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Thilo Sarrazins neues Buch erhält wieder reichlich Sprengstoff.

© dapd

Euro-Krise: Sarrazin ist wieder da

Berlins Ex-Finanzsenator hat ein neues Buch geschrieben. "Europa braucht den Euro nicht" heißt das am Dienstag erscheinende Werk, in dem Thilo Sarrazins den Holocaust für die Forderung nach Euro-Bonds verantwortlich macht. Am Sonntagabend war er bei Günther Jauch.

Es ist ein hoffnungsloser Fall. Also, Griechenland. Findet Thilo Sarrazin. Und wie häufig, wenn Sarrazin etwas findet, und besonders, wenn er seine Überzeugungen auch noch schriftlich kundtut, sind die Reaktionen heftig. An diesem Dienstag erscheint „Europa braucht den Euro nicht“, Sarrazins Streitschrift über die Krise der europäischen Währungsunion. Doch noch bevor das 464 Seiten dicke Buch im Handel angekommen ist, bevor Sarrazin sich öffentlich geäußert hatte, schlugen die Wellen der Empörung hoch. Und im Raum stehen nicht nur seine Thesen, sondern auch die Frage, wer der hoffnungslose Fall ist? Griechenland? Oder Sarrazin selbst? Denn sein Werk enthält abermals reichlich Sprengstoff.

Bereits im Sommer 2010 entzündete sich an Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ Streit. Es kam zu Protesten, der Autor brauchte Bodyguards. Nicht nur wegen seiner zum Teil zweifelhaften Statistiken geriet Sarrazin ins Kreuzfeuer, sondern vor allem wegen seiner Exkurse in die Rassenlehre.

Die Debatte um Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" in Bildern:

Doch es gab auch Zustimmung. Zum Teil so heftige, dass man bei den Besuchern seiner Lesungen nicht von Zuhörern, sondern Anhängern redete. Der heute 67-jährige damalige Bundesbank-Vorstand sprach aus, was viele Deutsche dachten. Sarrazin verlieh mit seinen Thesen über Zuwanderer und vererbte Intelligenz der Fraktion „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ eine Stimme.

Sarrazin stört sich am Berliner Schlabberlook:

Und nun wieder. Die Debatte um Grass’ Israel-Gedicht ist gerade erst verstummt, da soll wieder mal der Holocaust schuld sein. Diesmal an den Euro-Bonds. Laut dem im „Focus“ erschienenen Vorabdruck schreibt Sarrazin, die Befürworter von gemeinsamen Euro-Staatsanleihen seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.“ Die Argumentation ist zwar seltsam, weil sich jetzt Frankreichs Präsident Hollande für die Bonds aussprach, während Merkel sie ablehnt – aber deshalb provoziert sie umso mehr. Andere Passagen, wie etwa die, dass die Lösung für Europa eine Teutonisierung des Kontinents sei und das Bündnis nur funktionieren könne, wenn sich alle Mitglieder „mehr oder weniger so verhalten, wie es deutschen Standards entspricht“, gingen dabei fast unter.

Video: Protest gegen Sarrazin und seine Integrationsthesen:

Der „Stern“ nannte Sarrazin einen „Brandstifter.“ Bundesfinanzminister Schäuble, FDP-Generalsekretär Döring, die Grünen-Politiker Jürgen Trittin und Renate Künast legten am Wochenende via „Bild am Sonntag“ nach: „Rechtspopulismus“, „nationalistischer Unsinn“, „himmelschreiender Blödsinn oder verachtenswertes Kalkül“. Das war der Ton. So laut wie erwartbar. Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, ätzte an gleicher Stelle: „Das ist so schwachsinnig, dass man darüber gar nicht diskutieren sollte.“

In der ARD war man anderer Meinung. Günther Jauch lud Sarrazin in seine Sonntagabendsendung, um dort mit Peer Steinbrück zu diskutieren. Sich gegenseitig demonstrativ das Du verweigernd, das sonst unter Genossen üblich ist, hauten sich der Ex-Finanzsenator und der Ex-Finanzminister widersprechende, mal mit Zahlen, mal mit Emotionen überfrachtete Beispiele um die Ohren. Einen Konsens fand man wenig überraschend nicht. Die Quote aber dürfte gestimmt haben.

Wie die des Buches. 350 000 Exemplare zählt allein die Erstauflage, die bei Amazon dank Vorbestellungen schon vor Erscheinen auf Platz 1 der Verkaufscharts rangiert.
Was aber auch Jauch nicht klären konnte, war, was Sarrazin, der sich in früheren Jahren dem Euro gegenüber immerhin verhalten optimistisch zeigte, eigentlich treibt? Die Lösung könnte bestürzend einfach sein. Auf die Frage, was er nach seinem Ausscheiden als Finanzsenator in Berlin am meisten vermissen werde, antwortet er 2009 in einem Tagesspiegel-Interview: „Dass sich alle immer so schön aufregen.“

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