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Umsteigen, bitte. Die EU will den Reiseverkehr auf Strecken unter 500 Kilometern CO2-neutral gestalten.

© imago images/Arnulf Hettrich

EU-Klimapaket: Vorfahrt für Grün

Brüssel stellt den zweiten Teil von „Fit for 55“ vor. Einer der Kernpunkte ist Mobilität, der europäische Fernzugverkehr soll langfristig gefördert werden.

Berlin - Im Juli hatte die Europäische Kommission den ersten Teil ihres Fit-for-55-Pakets vorgestellt. Um den Klimawandel zu begrenzen, ging es darin um den CO2-Grenzausgleich, die Erweiterung des EU-Emissionshandels oder auch die Novelle der Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienzrichtlinie. Am Dienstag und Mittwoch kommt nun Teil zwei.

Und um die volle mediale Aufmerksamkeit für die neuen Vorschläge zu erhalten, bedient sich die Kommission eines Tricks: Das Kollegium der EU-Kommissare beschließt am Dienstag alle Rechtsakte für den Verkehr und stellt diese am gleichen Tag vor. Der zweite Teil des Pakets mit den Vorschlägen zum Gasmarkt, der Verordnung zur Minderung von Methanemissionen und der Gebäudeeffizienzrichtlinie werden am Mittwoch einem sogenannten Abschlussverfahren unterzogen.

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Wesentliche Teile des Pakets wurden bereits durch Leaks der Entwürfe bekannt. Da wäre zum einen die Methanverordnung: Die Kommission will im Öl- und Gassektor ein einheitliches Mess-, Berichts- und Verifikationswesen aufbauen. Zum anderen will sie Verfahren für das Suchen und Reparieren von Methanlecks in der Gas- und Ölinfrastruktur festschreiben, sowie die Praxis des Venting (Ablassen) und Flaring (Abfackeln) von Erdgas eindämmen.

Niedrigere Entgelte für Wasserstoff und Gase

Mit der Neufassung ihres dritten Energiepakets von 2009 will die EU-Kommission zudem den Übergang zu Gasen auf Grundlage erneuerbarer Energien regeln, insbesondere zu Wasserstoff. Diese, sowie kohlenstoffarme Gase sollen in den Netzen bessergestellt werden, beispielsweise durch niedrigere Entgelte an Ein- und Ausspeisepunkten.

Der geleakte Vorschlag für eine Novelle der Gebäudeeffizienzrichtlinie wiederum besagt, dass Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz künftig zwingend saniert werden sollen. In Deutschland gelten Standards für den Bestand bisher nur, wenn ein Gebäude saniert werden soll, nicht aber generell. Ab 2030 sollen EU-weit die energetisch schlechtesten Mehrfamilienhäuser auf einen höheren Stand gebracht werden. Sie müssen dann mindestens Effizienzklasse E erreichen, nach 2035 mindestens Effizienzklasse D und nach 2040 mindestens C.

Ein Ziel: Dreimal so viele Fahrgäste in Hochgeschwindigkeitszügen

Zentraler Bestandteil des Mobilitätspakets ist ein Aktionsplan für den transeuropäischen Bahnverkehr, mit dem die EU-Kommission Fahrten mit Schnellzügen einen starken Schub verleihen will. Die Anzahl der Fahrgäste in europäischen Hochgeschwindigkeitszügen soll demnach bis 2030 verdoppelt und bis 2050 verdreifacht werden. Damit will die EU-Kommission darauf hinwirken, dass der Reiseverkehr auf Strecken unter 500 Kilometern CO2-neutral wird. Umweltschädliche Kurzstreckenflüge will die EU deutlich zurückdrängen. Für internationale Bahnfahrten soll die Mehrwertsteuer entfallen, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Flugzeug zu erhöhen.

Für europäische Flughäfen mit mehr als vier Millionen Passagieren will die Kommission einen Bahnanschluss vorschreiben. Zubringerflüge zu den großen Hubs sollen vermehrt von der Bahn übernommen werden. Die EU prüft deshalb nun, ob die Mitgliedsstaaten Kurzstreckenflüge verbieten dürfen, wenn der Zug eine attraktive Alternative bietet. Eine solche Regelung hatte Frankreich bereits im Sommer verabschiedet. Der EU-Abgeordnete und SPD-Verkehrsexperte, Ismail Ertug, lobte den Ansatz der Kommission. „Grenzüberschreitende Fern- und Nachtzüge können viele Kurzstreckenflüge überflüssig machen, insbesondere wenn Lücken im europäischen Bahnnetz an den Grenzübergängen geschlossen werden“, sagte er dem Tagesspiegel.

50 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur

Der EU-Wiederaufbaufonds nach der Coronakrise soll nun das europäische Bahnnetz deutlich voranbringen. 50 Milliarden Euro werden damit zusätzlich in die Schieneninfrastruktur investiert, erklärt die EU-Kommission. Im Europäischen Kernnetz soll ab 2030 überall eine Mindestgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde erreicht werden. Aus Sicht der EU-Kommission ist mehr Wettbewerb zentral, um den Marktanteil der Schiene zu verbessern. Die Mitgliedsländer werden deshalb ermuntert, die Schienenmaut zu senken. Als lobenswerte Beispiele werden Spanien, Italien, Tschechien und Schweden genannt, wo den Staatsbahnen private Anbieter viel Konkurrenz machen.

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Doch auf internationalen Verbindungen sind Privatbahnen bisher kaum aktiv. Das liegt auch daran, dass passende Züge wegen der unterschiedlichen Sicherheits-, Signal- und Stromsysteme in Europa teuer sind. Deshalb sollen nun die Europäische Investitionsbank oder die Mitgliedstaaten den Kauf solcher Züge unterstützen. Auch eine Förderung von europäischen Verbindungen, die sich derzeit noch nicht rechnen, hält die Kommission für zulässig – wenn diese wettbewerbsneutral gestaltet wird. Denkbar sei auch eine Senkung der Trassenpreise, um dem Umweltvorteil der Schiene gerecht zu werden.

Aus für Subventionen für fossile Brennstoffe

An anderer Stelle hat die EU ihre Subventionspolitik ebenfalls ökologisch angepasst. Ein neuer Plan soll die EU zum Ausstieg aus Subventionen für fossile Brennstoffe führen. Nach monatelangen Vorbereitungen haben sich die Vertreter von Europaparlament und EU-Ministerrat in einer neunstündigen Sitzung damit auf das Umweltaktionsprogramm (UAP) für die Jahre bis 2030 geeinigt. Die Kommission betrachtet das UAP als gemeinsames Instrument der EU zur Umsetzung des europäischen Green Deal. Es werde Umwelt- und Klimaziele sowie einen Mechanismus zur Überwachung des Fortschritts „jenseits des BIP“ in einem rechtlichen Rahmen verankern.

Umweltorganisationen kritisieren, dass ein konkreter Termin für das Ende der Subventionen fehle. „Die EU hat den ersten Test nach der COP-Klimakonferenz, sich auf eine verbindliche Frist für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und anderen umweltschädlichen Subventionen zu einigen, nicht bestanden“, sagte Rebecca Humphries, Sprecherin des europapolitischen Büros des WWF in Brüssel.

S. Ehlerding, C. Schwietering, K. Thomas

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