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Kampf für gleiche Bezahlung: Demonstrantinnen in den USA

© AFP/Getty Images/Joe Raedle

Update

Equal Pay Day: Ein Job, zwei Gehälter

Frauen und Männer werden nach wie vor ungleich bezahlt. Zwei Gesetzesvorhaben sollen gegensteuern - doch das wird nicht reichen.

Seit Anfang des Jahres haben Frauen in ganz Deutschland umsonst geschuftet. In Industriehallen, Krankenhäusern, Bürokomplexen. Erst am kommenden Samstag werden sie für ihre Arbeit bezahlt. Zumindest symbolisch. So rechnen nämlich die Organisatoren des „Equal Pay Day“ den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen vor. Zurzeit liegt er bei rund 21 Prozent, was bedeutet, dass Frauen im Verdienstvergleich zu Männern 77 Tage im Jahr keinen Cent verdienen würden.

Erklärungen für die Lohnlücke sind, dass mehr Frauen geringfügig beschäftigt sind als Männer und seltener Führungspositionen inne haben. Wenn sich Paare für Kinder entscheiden, unterbrechen nach wie vor eher Frauen die Karriere, arbeiten viel häufiger in Teilzeit und schaffen es nicht immer zurück in den Vollzeitjob. „Daher will ich das Recht für die Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitarbeit einführen“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dem Tagesspiegel. Bislang gibt es einen gesetzlichen Anspruch, die Arbeitszeit zu verringern, aber keinen, sie später wieder zu erhöhen. Nahles möchte die Idee noch in dieser Wahlperiode durchsetzen

Lohnlücke schrumpft nur minimal

Momentan verdienen Frauen im Durchschnitt 16,26 Euro brutto pro Stunde, Männer 20,71 Euro. „Mit dem Mindestlohn haben wir eine untere Haltelinie bei den Löhnen eingeführt. Davon profitieren vor allem Frauen“, sagte die Ministerin. Der Gehaltsunterschied ist in den vergangenen Jahren allerdings nur minimal geschrumpft. 2016 war er so hoch wie heute, 2014 und 2015 hatte er 22 Prozent betragen.

Was Gesetze immerhin nicht ändern können, ist, was jemand arbeiten möchte. „Frauen wählen häufiger Berufe, die schlechter bezahlt werden“, meint Sven Hille vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft. Dass frauendominierte Berufe zudem oft recht schlecht bezahlt werden, hat sich nach Erkenntnissen von Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg über Jahrzehnte entwickelt. „Historisch galten Frauen als weniger kompetent und leistungsfähig im Bereich der Erwerbsarbeit als Männer.“ Ihnen standen also vor allem haushaltsnahe Berufe offen, die als weniger anspruchsvoll angesehen wurden.

Schwesig will „Entgelttransparenzgesetz“

Rechnet man allerdings den Effekt der unterschiedlichen Branchen und Berufe heraus, bleibt noch immer ein geschlechtsbedingter Lohnunterschied von sechs Prozent. Das heißt, dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich sechs Prozent weniger als Männer verdienen. Aus diesem Grund wird im Bundestag gerade das „Entgelttransparenzgesetz“ beraten.

Der Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig sieht vor, dass Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern ein Auskunftsrecht darüber erhalten, was eine vergleichbare Gruppe des anderen Geschlechts verdient. Diese Transparenz solle mehr Lohngerechtigkeit schaffen, erklärte Schwesig. Ihr Vorschlag ist umstritten. Selbst der Verband deutscher Unternehmerinnen kritisiert ihn. Stattdessen brauche es „bessere Betreuungsangebote und Erwerbsanreize“, sagt Verbandspräsidentin Stephanie Bschorr.

Rollenbilder ändern sich langsam

Die OECD lobte Deutschland zwar kürzlich für die Einführung des Kindergeldes und den Ausbau von Betreuungs- und Erziehungsangeboten. Im europaweiten Vergleich sei die Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann aber dennoch nur in Österreich und der Schweiz noch schlechter. Auch bei der Lohnlücke sticht Deutschland im internationalen Vergleich negativ hervor: Nur in der Tschechischen Republik (22,5 Prozent) und Estland (26,9 Prozent) soll sie größer sein.

Elke Hannack, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, befürwortet die Pläne von Schwesig und Nahles. „Frauendominierte Berufe gehören aufgewertet!“, fordert sie. So denkt auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast. "Bisher klassische Frauenberufe müssen endlich genauso bezahlt werden, wie vergleichbare Jobs in der Industrie, die noch hauptsächlich von Männern gemacht werden. Die Arbeit mit Kindern, in der Pflege oder anderen sozialen Bereichen ist für unsere Gesellschaft von existentieller Bedeutung. Eine faire Bezahlung sollte selbstverständlich sein."

Neben gesetzlichen und betrieblichen Vorgaben sind aber auch noch immer existierende Rollenbilder entscheidend. Eine aktuelle Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) erweckt den Anschein, als würde sich hier etwas ändern. Das Ergebnis lautet: Töchter arbeiten weniger im Haushalt als früher mit. Bei jungen Männern, die noch zu Hause wohnen, ging der Anteil derer, die werktags gar keine Hausarbeit übernehmen, von 56 Prozent im Jahr 2015 auf 48 Prozent im vergangenen Jahr zurück. Bei jungen Frauen stieg der Anteil von 30,5 auf 32,7 Prozent. Später, in ihren eigenen Familien, glaubt Autor Wido Geis, werde diese Generation die Aufgaben gleichberechtigter aufteilen.

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