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Spargel für 8,50 Euro die Stunde stechen? Bis zur Einführung des Mindestlohns bekamen vor allem die Saisonarbeiter aus Polen meistens weniger Geld.

© picture alliance / dpa

Erhöhung des Mindestlohns: 8,85 Euro in Sicht

Die Kommission entscheidet in den nächsten Wochen über die Erhöhung zum 1. Januar 2017

8,80 Euro oder 8,85 Euro - in den nächsten Wochen entscheidet die Mindestlohnkommission über die erstmalige Erhöhung der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Die Grundlage dafür liefert der Tarifindex des Statistischen Bundesamtes. Der Index bildet die Tarifabschlüsse (ohne Einmalzahlungen) vom 1.1.2015 bis Juni 2016 ab. Am Montag veröffentlichten die Statistiker den aktuellen Wert: 3,0 Prozent. Wenn es bis Juni dabei bliebe, würde der Mindestlohn, den die Regierung Anfang 2015 einführte und der bei 8,50 Euro liegt, um eben diese drei Prozent steigen. Das wären also 25,5 Cent, und die fast vier Millionen Bezieher des Mindestlohns könnten dann ab 2017 mit einer entsprechenden Erhöhung rechnen. Doch es dürften noch ein paar Cent mehr werden.

Alle warten auf den Tarifabschluss der Metaller

Mit dem jüngsten Abschluss im öffentlichen Dienst, der rückwirkend ab März eine Tariferhöhung um 2,4 Prozent für mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer bringt, und dem anstehenden Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie geht der Tarifindex weiter noch oben, sodass in der Folge der Mindestlohn um mehr als 30 Cent steigen dürfte. Das erwartet auch Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und so etwas wie die graue Eminenz der Arbeitgeber in der Mindestlohnkommission. Dem von der Regierung eingesetzten Gremium gehören jeweils drei Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften an, zwei nicht stimmberechtigte Wissenschaftler sowie der Vorsitzende. Göhner, so ist zu hören, stellt sich auf 8,85 Euro zum 1. Januar ein. Weitere Erhöhungen folgen dann im Zwei–Jahres-Rhythmus.

Die Kommission trifft sich noch zwei Mal

Anfang und Ende Juni tritt die Kommission zusammen, um sich mit der weiteren Entwicklung der „Anstandsgrenze“, wie der DGB den Mindestlohn bezeichnet, zu befassen. Dazu gehören auch ein paar hundert Seiten an Stellungnahmen von allen möglichen Verbänden über die bisherigen Erfahrungen mit den staatlich vorgegebenen 8,50 Euro. Nach Angaben des DGB, der sich wiederum auf Daten des Statistischen Bundesamtes stützt, wurden hierzulande vor der Einführung des Mindestlohns 5,5 Millionen Jobs mit weniger als 8,50 Euro vergütet. „Seit 2015 kamen vier Millionen Stellen unter den Schutz des Mindestlohngesetzes. Es profitieren in erster Linie Beschäftigte in den neuen Bundesländern, Frauen und geringfügig Beschäftigte“, schreibt der DGB in seiner Stellungnahme.

Im Osten steigen die Löhne um bis zu 16 Prozent

Der Unterschied zwischen Ost und West ist signifikant. In Ostdeutschland erhöhten sich die Bruttostundenlöhne von Ungelernten im vergangenen Jahr um 8,6 Prozent, während es im Westen nur ein Plus von 2,3 Prozent gab. Einen besonderen Blick werfen Statistiker und DGB auf das Gastgewerbe, wo vor allem in den neuen Bundesländern so schlecht bezahlt wurde, dass mit der Einführung des Mindestlohns das Stundenentgelt für Ungelernte um 16,5 Prozent stieg. Dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung zufolge hatten bundesweit 17,6 Prozent der Beschäftigten in Hotels und Restaurants einen Stundenlohn unter 8,50 Euro. Bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von 1,8 Millionen sind das immerhin 317 000 Arbeitnehmer, die nun vom Mindestlohn profitieren.

Preiserhöhungen sind für den DGB verkraftbar

Dass es dadurch zur Preiserhöhungen kam, „ist verkraftbar“, schreibt der DGB lapidar. „Schließlich haben die Menschen mehr Geld im Portemonnaie.“ Und die Auswirkungen auf die Preissteigerungsrate insgesamt seien vernachlässigbar. Tatsächlich lag die Inflation im vergangenen Jahr nur bei 0,3 Prozent gegenüber 0,9 Prozent im Jahr davor; Hauptursache dafür sind die niedrigen Ölpreise.

Ein Effekt des Mindestlohns ist offenbar der Rückgang der geringfügigen Beschäftigung auf der einen und die Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf der anderen Seite. Das zeigt exemplarisch wiederum die Entwicklung im Gastgewerbe, das womöglich auch wegen der Preiserhöhungen 2015 die größte Umsatzsteigerung seit 20 Jahren verzeichnen konnte. Hier stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf 995 200 (plus sechs Prozent), und die Zahl der geringfügig Beschäftigten fiel um 7,8 Prozent auf 858 336.

Manche Arbeitgeber tricksen

Während die Arbeitgeber betonen, für eine Bewertung der Folgen des Mindestlohns sei es zu früh, führt der DGB weitere Statistiken an. Von einem Firmensterben könne keine Rede sein, die Insolvenzen seien vielmehr im ersten Jahr um vier Prozent gesunken.

Auf der so genannten Mindestlohn- Hotline des DGB meldeten sich im vergangenen Jahr 12 400 Anrufer. Den Angaben zufolge gibt es noch immer spezielle Versuche von Arbeitgebern, den Mindestlohn zu umgehen: Minijobber werden neue Arbeitsverträge mit geringeren Arbeitszeiten vorgelegt, damit die 450- Euro-Grenze nicht überschritten wird. Erwartet wird aber, eine Arbeitszeit im gewohnten Umfang, dann eben zum Teil unbezahlt. Ferner würden immer gerne Zuschläge oder Trinkgeld auf den Mindestlohn angerechnet und Bereitschaftsdienste, Wartenzeiten (Taxifahrer) oder Ladezeiten (Lkw-Fahrer) nicht als Arbeitszeit bewertet.

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