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Eine Werkstatt in Witten präsentiert eine technische Möglichkeit zur Nachrüstung bei Dieselautos.

© REUTERS/Thilo Schmuelgen

Ergebnisse des fünften Gipfels: Warum gelingt in der Dieselkrise kein Durchbruch?

Während ein Gericht neue Fahrverbote in Köln und Bonn verhängt, kommen die Hersteller der Politik nur leicht entgegen. Eine Problemanalyse.

Während am Donnerstag im Bundesverkehrsministerium um eine Lösung im Dieselstreit gerungen wurde, sprachen Richter in Köln die nächsten Fahrverbots-Urteile. Ein echter Durchbruch gelang auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Berlin nicht. Die Dieselkrise ist noch nicht vorüber.

Wie kritisch ist die Situation in den Kommunen?

In 65 Städten werden die zulässigen Grenzwerte für Stickoxid überschritten, 15 gelten als besonders belastete „Intensivstädte“. Die Zahl der Städte, die per Gerichtsurteil zu Fahrverboten verpflichtet werden, steigt. Am Donnerstag kamen Köln und Bonn hinzu. Das Kölner Verwaltungsgericht entschied nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), dass ab April 2019 zunächst Diesel-Fahrzeuge der Abgasklasse Euro-4 oder schlechter nicht mehr in die Innenstadt und andere Stadtteile fahren dürfen. Ab September 2019 soll die Einschränkung in der Domstadt auch für Euro-5-Diesel gelten. In Bonn soll das Verbot nur für zwei Straßenabschnitte gelten. Eine Berufung gegen die Urteile wurde zugelassen. Das Land Nordrhein-Westfalen will das Urteil kippen.

Gerichtsentscheidungen gab es auch schon in Hamburg, Stuttgart, München, Düsseldorf, Aachen, Berlin, Frankfurt am Main und Mainz. Teilweise sind sie rechtskräftig, teilweise legten die Städte Berufung ein. Die nächsten Gerichtsverhandlungen finden in Essen und Gelsenkirchen am 15.November statt. Darmstadt folgt am 21.November, Wiesbaden am 21.Dezember. Insgesamt führt die DUH in 28 Städten Gerichtsverfahren über Fahrverbote, in den kommenden Monaten sollen daraus 34 werden.

Die Kommunen stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Einschränkungen zu kontrollieren, sie müssen entsprechende Schilder aufstellen, Bußgelder erheben. Mit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes will die Regierung hier nachhelfen. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch einen Entwurf auf den Weg, der es den zuständigen Behörden erlaubt, für Kontrollen bestimmte Daten von Fahrzeugen zu erheben, zu speichern und zu verwenden sowie auf das Zentrale Fahrzeugregister zugreifen zu können.

Welchen Beitrag leisten die Autohersteller bei der Umrüstung älterer Autos?

Scheuer sprach nach dem Treffen von einem „konstruktiven Ergebnis“. Klar ist, dass Daimler und Volkswagen der Bundesregierung entgegengekommen sind. Daimler-Chef Dieter Zetsche war der einzige Vorstandsvorsitzende, der in Berlin erschienen war. Seine Kollegen von BMW und Volkswagen, Harald Krüger und Herbert Diess, ließen sich vertreten. Daimler erklärte, der Konzern sei dazu bereit, Mercedes-Benz-Kunden mit einem Euro-5-Diesel in „Schwerpunktregionen“ – gemeint sind die 15 „Intensivstädte“ – mit einem Maximalbetrag von bis zu 3000 Euro „beim Kauf einer Hardware-Nachrüstung eines Drittanbieters zu unterstützen“. Bisher hatte der Konzern einen Betrag von 2400 Euro angeboten. Das wären 80 Prozent gewesen. Eine ähnliche Zusage machte offenbar VW. BMW lehnt Hardware-Umbauten ab, will Kunden aber mit der gleichen Summe beim Neukauf unterstützen. Daimler erklärte, die Nachrüstung müsse vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zertifiziert und zugelassen werden und nachweislich dazu berechtigen, in bestimmten Städten auch in Straßen mit Fahrverboten einzufahren.

