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Trotz gesunkenem Fleischkonsum noch immer das Lieblingsessen der Deutschen: ein Schnitzel.

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Ernährungsreport 2019: Die Deutschen essen immer weniger Fleisch

Dem Ernährungsreport zufolge sinkt der Fleischkonsum seit 2017 stetig. Doch viele Probleme bleiben. Einige Ergebnisse kommen Julia Klöckner dafür sehr zupass.

„Sehr unregelmäßig“, lautet die spontane Antwort von Julia Klöckner, als sie gefragt wird, wie es mit ihrem Essverhalten aussehe. „Wenn ich daheim bin, beziehe ich sowohl Fleisch als auch Gemüse vom Markt“, erklärt die rheinland-pfälzische CDU-Politikerin bei der Präsentation des jährlichen Bundesernährungsreports. „Aber wenn ich in Berlin bin, sehe ich einfach nur zu, dass ich irgendetwas kriege.“ Wenig überraschend gehört die Bundesernährungsministerin damit wohl zur Gruppe derer, die seltener als einmal pro Woche zuhause kochen. Damit ist sie in der Minderheit, wie der von ihr vorgelegte Bericht zeigt.

Was essen die Deutschen?

Dem Ernährungsreport zufolge kochen 40 Prozent der Deutschen jeden Tag, weitere 37 Prozent stellen sich mehrmals pro Woche an den Herd. Nur jeder Zehnte kocht nie. Dabei mögen die meisten Deutschen nach wie vor traditionelle Küche. Braten, Schnitzel und Gulasch gibt ein Drittel der Befragten als Leibgericht an. Auf Platz zwei folgen Teigwaren wie Spaghetti, Lasagne oder Spätzle. Der Großteil der Verbraucher achtet zudem darauf, sich gesund zu ernähren. Denn 71 Prozent essen täglich Obst und Gemüse. Auch Milchprodukte wie Joghurt oder Käse stehen bei fast zwei Drittel der Kunden täglich auf dem Speiseplan.

Wie viele ernähren sich vegetarisch?

Fleisch verzehren 28 Prozent der Befragten täglich. Das ist ein Rückgang im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Im Ernährungsreport 2018 waren es 30 Prozent, 2017 noch 34 Prozent. Bei Männern liegt dieser Anteil deutlich höher (39 Prozent) als bei Frauen (18 Prozent). Die Umfrage ergab zudem, dass der tägliche Fleischkonsum im Osten Deutschlands deutlich verbreiteter ist als im Westen. Vegetarisch ernähren sich laut dem Ernährungsreport sechs Prozent der Deutschen, vegan lebt demnach nur ein Prozent. Unter den 14- bis 29-Jährigen ist der Anteil der Vegetarier mit 11 Prozent am höchsten.

Wie wollen die Menschen ihre Ernährung ändern?

Das Bewusstsein für die Vorzüge einer vegetarischen Ernährung scheint bei den Verbrauchern gegeben zu sein. Denn mehr als ein Drittel findet einen Hinweis auf ein vegetarisches oder veganes Produkt auf der Packung wichtig. Der Wunsch nach gesunder Ernährung schlägt sich auch in der Forderung nach weniger Zucker nieder. 84 Prozent der Befragten wären dafür, den Zuckeranteil in Fertigprodukten zu reduzieren, auch wenn das Produkt dann weniger süß schmeckt.

Zudem scheint den Verbrauchern Tierwohl wichtig zu sein, denn weit mehr als zwei Drittel der Kunden geben an, bis zu fünf Euro mehr für Fleisch zahlen wollen, das besonders tierfreundlichen produziert wurde. Ein knappes Drittel (29 Prozent) ist grundsätzlich offen für alternative Fleischarten als Beitrag zur Ernährungssicherheit – wie etwa aus Insekten hergestellte Lebensmittel oder Laborfleisch. Manfred Güllner, Chef des Forsa-Instituts, das für repräsentative Umfrage tausend Menschen befragt hat, betonte dazu, dass zwischen Wille und Tat oft eine beträchtliche Kluft liege.

Welche Probleme gibt es?

