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Phil Hogan ist seit 2014 EU-Agrarkommissar.

© dpa

EU-Agrarkommissar Hogan: "Wir werden den europäischen Milchbauern helfen"

EU-Agrarkommissar Phil Hogan verspricht im Tagesspiegel-Interview vor dem "Milchgipfel" über Stützungskäufe für die Milchbauern und appelliert an Handel und Molkereien, Bauern zu unterstützen.

Der Ire Phil Hogen ist seit November Mitglied der EU-Kommission und zuständig für die Landwirtschaftspolitik.

Herr Hogan, die deutschen Milchbauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Was tut die EU, um zu helfen?

Umfang und Dauer der gegenwärtigen Krise in der Landwirtschaft sind mir sehr wohl bewusst, daher habe ich eine Reihe von Sondermaßnahmen zugunsten der europäischen Landwirte veranlasst. Die Kommission hat sämtliche ihr zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mittel sowohl mit kurz- als auch mit langfristiger Wirkung genutzt und wird auch künftig alles tun, um den europäischen Bauern unter die Arme zu greifen.

Was haben Sie getan?

Zur Unterstützung des Milchsektors haben wir alle verfügbaren Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik mobilisiert. Seit September 2014 gibt es Hilfe durch den öffentlichen Ankauf von Butter und Magermilchpulver sowie Beihilfen zur privaten Lagerhaltung. Im Oktober 2015 wurde die Regelung für die private Lagerhaltung von Magermilchpulver nachgebessert und eine neue Beihilferegelung für die private Lagerhaltung von Käse geschaffen.

Was hat das gebracht?

Diese Stützungsmaßnahmen betrafen 2015 rund 2,8 Millionen Tonnen Milcherzeugnisse, während die Milcherzeugung in der EU um rund 3,5 Millionen Tonnen zugenommen hat. Die Maßnahmen haben in ganz erheblichem Maße dazu beigetragen, dass die Milchpreise nicht noch weiter gefallen sind. 2016 Jahr sind bereits 218 000 Tonnen Magermilch für die öffentliche Lagerhaltung angekauft worden, und ich werde jetzt vorschlagen, dass die Obergrenze für den Ankauf von Erzeugnissen zu Festpreisen auf 350 000 Tonnen angehoben wird.

Was ist mit direkten Finanzspritzen?

Von dem im September 2015 angekündigten 500 Millionen Euro schweren Solidaritätspaket sind mittlerweile 420 Millionen Euro in eine gezielte Beihilferegelung geflossen, die die Mitgliedstaaten nutzen können, um ihre Nutztierhalter bestmöglich zu unterstützen. Deutschland hat aus diesem Topf 69 Millionen Euro erhalten. Zwei Drittel dieser Beihilfemaßnahme sind direkt für den Milchsektor bestimmt.

Die Krise ist dadurch verschärft worden, dass Russland als Abnehmer von Milch ausgefallen ist und auch in Asien die Nachfrage stockt. Was kann man dagegen tun?

Die Gelder zur Absatzförderung wurden 2016 auf 111 Millionen Euro aufgestockt; davon sind über 33 Millionen Euro speziell für Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von Milch- und Fleischerzeugnissen vorgesehen. Vor allem in Drittländern sollen neue Absatzmöglichkeiten geschaffen werden, speziell in Asien und Afrika. Auf diese Kontinente entfällt bezogen auf das Jahr 2050 rund 90 Prozent des weltweiten Bevölkerungswachstums.

Wie kann man den Absatz innerhalb der Europäischen Union verbessern?

Bei den Direktzahlungen und den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums gibt es mittlerweile mehr Flexibilität. Um zu schauen, wie sich die Position der Bauern in der Lebensmittelkette verbessern lässt, wurde zudem eine Task Force „Absatzmärkte“ eingesetzt. Diese beschäftigt sich mit Fragen wie Markttransparenz, den Zugang zu Finanzierungsinstrumenten und zu Märkten für Termingeschäfte, um Preisrisiken abzusichern, Möglichkeiten vertraglicher Beziehungen innerhalb der Kette und rechtlich zulässige Wege für ein gemeinsames Vorgehen der Landwirte.

Gibt es nicht einfach zu viel Milch?

In naher Zukunft muss auf jeden Fall eine Korrektur auf der Angebotsseite erfolgen, und genau darauf zielt unsere zuletzt getroffene Maßnahme ab, die organisierten Landwirten eine Planung ihrer Erzeugung ermöglichen soll.

Ein Milchbauer in der Nähe von Sehlendorf (Schleswig-Holstein) hat ein Protestplakat im Stil einer Todesanzeige gestaltet. Aufgenommen am 27. Mai 2016.
Ein Milchbauer in der Nähe von Sehlendorf (Schleswig-Holstein) hat ein Protestplakat im Stil einer Todesanzeige gestaltet. Aufgenommen am 27. Mai 2016.

© Carsten Rehder/dpa

Sollten wir zur Milchquote zurückkehren?

Früher gab es die Quotenregelung für die Milcherzeugung. Ihre Abschaffung, die seit vielen Jahren angekündigt war, steht im Einklang mit der Marktorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Der einzig gangbare Weg bei der jetzigen Rechtslage ist eine freiwillige Regulierung für einen Zeitraum von sechs Monaten, der noch einmal um ein halbes Jahr verlängert werden kann.

Hat der Handel eine Verantwortung? Sollten die Lebensmittelketten mehr für die Milch bezahlen?

Jeder Akteur in der Lebensmittelkette muss seinen Teil dazu beitragen, damit Milcherzeuger einen fairen Preis für ihre Milch erhalten. Supermärkte und die milchverarbeitende Industrie haben gegenüber den Erzeugern eine Verantwortung. Dies sind Leute, die von frühmorgens bis spät in die Nacht bei Wind und Wetter und mit hohem Risiko für ihr Geschäft arbeiten und daher unsere Unterstützung verdienen. Letztlich gilt: ohne Erzeuger keine Ware!

Was heißt das genau?

In vielen Mitgliedstaaten gibt es Einrichtungen, die die Stellung von Primärerzeugern stärken; im Vereinigten Königreich gibt zum Beispiel den Groceries Code Adjudicator, einen Vermittler zwischen Supermärkten und ihren Lieferanten. Ich habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die untersuchen soll, wie sich die Position der Landwirte in der Lebensmittelkette und generell die Widerstandsfähigkeit der Primärerzeuger zum Beispiel gegenüber Preisschwankungen und Wettereinflüssen stärken lassen. Die Arbeitsgruppe soll mir noch dieses Jahr berichten, an welchen Punkten eventuell angesetzt werden kann.

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