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Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, ist überzeugt, dass Deutschland die Energiewende schaffen kann.

© dpa

Energiewende: „Konflikte gibt es immer“

Der Präsident des Umweltbundesamts über die Perspektiven der Erneuerbaren Energien

Mit welchem Ziel sollten die erneuerbaren Energien gefördert werden?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss dazu führen, dass wir die Klimaschutzziele erreichen können. Das ist eng damit verbunden, wie viel Strom wir aus erneuerbaren Energien beziehen. Bis Mitte des Jahrhunderts wollen wir nahezu eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreichen. Dafür ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) das zentrale Instrument.

Mit dem EEG-Gesetzentwurf versucht die Bundesregierung, zu einer stärkeren Marktintegration zu kommen. Passt das ins EEG?

Je mehr Strom wir aus erneuerbaren Energien produzieren, desto wichtiger ist es, diesen auch an den Markt heranzuführen. Es ist nicht gut, in Zeiten eines Überangebots von Strom aus Wind oder Sonne auch noch Strom aus Biogasanlagen ins Netz einzuspeisen. Da könnte der Markt also regulierend eingreifen. Wie nun die Marktprämie letztlich wirken wird, wissen wir noch nicht. Aber es ist einen Versuch wert, um da, wo es Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich des Zeitpunkts der Stromeinspeisung gibt, diese zu nutzen.

Bei der Debatte über die Biomasse haben wir Tank und Teller diskutiert. Sehen Sie weitere Zielkonflikte?

Zunächst ist mir wichtig zu sagen, dass die Konflikte mit der Biomasse ausschließlich aus der Perspektive des EEG angegangen werden, etwa beim Streit um die Höhe der Fördersätze. Es gibt aber auch einen agrarpolitischen Ansatz. Der wird bisher völlig ausgeblendet. Wenn die gute landwirtschaftliche Praxis so definiert wäre, dass wir mehr Fruchtfolgen bekommen würden, hätten wir die Mais- Diskussion für die Biogasanlagen nicht. Die Veränderungen durch die Energiewende können nicht nur im Umwelt- und Energierecht geregelt werden.

Zurück zu den Zielkonflikten …

Insgesamt gibt es keine wirklich konfliktfreie erneuerbare Energieversorgung. Das betrifft die Windenergie mit ihren Auswirkungen auf das Landschaftsbild oder die Lärmbelastung im Wohnumfeld. Das betrifft die Wasserkraft mit ihren ökologischen Konflikten an den Flussläufen. Deshalb spricht das Umweltbundesamt generell die Empfehlung aus, beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf möglichst viele unterschiedliche Energieformen zu setzen. Also nicht zu stark einzelne erneuerbare Energien voranzutreiben, sondern die Bandbreite, die zur Verfügung steht, zu nutzen und sie so einzusetzen, dass die Konflikte möglichst gering sind. Das heißt, dass wir die Windkraft an Land auch weiter fördern und vorantreiben müssen, nicht nur die Windkraft im Meer. Die Offshore-Windparks brauchen wir auch. Aber wir brauchen den engagierten Ausbau an Land, weil so der Netzausbaubedarf verringert werden kann.

Aus Bayern und und Baden-Württemberg gibt es neuerdings Signale, dass es dort den Willen zum Ausbau gibt.

Gerade in diesen Ländern sind die Potenziale noch überhaupt nicht ausgeschöpft worden. Das heißt nicht, dass überall Windräder aufgestellt werden sollen. In unserer Studie zu einer 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung benötigen wir gerade einmal ein Prozent der Landesfläche für die Windenergie. Dort wo es – etwa aus touristischen Gründen – nicht sinnvoll erscheint, kann das ja bei der Standortwahl berücksichtigt werden.

Einige Ökonomen behaupten, dass der Emissionshandel der Industrie mit dem EEG kollidiert. Stimmt das?

Emissionshandel und EEG kollidieren nicht. Denn als die Europäische Union 2008 das Klimapaket verabschiedet hat, hat sie die Ziele für den Emissionshandel und die erneuerbaren Energien gemeinsam festgelegt. Beide Instrumente sind aufeinander abgestimmt. Das heißt, das festgelegte Emissionshandelsbudget bis 2020 berücksichtigt die damals angenommene Entwicklung der erneuerbaren Energien. Während der Emissionshandel also unsere Klimaziele absichert, hilft uns das EEG gleichzeitig dabei, unsere Stromversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

Jochen Flasbarth (49) ist seit 2009

Präsident des

Umweltbundesamtes. Davor war er Abteilungsleiter im Umweltministerium sowie Chef des Umweltverbandes Nabu.

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