äußern, auch nicht bei Empfängen oder im Gespräch in kleiner Runde. Dies möge er sowieso nicht, heißt es in Frankfurt. Manche bezeichnen Draghi als wenig kollegial, gar als menschenscheu. Im Gegensatz etwa zu Bundesbank-Chef Jens Weidmann plaudert der 68-Jährige nach Pressekonferenzen nie noch mit Journalisten, sondern strebt sofort wieder ein Stockwerk tiefer in sein Büro in der 40. Etage des Südturmes der EZB-Zentrale. Andere wiederum attestieren dem Italiener ein durchaus offenes und unterhaltsames Auftreten, wenn er doch mal einer Einladung zu einem Empfang oder Dinner abseits des Notenbanker-Alltags nachkommt.

Tauben und Falken

EZB-Beobachter, wie Volkswirt Michael Schubert von der Commerzbank, ziehen ihre Schlüsse über die Verhältnisse im EZB-Rat aus Äußerungen und Reden der 25 Notenbanker. Er stuft sie als Falken, als neutral oder als Tauben ein. Zu den Falken, die eine vorsichtige, restriktive Geldpolitik befürworten, zählt er neben Lautenschläger und Weidmann den Niederländer Klaas Knot, den Letten Ilmars Rimsevics und den Esten Ardo Hansson.

Sie kritisieren den derzeitigen Kurs der EZB mehr oder weniger offen. Weidmann betont trotzdem immer wieder sein gutes Verhältnis zu Draghi. Fünf Ratsmitglieder sind nach Ansicht von Schubert neutral. Mit Draghi, Vizepräsident Vitor Constancio, Benoît Coeuré und Chef-Volkswirt Peter Praet sind 14 Notenbanker, so Volkswirt Schubert, Tauben und stützen damit den Kurs des Präsidenten. Zählt man die Neutralen zu den Anhängern des Draghi-Kurses, dann sind die Falken in der EZB eindeutig in der Minderheit.

Insofern verwundert nicht, wenn Draghi nach den Sitzungen des Rates in den Pressekonferenzen keine Zweifel an seinem angeblich von der überwältigenden Mehrheit gestützten Kurs aufkommen lassen will. Wer wie in der Diskussion argumentiert hat, das verraten weder er noch Vizepräsident Constancio. Der Italiener lässt sich ebenso wenig durch interne wie durch externe Kritik von Ökonomen, Bankern und schon gar nicht von Politikern von seinem Kurs abbringen, zumal er mit seiner Ankündigung im Sommer 2012, den Euro zu retten, was immer es koste – „whatever it takes“ –, die Währungsunion tatsächlich vor dem Auseinanderbrechen bewahrt hat.

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