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Die Frage nach Uploadfiltern auf Plattformen wie Youtube hat für Aufruhr gesorgt.

© AFP

Europäische Urheberrechtsreform: Ein Erfolg der Kritiker – Justizministerium will Uploadfilter vermeiden

Algorithmen prüfen Videos vor dem Hochladen automatisch auf Urheberrechtsverletzungen. Ministerin Lambrecht will Nutzern entgegenkommen.

Mehr als ein Jahr ist es her, dass der Artikel 17 der europäischen Urheberrechtsreform in der Netzgemeinde Ängste vor Uploadfiltern geschürt hat. Das sind Algorithmen, die Uploads auf Youtube, Facebook und Co. automatisch auf Urheberrechtsverletzungen untersuchen und Videos im Zweifelsfall sperren – ganz ohne menschliche Überprüfung. Das Problem mit den Filtern: Sie arbeiten ungenau und können den Kontext der Posts häufig nicht erkennen. So kann es zu Sperrungen kommen, obwohl ein Inhalt legal ist. Und damit zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

Verabschiedet wurde die Richtlinie, die das Urheberrecht fit für das digitale Zeitalter machen sollte, trotzdem – auch weil es um weit mehr ging als nur die Uploadfilter. Das zuständige Justizministerium wollte bei der Umsetzung in deutsches Recht dafür sorgen, dass keine legalen Inhalte von automatischen Filtern ausgesiebt werden. Jetzt legt das Ministerium von Christine Lambrecht (SPD) einen ersten Entwurf dafür vor. Das Ziel ist auch, dass andere europäische Staaten das deutsche Modell übernehmen.

In dem Entwurf werden im Internet weit verbreitete Nutzungsformen von Bildern und Videos explizit erlaubt. Zum Beispiel Karikaturen, Parodien oder Pastiches, das sind Nachahmungen von bekannten Kunstwerken. „Es war wichtig, nachdem die SPD so kritisch gegenüber Uploadfiltern war, auf andere Lösungen zu setzen“, erklärt SPD-Chefin Saskia Esken die Idee, die Nutzern mehr Rechtssicherheit geben soll. Deswegen würden solche Formen des Zitats „aus dem rechtlichen Graubereich in den gut geregelten Bereich gehoben“, so Esken.

Sie hatte sich vor einem Jahr, damals noch als Digitalpolitikerin, am vehementesten in der SPD gegen Uploadfilter stark gemacht. Heute ist sie „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis, das Lambrechts Haus ausgearbeitet hat, in den Prozess hatte sie sich in ihrer Rolle als Parteivorsitzende nach eigenen Angaben eng eingebracht. „Durch das Gesamtkonzept mit Lizenzen, Erlaubnissen und Pauschalvergütungen kann der Einsatz von Uploadfiltern weitestgehend vermieden werden“, meint Esken.

Nutzer sollen sich mehr mit dem Urheberrecht befassen

Ein weiteres Zugeständnis an die Nutzer ist, dass diese mithilfe eines so genannten „Pre-Flagging“-Mechanismus kenntlich machen können, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material legal nutzen, es ihnen also gesetzlich oder vertraglich explizit erlaubt ist. Dann soll das Prinzip „online by default“ gelten, der Upload also pauschal erlaubt sein. Die Plattform darf den Inhalt dann nicht blockieren.

Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, während einer Pressekonferenz.
Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, während einer Pressekonferenz.

© dpa

Dies setzt jedoch eine gewisse Kenntnis bei den Nutzern voraus, was erlaubt ist. Denn: Übereifriges Pre-Flaggen soll sanktioniert werden. „Es kommt aber niemand unter die Räder, wenn etwas mal doch nicht erlaubt ist“, beschwichtigt Esken etwaige Sorgen. Sie hofft darauf, dass Nutzerinnen und Nutzer sich jetzt noch mehr mit dem Urheberrecht befassen und besser Bescheid wissen, was sie posten dürfen. „Denn es wird mehr möglich sein. Das wäre fantastisch.“

Nicht ganz ohne Uploadfilter

Zudem soll die private Nutzung im Rahmen einer Bagatellschranke erlaubt sein, darunter würde auch das Teilen von so genannten Memes und Gifs fallen. Die Plattformen müssen die Rechteinhaber dafür pauschal vergüten – somit wäre die Verwendung der Inhalte durch alle Nutzer der Plattform erlaubt.

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Ganz ohne Uploadfilter kommt der Vorschlag des SPD-geführten Justizministeriums aber nicht aus. Als Ausnahme nennt der Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, „offenkundig rechtswidrige Uploads“. Dazu zählen Inhalte, die zu 90 Prozent mit einem Werk übereinstimmen. Filter sollen also weiterhin diese groben Urheberrechtsverstöße, wie den Upload ganzer Filme auf Plattformen wie Youtube, verhindern.

Urheberrechtsexpertin befürchtet Eingriffe in die Grundrechte

Für die Urheberrechtsexpertin und Ex-Piratenpolitikerin im Europaparlament Julia Reda ist genau das ein kritischer Punkt, weil vermeintliche Rechteinhaber trotzdem fälschlicherweise die Urheberrechte an einem Werk einfordern könnten und damit legale Uploads verhindern. „Um Grundrechte zu schützen, sollten Sperrentscheidungen deshalb immer von Menschen getroffen werden, sonst sind weitreichende Eingriffe in die Grundrechte vorprogrammiert“, bemängelt Reda, die inzwischen für die Gesellschaft für Freiheitsrechte tätig ist. Esken verweist darauf, dass für solche „Einzelfälle“ ein Beschwerdemechanismus zur Verfügung stehen soll und der Rechtsweg weiterhin offen ist.

Insgesamt versucht das Justizministerium in seinem „Diskussionsentwurf“, allen Parteien entgegen zu koomen, auch den Kreativen und Rechteinhabern sowie den Plattformen. Bis Ende Juli können Interessierte dazu Stellung nehmen. Erst dann geht der formale Gesetzgebungsprozess und die Abstimmung mit den anderen Ressorts los.

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