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Frankfurt am Main hätte gern die Bankenaufsicht, die aus London wegmuss. Die Stadt versucht, mit ihrer Finanzkraft zu punkten.

© Boris Roessler, dpa

EU-Austritt Großbritanniens: Feilschen um die Brexit-Beute

In der Europäischen Union wird wie auf dem Basar über den Standort von zwei Behörden gestritten. Deutschland bewirbt sich um beide.

An diesem Montag gibt es zur Abwechslung etwas zu gewinnen beim Brexit, der ja gemeinhin als Verlierer-Thema gilt. Zumindest für die Mitgliedsländer der künftigen EU der 27. Dann nämlich fällt die Entscheidung, welche Länder den Zuschlag bekommen für die beiden EU-Agenturen, die noch im Vereinigten Königreich ansässig sind, aber spätestens bis zum Austritt des Landes aus der EU auf den Kontinent umziehen müssen. Es geht um die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und um die Arzneimittelbehörde (EMA). Die EBA hat 189 Mitarbeiter, die EMA sogar 890. Abgestimmt wird in der Sitzung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten. Stimmberechtigt sind 27 Vertreter aus allen EU-Hauptstädten außer London. Das Vereinigte Königreich darf nicht mehr mitstimmen.

Die Mitgliedsländer reißen sich geradezu um die Agenturen. Es geht nicht nur um die Ansiedlung von Behörden mit hochkarätigen Jobs. Auch die Aussicht lockt, spätestens ab 2019 für die EU-Gemeinde internationale Kongresse und Konferenzen durchführen zu können. Deutschland bewirbt sich gleich um beide Agenturen. Die Arzneimittelagentur soll nach Bonn gehen, Frankfurt hätte gern die Bankenaufsicht. Frankfurt hat bei seiner Bewerbung mit dem Pfund gewuchert, die wichtigste EU-Finanzhauptstadt auf dem Festland zu sein. Die Frankfurter rechneten sich von Anfang an gute Chancen aus, den Zuschlag zu bekommen. Sie mussten aber im Bewerbungsverfahren einen Rückschlag hinnehmen, weil die Kommission nach der Sichtung der Bewerbungen einige Dinge bemängelt hatte. So wurde etwa kritisiert, dass in der Bewerbung der Hessen nicht eigens aufgeführt wurde, ob man von Frankfurt gute Flugverbindungen in alle EU-Hauptstädte bieten könne. Drei weitere Mitgliedsländer haben Doppelkandidaturen laufen: Das sind Belgien, Frankreich und Österreich.

Bei Gleichstand entscheidet das Los

Als innerhalb der EU das letzte Mal Agenturen verteilt wurden, soll es zugegangen sein wie auf dem Basar. Länder mit chancenlosen Kandidaturen haben ihre Stimme anderen Ländern angeboten und sich dafür im Gegenzug deren Unterstützung bei irgendwelchen anderen Abstimmungen gesichert. Angeblich soll sich ein Land damals auf die Weise eine Erhöhung der Quote für die Milchbauern erstritten haben. Damit sich dieses Schauspiel Montag nicht wiederholt, hat EU-Ratspräsident Donald Tusk das Abstimmungsverfahren an sich genommen. Jeweils bis zu drei Wahlgänge sind je Agentur vorgesehen. Die erste Abstimmung ist gegen 16 Uhr geplant. In Brüssel geht man davon aus, dass frühestens um 19 Uhr feststeht, wohin die Mitarbeiter der Agenturen demnächst umziehen.

Zuerst wird über die Arzneimittelagentur abgestimmt. Das ist ein Vorteil für Bonn. Denn: Ein Land bekommt nur den Zuschlag für eine einzige Agentur. Das sind die Spielregeln. Sollte Bonn dabei zum Zuge kommen, wäre Frankfurts Bewerbung für die EBA hinfällig. Der ehemaligen Bundeshauptstadt werden allerdings eher Außenseiterchancen eingeräumt. Im ersten Wahlgang darf jedes Mitgliedsland sechs Punkte frei vergeben: Der Kandidat, der 14 Mal sechs Punkte holt, gilt als gewählt. Es wird jedoch damit gerechnet, dass jeweils noch zwei Runden fällig sind, bis die beiden Sieger feststehen. In der dritten Runde bei der Stichwahl reicht dann die einfache Mehrheit. Bei Gleichstand entscheidet das Los.

Unklar ist, wer den Zuschlag bekommt und welche Kuhhandel der Entscheidung voraus gehen. Klar ist nur eins: Sollten es sich die Briten doch noch einmal anders überlegen und im Club bleiben, haben sie Pech gehabt. Nach der Abstimmung am Montag ist der Umzug beschlossene Sache.

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