"Wir sollten die Lebensmittelverschwendung in Deutschland dringend angehen“, findet Julia Klöckner. Und in der Tat wirft jeder Bundesbürger im Jahr durchschnittlich 55 Kilogramm Essen weg. Am häufigsten wandern Obst und frisches Gemüse in die Tonne, auch selbst Gekochtes und Backwaren werden häufig lieber weggeworfen, obwohl sie nach Angabe der Befragten sogar noch genießbar gewesen wären. Eine andere Zahl zeigt, dass das allgemeine Misstrauen gegenüber großen Institutionen auch die Lebensmittelindustrie betrifft. 27 Prozent der Befragten vertrauen ihren Lebensmitteln nicht, vor einen Jahr war der Wert noch fünf Prozent besser. „Manchen Versprechungen der Industrie glauben die Verbraucher einfach nicht mehr“, sagte Klöckner dazu.

Ernähren sich die Generationen unterschiedlich?

In vielen Punkten ist das Verhaltung zwischen den Generationen unterschiedlich. Etwa beim Thema Essenslieferung. Elf Prozent der 14- bis 29-Jährigen lassen sich mindestens einmal pro Woche fertige Gerichte nach Hause liefern. Bei den über 60-Jährigen ist es nur jeder Hundertste. Nach wie vor ist es hingegen wenig verbreitet, sich den Einkauf aus dem Supermarkt liefern zu lassen. Doch auch hier ist der Anteil derjenigen, die das in den vergangenen zwölf Monaten überhaupt einmal gemacht haben, bei den 30- bis 44-Jährigen höher als bei den Rentnern. Insgesamt gibt mehr als die Hälfte der Rentner an, sich im Ruhestand mehr Zeit zum Essen zu nehmen. 42 Prozent der Rentner kochen auch mehr als zuvor.

Was bedeutet das für die Politik?

Kann einige Ergebnisse gut als Argumentationsgrundlage brauchen: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mit dem neuen Ernährungsreport.
Kann einige Ergebnisse gut als Argumentationsgrundlage brauchen: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mit dem neuen Ernährungsreport.

© dpa

Konkrete Maßnahmen folgen aus den Erkenntnissen des Reports nicht. „Gerade bei der Ernährung, in der es so sehr um persönliche Geschmäcker und Vorlieben geht, ist es mir wichtig, eine gute Datengrundlage zu haben“, begründet Klöckner die Umfrage. Sie sieht ihre Politik durch viele Ergebnisse bestärkt: 95 Prozent der Befragten sagen, dass Kinder die Grundlagen gesunder Ernährung in der Schule lernen sollen – eine Zahl, wie eine Steilvorlage für die von ihr vertretene Argumentation, man solle gesündere Ernährung nicht durch Regulierung, sondern durch Aufklärung erreichen.

Dass 81 Prozent der Verbraucher sich ein staatliches Tierwohllabel wünschen, dürfte als Untermauerung ihrer jüngsten Vorstöße in dieser Hinsicht ebenfalls gelegen kommen. Und auch die Tatsache, dass der Geschmack für 99 Prozent der Menschen das Wichtigste beim Essen ist, zeigt aus Klöckners Sicht nur, dass man beim Thema der Zuckerreduktion nicht mit Verboten aufgrund theoretischer Überlegungen arbeiten darf, sondern zuerst auf den Geschmack achten muss.

Wonach wurde nicht gefragt?

Interessant ist in diese Hinsicht, welche Fragen nicht gestellt wurden. So wurde explizit nicht gefragt, ob sich Verbraucher eine farbige Kennzeichnung wünschen, die Auskunft darüber gibt, wie gesund ein Produkt ist. Klöckner stellt sich bislang gegen solche Pläne, Verbraucherschützer fordern eine Lebensmittelampel seit langem.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch bezeichnete den Ernährungsreport daher als „Scheinpolitik“ und forderte stattdessen „eine verständliche Lebensmittelampel für Zucker, Fett & Co., ein Verbot für die Vermarktung ungesunder Lebensmittel an Kinder und eine Limo-Steuer, damit Hersteller einen Anreiz haben, weniger Zucker in ihre Getränke zu mischen“.

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