zum Hauptinhalt
Friedrich Bohlens Bioinformatikfirma Molecular Health, die softwareunterstützte Genanalysen anbietet, hat Büros in Boston, New York, Heidelberg und seit kurzem auch in Berlin.

© Sascha Karberg

Erbgutanalyse von "Molecular Health": Krebsgene auf Kosten des Arbeitgebers testen

Krebserkrankte Angestellte bekommen eine kostenlose Genanalyse und Therapieberatung. Nach SAP bietet diesen Service nun auch eine zweite Firma an.

Wenn ein Kollege an Krebs erkrankt, mit dem man viele Stunden zusammengearbeitet hat, dann lasse das niemanden kalt, sagt Sabine Bendiek, Geschäftsführerin von EMC Deutschland, einer Softwarefirma mit Hauptsitz in der Nähe von Boston. Bendieks Unternehmen hat sich - wie zuvor schon der Softwarekonzern SAP - entschlossen, ihren weltweit rund 70.000 Angestellten ein Programm der deutschen Genanalysefirma Molecular Health anzubieten. "Cope", für "Corporate Oncology Program for Employees", umfasst zunächst die Analyse des Erbguts des Tumors und gesunder Zellen. Deren Ergebnis werden dann mit einer speziellen Software bewertet, die neben bekannten Standardtherapien auch aktuelle Ergebnisse klinischer Studien berücksichtigt und dem behandelnden Arzt eine Therapieempfehlung an die Hand gibt. Das Ziel ist, für den jeweiligen Patienten die optimale und nebenwirkungsärmste Therapie zu finden. Da das von Hunderten von Varianten Dutzender Gene abhängt, über die ständig neue Informationen veröffentlicht werden, sind Ärzte für eine Therapieentscheidung auf aktuellem Forschungsstand inzwischen auf Computerunterstützung angewiesen.

Krebsdiagnose mit Softwarehilfe

Für die Bioinformatik-Firma Molecular Health ist das eine gute Nachricht. Denn was EMC und SAP ihren Angestellten kostenfrei anbietet, lässt sich die Firma, die seit kurzem auch in Berlin ein Büro eröffnet hat, gut bezahlen. Und erzielt damit Einkünfte, auf die das junge Unternehmen sonst noch Jahre warten müsste. Denn bis die Krankenkassen die Kosten für solche Genanalysen und softwarebasierten Therapieempfehlungen übernehmen, sind erst jahrelange Studien und Zulassungsverfahren nötig, in denen die Firma den Zusatznutzen gegenüber bisherigen Diagnoseverfahren nachweisen muss. Zwar hat Molecular Health solche Studien bereits begonnen, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und dem MD Anderson Krebszentrum in Dallas, Texas. Doch die Ergebnisse dürften nicht vor 2017 vorliegen.

Das offenbart ein Dilemma: Einerseits bremsen solche Studien den rasanten Fortschritt in der Krebsdiagnose und -therapie aus. Patienten, die nicht zufällig bei SAP oder EMC angestellt sind, kommen daher in der Regel noch nicht in den Genuss derartiger Gen- und Computeranalysen - es sei denn, sie nehmen an diesen Studien teil. Andererseits haben Institutionen wie das Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ein berechtigtes Interesse, nur solche Verfahren in den Leistungskatalog aufzunehmen und zu bezahlen, die ihren Nutzen in Studien bewiesen haben. Für kleine, innovative Unternehmen wie Molecular Health ist das nicht nur eine Geduldsprobe, sondern auch eine Frage des Durchhaltens und finanzieller Ressourcen. Friedrich von Bohlen und Halbach, Sproß der Krupp-Familie und Gründer von Molecular Health, weiß wie schnell einem Startup der Atem ausgehen kann. Mit LionBiosciences hatte er im deutschen Biotech-Boom um die Jahrtausendwende Erfolge gefeiert, bis die Firma schließlich abschmierte. Zwar steht hinter Molecular Health der SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp. Dennoch tut Bohlen gut daran, Umsatzquellen zu erschließen. Und offenbar sind mehrere Firmen von dem Ansatz überzeugt und bereit, die Kosten von etwa 3000 Euro pro Patient zu tragen. "Wir sind mit mehreren DAX-Unternehmen im Gespräch, die sich für Cope interessieren", sagt Bohlen.

Alarmsystem für Arzneimittelnebenwirkungen

Cope ist nicht das einzige Produkt, womit Molecular Health inzwischen Kasse macht. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat kürzlich eine Lizenz für eine Software des Unternehmens ("Safety Map") gekauft, mit der sie ihre Datenbank für Nebenwirkungsmeldungen von Medikamenten durchforsten kann. Anhand der Meldungen von Ärzten über mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments kann die Behörde frühzeitig erkennen, ob ein Wirkstoff gehäuft bestimmte Gegenreaktionen provoziert oder sich mit anderen Medikamenten nicht verträgt. Die Behörde testet das Verfahren schon seit 2012 und hat die Kooperation nun verlängert. Der Preis dafür wird nicht hoch sein, aber Geld dürfte Molecular Health vor allem damit verdienen, dass nun auch die großen Pharmafirmen die Software werden nutzen wollen - um rechtzeitig zu wissen, was die FDA über eines ihrer Medikament weiß.        

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false