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Grundsatzurteil: Die BGH-Rechtsprechung ist die Richtschnur für die Gerichte der unteren Instanzen.

© imago images/Christian Ohde

Update

Erster Prozess vor dem Bundesgerichtshof: BGH stärkt Dieselkunden den Rücken gegen VW

Volkswagen hat die Dieselfahrer mit dem Einbau der Abgassoftware geschädigt, meinen die Richter. Ein Urteil fällt aber erst später.

In der VW-Dieselaffäre stärkt der Bundesgerichtshof (BGH) den Kunden den Rücken. Zwar fällt das Urteil im ersten Grundsatzverfahren wegen der Abgasmanipulationen (Az: VI ZR 252/19) erst am 25. Mai, doch bereits bei der Verhandlung am Dienstag ließ der Vorsitzende Richter Stephan Seiters deutliche Kritik an Volkswagen durchblicken.

Durch den Kauf eines manipulierten Dieselfahrzeugs sei der Kläger geschädigt worden, stellte Seiters in seiner vorläufigen Einschätzung zu Prozessbeginn fest. Dagegen hatte VW stets betont, dass den Kunden durch die Abschaltautomatik kein Schaden entstanden sei. Spätestens mit den Softwareupdates sei das Problem behoben worden.

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Der Kläger: Herbert Gilbert will Schadensersatz für seinen VW-Sharan.
Der Kläger: Herbert Gilbert will Schadensersatz für seinen VW-Sharan.

© dpa

Herbert Gilbert sieht das anders. Er klagt gegen VW auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschung.

2014 hatte er einen Sharan-Diesel gekauft, im September 2015 musste VW zugeben, in seinem Auto wie in Millionen weiterer Diesel eine unzulässige Abgassoftware eingebaut zu haben. Gilbert sagt, er hätte das Auto nie genommen, wenn er das gewusst hätte. Richter Seiters, der dem 6. Senat vorsitzt, glaubt dem Rentner und seiner Kritik an VW. Der Kläger habe auch hinreichend dargelegt, dass der VW-Vorstand von der Betrugssoftware, die Abgase nur auf dem Prüfstand und nicht auf der Straße reduzierte, gewusst haben müsse.

73.000 Klagen sind noch anhängig

Gilberts Klage ist der erste Fall, in dem sich der BGH mit Schadensersatzansprüchen von Kunden wegen der Dieselaffäre beschäftigt, aber nicht der einzige. Im Juli stehen weitere Verfahren in Karlsruhe an.

Das Urteil des obersten deutschen Zivilgerichts ist die Richtschnur für alle anderen Gerichte in Deutschland. 73.000 Einzelklagen sind noch anhängig, 60.000 Urteile gibt es bereits. Anfangs hatte ein Großteil der Gerichte zugunsten von VW entschieden, inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet.

Welcher Schaden? VW meint, die Softwareupdates reichen.
Welcher Schaden? VW meint, die Softwareupdates reichen.

© AFP

Anlass für neue Klagen werde es kaum geben, erklärte ein VW-Sprecher jedoch am Dienstag und verwies auf die hohe Annahmequote im Massenvergleich und die Verjährung von Ansprüchen, die nicht zur Musterfeststellungsklage angemeldet worden waren. Mit der Musterfeststellungsklage hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen feststellen lassen wollen, dass VW mit Einbau der Abgassoftware die Kunden vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht hat. Nach dem Massenvergleich, den die Verbraucherschützer mit VW geschlossen hatten, ist die Klage jedoch zurückgenommen worden.

MyRight-Sammelverfahren läuft noch

Dagegen läuft das Sammelverfahren, das der Prozessfinanzierer My Right gegen VW betreibt, noch weiter. MyRight hat Ansprüche von rund 35.000 deutschen Dieselfahrern beim Landgericht Braunschweig anhängig gemacht. Das Landgericht hat inzwischen entschieden, dass die Sammelklage wirksam ist. Nun wartet man auf das Urteil im ersten Fall vor dem BGH, MyRight hat auch die Klage von Gilbert finanziert.

Nutzungsentschädigung muss abgezogen werden

„Der BGH hat sich heute im Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal in aller Ausführlichkeit verbraucherfreundlich positioniert“, sagte Gilberts Anwalt Claus Goldenstein. Der Anwalt von VW, Reiner Hall, räumte ein, dass Richter Seiters ihm „einen ordentlichen Fels in den Weg gelegt habe“. VW hält aber weiter an der Auffassung fest, dass es keinen Schaden gibt, weil die Kunden ihre Autos weiter nutzen konnten.

Eines ist für Wolfsburger jedoch positiv: Der BGH hat am Dienstag durchblicken lassen, dass die Kunden für die Nutzung der Autos eine Entschädigung an VW zahlen müssen. Diese richtet sich nach den gefahrenen Kilometern und würde vom Kaufpreis, den die Kunden als Schadensersatz zurückbekämen, abgezogen.

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