Allerdings liegt Scheuer zufolge bislang noch kein Nachrüstsystem vor, das schon zertifiziert werden könnte. Deshalb sei auch noch kein Preis bekannt. Eine Nachrüstung könne somit erst nach 2020 greifen. Der Minister sagte weiter, die deutsche Industrie habe sich nun zwar „stark bewegt“, die Diskussion sei aber noch nicht beendet. Auch werde er noch mit ausländischen Herstellern reden müssen, die sich bislang nicht an Nachrüstungen beteiligen wollen. Mit Blick auf das ramponierte Image der Autobranche sagte Scheuer: „Als Politiker ist man tief besorgt.“

Mitte dieses Jahres waren laut Kraftfahrt-Bundesamt noch gut 5,5 Millionen Euro-5-Diesel auf den Straßen unterwegs, für die technische Umbauten infrage kommen. Hinzu kommen 4,3 Millionen Euro-6-Dieselwagen, darunter gut 26000 mit dem Euro-6d-temp-Standard, der anzeigt, dass die Diesel auch auf der Straße sauber sind. Experten haben nachgewiesen, dass selbst neue Euro-6-Diesel mehr Stickoxid ausstoßen als ältere Euro-5-Diesel. Bei Letzteren liegen die tatsächlichen Emissionen häufig weit jenseits der Grenzwerte. Der liegt bei 180 Milligramm Stickoxiden (NOx) pro Kilometer, tatsächlich stoßen Euro-5-Diesel durchschnittlich rund 900 Milligramm NOx pro Kilometer aus.

Kann man Autobauer zur Nachrüstung zwingen?

BMW-Chef Krüger, der Hardware-Nachrüstungen ablehnte, ließ am Donnerstag mitteilen, dass auch ältere Fahrzeuge nach geltendem Recht zugelassen wurden. Der technische Fortschritt in der Dieseltechnologie könne nicht rückwirkend für Fahrzeuge gefordert werden, die vor rund zehn Jahren entwickelt worden seien. Auch diese Fahrzeuge erfüllten „vollumfänglich die Zulassungsanforderungen der EU“. Krügers Aussage trifft für Autos zu, bei denen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gefunden wurden. Bei BMW wurden bislang keine solchen „Defeat Devices“ nachgewiesen. Der Gesetzgeber hat hier wenig Möglichkeiten, die Hersteller zu Umbauten an den zugelassenen Fahrzeugen zu zwingen.

Rückendeckung bekam Krüger von BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch. Er warf der Regierung am Donnerstag vor, „alle über den gleichen Kamm“ zu scheren und „die Arbeitsplätze gerade derjenigen Arbeitnehmer zu gefährden, die schon immer saubere Diesel produziert“ hätten.

Möglichkeiten, mit Strafen zu drohen, hat die Politik bei manipulierten Dieselwagen. Verbraucherschützer fordern die Bundesregierung auf, die Autohersteller mit der „Androhung von Bußgeldern gefügig zu machen“, wie der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, unlängst sagte. Auch die SPD brachte Bußgelder von 5000 Euro pro manipuliertem Neuwagen ins Gespräch, wenn sich die Spitzenmanager weiter weigerten, die Kosten für Nachrüstungen zu übernehmen.

Wie Unterlagen des Verkehrsministeriums zeigen, wurden bereits 2016 die rechtlichen Möglichkeiten für Bußgelder diskutiert. Demnach wäre eine indirekte Drohung mit bis zu 5000 Euro pro verkauftem Dieselwagen möglich, der mit einer ungültigen „Übereinstimmungsbescheinigung“ zugelassen wurde. Darin wird festgehalten, dass jedes Fahrzeug eines bestimmten Typs mit den bei der Genehmigung gemessenen Werten übereinstimmen muss. Bei Autos mit Manipulationssoftware ist das nicht der Fall. Doch der Verkehrsminister lehnt Strafen ab, er setzt auf Anreize, Förderung und Freiwilligkeit. Mehrfach wies Scheuer auf die „attraktiven“ Umtauschprämien hin, hier gehe es um 1,5 Millionen Autos und ein Volumen von mehr als sieben Milliarden Euro.

Wie haben sich die Diesel-Verkäufe entwickelt?

Die jüngsten Quartalszahlen der drei deutschen Autohersteller BMW, Daimler und Volkswagen zeigen, dass die Dieselkrise Spuren in den Bilanzen hinterlässt. Absatzrückgänge, Bußgelder, Rückrufe, Software-Updates und die Umstellung auf den neuen Prüfzyklus WLTP machen den Unternehmen zu schaffen. Der Diesel ist weiter auf dem Rückzug. Knapp zwei Drittel (62,3 Prozent) der Neuzulassungen im Oktober waren Benziner, nur noch 31,8 Prozent Diesel-Pkw. Niedrig bleibt der Marktanteil der alternativen Antriebe: 4,4 Prozent der Neuwagen waren Hybrid-Fahrzeuge mit kombinierten Antrieben, Elektro-Pkw hatten einen Anteil von 1,3 Prozent. Ein Warnzeichen gibt es auch im traditionell starken Export – drei Viertel aller in Deutschland produzierten Fahrzeuge werden ausgeführt. Die Probleme der Autoindustrie bei der Umstellung auf WLTP belasteten die Exportbilanz. Nicht alle Modelle hatten rechtzeitig eine Genehmigung für eine Neuzulassung.

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