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Besorgt: der Vorstandschef des deutschen Energieunternehmens Eon, Johannes Teyssen.

© dpa

Eon-Chef Johannes Teyssen zu Sanktionen gegen Russland: „Wir hoffen auf Entspannungspolitik“

Die EU-Sanktionen zielen erstmals auch auf die russischen Ölkonzerne. Welche Konsequenzen hat das? Johannes Teyssen spricht im Interview über die Russlands Rolle als Energielieferant und die Vorschläge der EU für mehr Versorgungssicherheit.

Herr Teyssen, der bisherige polnische Premier Donald Tusk schlägt für Erdgas eine EU-Einkaufsgemeinschaft vor, um gegenüber Russland stärker auftreten zu können. Können Sie sich als Privatunternehmen vorstellen, in so einem staatlich verordneten Konstrukt zu agieren?

Die Vorschläge von Herrn Tusk umfassen ja mehr als nur den gemeinsamen Gaseinkauf, daher sollten sie genau geprüft werden. Das Anliegen der Polen aber, eine staatliche Einkaufsgemeinschaft zu gründen, halten wir grundsätzlich für kartellrechtlich bedenklich.

Um die Abhängigkeit von außen zu reduzieren, wäre ein geringerer Verbrauch die einfachste Lösung. Gerade erst jedoch hat die EU-Kommission Deutschland verklagt, da es die Energiespar-Richtlinie nicht umgesetzt hat. Blockiert die Industrie?

Die Richtlinie wird sicher noch umgesetzt, aber echte Anreize zum Energiesparen schafft sie nicht. Ich etwa möchte lieber Partner meiner Kunden sein, als von der Politik in die Schulmeisterrolle getrieben werden, in der ich meine Kunden belehren soll, wie sie sich zu verhalten haben. Kunden reagieren sensibel auf den Strompreis, deshalb helfen wir ihnen Energie zu sparen. Sie sollten also nicht denken, dass die Energieversorger kein Interesse an einem geringeren Verbrauch hätten – das lohnt sich auch für uns.

Wie schätzen Sie die Versorgungslage ein, falls es doch wieder zu einer erneuten Eskalation der Situation in der Ukraine kommen sollte? Wird es kalt bei uns?

Es bringt nichts, Horrorszenarien zu entwerfen nach dem Motto: Die Stube wird kalt. Selbst wenn die Gaslieferungen durch die Ukraine heute in Gefahr gerieten, läge die größte Herausforderung in der Ukraine selbst und in den angrenzenden südosteuropäischen Nachbarstaaten, denen wir dann solidarisch helfen müssen. Deswegen müssten wir uns in Deutschland noch lange keine Pullover stricken – Nordwesteuropa wäre von bloßen Lieferunterbrechungen in der Ukraine überhaupt nicht betroffen. Lieferengpässe bei uns könnte es nur bei einer drastischen Zuspitzung geben, wenn also beispielsweise auch Nord Stream, die neue Ostseepipeline, und die Leitungen durch Weißrussland und Polen betroffen wären. Deswegen finde ich diese Weltuntergangsszenarien nicht hilfreich.

Die EU-Kommission arbeitet dennoch schon an Notfallplänen für den Winter.

Noch haben wir jede Menge Reaktionsmöglichkeiten. Nord Stream hat Reserven, die nicht genutzt werden, die Speicher haben ebenfalls. Allerdings ist es kein gutes Signal, dass manche Unternehmen derzeit Speicher stilllegen, weil sie unrentabel sind. Das könnte sich rächen. Deshalb müssen wir jetzt sagen, wie viel Speicher wir in Zukunft haben wollen und was uns das wert ist. Diese Diskussion läuft gerade in der EU-Kommission. Und ich denke, dass unsere Industrie solidarisch reagieren wird, wenn nun gesagt würde, dass mehr für Notlagen zurückgehalten werden muss. Das Vorrecht der Politik, eine solche Entscheidung zu treffen, ist unbestritten.

Ihr Unternehmen ist stärker als andere in Russland engagiert. Sind Sie angesichts der derzeit so schlechten diplomatischen Beziehungen eigentlich besonders nervös?

Wir sind einer der größten Investoren in Russland, betreiben dort viele Kraftwerke. Wir haben 5000 russische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr gute Arbeit leisten. Wir sind demnach Teil der Versorgungssicherheit für die Russen. Und wir sind in diesem Sinne auch ein russisches Unternehmen, und als solches kommen wir unseren Pflichten nach und werden auch anständig behandelt. Insofern beobachten wir jede Zuspitzung mit Sorge und hoffen – wie schon seit 50 Jahren – auf Entspannungspolitik. Aber wir werden in jedem Land und zu jeder Jahreszeit unseren Beitrag erbringen, damit die Versorgungssicherheit in ganz Europa gewährleistet ist.

Erst diese Woche hat Ihr Unternehmen mitgeteilt, dass zurzeit weniger Gas aus Russland ankommt. Hat das technische oder doch eher politische Gründe?

Die Lieferbeschränkungen sind geringfügig. Auswirkungen auf die Versorgungsstabilität haben sie aber nicht. Über Gründe kann nur der Lieferant Auskunft geben.

Das Interview führte unser Brüssel-Korrespondent Christopher Ziedler

Johannes Teyssen (54) ist seit Mai 2010 Vorstandschef von Eon. Zudem steht der Volkswirt an der Spitze von Eurelectric, der Interessenvertretung der europäischen Elektrizitätswirtschaft.

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