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Frage der Perspektive. Was lastet auf der EZB? Im Bild sieht man die Zentrale, fotografiert unter einer Eisenbahnbrücke.

© Roessler/dpa

Europäische Zentralbank: Auf dem Weg zu normalen Verhältnissen

Die EZB kauft ab Januar keine neuen Anleihen mehr. Doch für Sparer endet sich erstmal nichts.

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Mario Draghi hat sein Pokerface aufgesetzt. Selbst als er verkündet, worauf alle so lange gewartet haben, verzieht der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag keine Miene. „Wir stellen die Nettokäufe von Anleihen zum Jahresende ein“, sagt Draghi. Es klingt so einfach, so trocken, so langweilig. Und doch ist das der Anfang vom Ende der lockeren Geldpolitik, ein erster Schritt in Richtung Normalisierung zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise. Eine heikle Entscheidung, auf die Draghi die Finanzmärkte bereits Monate vorher vorbereitet hat. Selbst der etwas schwächere Ausblick für die Wirtschaftsentwicklung in der Euro-Zone lässt den Italiener von diesem Plan nicht abrücken.

Die EZB kauft keine neuen Anleihen mehr

Und darum geht es konkret: Ab dem Jahreswechsel wird die EZB keine neuen Anleihen mehr kaufen. Drei Jahre lang hat die Zentralbank sich jeden Monat für Milliardenbeträge mit Papieren eingedeckt und so Unsummen in den Markt gepumpt. Das sollte die Wirtschaft in der Euro-Zone stabilisieren und die Inflation wieder auf das von der EZB definierte Normalniveau von zwei Prozent hieven. So ganz ist beides zwar noch nicht erreicht – doch die Währungshüter sehen genug Fortschritte, um den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik anzugehen.

Es ist jedoch ein langsamer Wandel, den Draghi da einleitet. Es ist nicht das Ende des Anleihekaufprogramms. Die Zentralbanker verzichten nämlich lediglich auf den Kauf neuer Papiere. Laufen aber Anleihen aus, die die EZB in der Vergangenheit erworben hat, wird sie das Geld wieder in neue Papiere investieren. Das Anleihekaufprogramm geht also weiter – wenn auch in einer abgeschwächten Version.

Experten sagen: Das war überfüllig

Beobachter waren über diesen Schritt am Donnerstag erleichtert. „Der Beschluss war überfällig“, sagt etwa Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Gleichzeitig geht das vielen längst nicht weit genug. „Leider bremst die EZB damit ihren geldpolitischen Krisenmodus nur, stoppt ihn aber nicht“, sagt Hans Walter Peters, Präsident des Bankenverbands. So kritisiert er etwa, dass die Geldinstitute weiterhin einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken wollen.

Auch am Leitzins drehen Draghi und seine Kollegen wie erwartet erstmal nicht – er verharrt bei null Prozent. Für Sparer heißt das: Sie werden weiterhin wenig bis gar nichts für ihr Geld bekommen, das sie auf Tages- und Festgeldkonten liegen haben. „Bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus“ würden die Zinsen auf dem aktuellen Niveau verharren, kündigte Draghi an. Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg, kommentiert das so: „Alle warten auf das Christkind, doch die EZB verschiebt die Bescherung.“

Manche glauben gar, dass Draghi selbst als Zentralbankchef die Zinserhöhung gar nicht mehr verkünden wird: Im Oktober endet seine achtjährige Amtszeit turnusgemäß – wer sein Nachfolger wird ist noch offen. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zum Beispiel fürchtet, dass die EZB die Zinserhöhung auch über den Sommer 2019 hinaus verzögern könnte.

Fürs Wachstum senkt die EZB ihre Prognose

Ein Grund dafür: Die Unsicherheit, wie es mit der Wirtschaft der Euro-Zone weiter gehen wird, ist groß. Der Brexit, der Handelskonflikt mit den USA, der Haushaltsstreit mit Italien – es gibt einfach zu viele Streitereien, deren Ausgang derzeit völlig offen ist. Auch deshalb ist die EZB beim Blick in die Zukunft vorsichtig geworden. Für dieses Jahr rechnen Draghi und seine Kollegen für die Euro-Zone nur noch mit einem Wachstum von 1,9 statt 2,0  Prozent – im nächsten Jahr mit 1,7 statt 1,8 Prozent.

Und auch geldpolitisch lässt Draghi sich alle Optionen offen. So hat der EZB-Rat am Donnerstag etwa auch über langfristige Kredite für Banken gesprochen, aber nichts entschieden. Mit diesen sogenannten Langfristtendern stellt die EZB den Geldinstituten besonders günstige Kredite bereit: Die Banken können sich selbst darüber günstig Geld leihen, um etwa Firmen Kredite zu gewähren. Bereits zwei Mal (2014 und 2016) hat die EZB solche Kreditprogramme aufgelegt. Das Problem: Das Geld aus diesen letzten Tendern müssen die Banken ab 2020 zurückzahlen. Gerade im Süden Europas könnten damit aber einige Institute Probleme bekommen. Eine Entscheidung über diese Langfristkredite wollte Draghi am Donnerstag aber nicht treffen. Das wird ein Thema fürs nächste Jahr.

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