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© Fotot: pa/dpa

Energieunternehmen: Strom ist zu teuer

Experten sehen keine steigenden Kosten der Versorger. Der Leipziger Energiebörse laufen unterdessen die Kunden weg.

Verbraucherschützer und Wirtschaftsforscher haben die geplanten Preiserhöhungen der deutschen Stromversorger kritisiert. „Das ist nicht gerechtfertigt“, sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, dem Tagesspiegel. „Es gibt keine Argumente, warum die Preise momentan steigen sollten.“ Die Beschaffungskosten hätten sich für die Stromanbieter nicht merklich erhöht.

Das Verbraucherportal Verivox veröffentlichte am Montag einen Überblick über die geplanten Strompreiserhöhungen in Deutschland. Demnach wollen mindestens 54 Stadtwerke und Regionalversorger ihre Strompreise zum 1. August erhöhen. Der Strom verteuere sich dadurch für die Kunden durchschnittlich um 7,8 Prozent, berichteten die Branchenbeobachter. Im Einzelfall lägen die Preissteigerungen sogar bei fast 18 Prozent. Bereits zum 1. Juli hatten 91 Stromversorger ihre Preise zum Teil drastisch angehoben – unter anderen der in Berlin vorherrschende Anbieter Vattenfall.

Als Grund für die Erhöhungen sehen Experten vor allem den Wegfall der staatlichen Preisaufsicht zum 1. Juli. Die Stromkonzerne müssen sich seitdem ihre Erhöhungen nicht mehr von den zuständigen Behörden genehmigen lassen.

Die Preiserhöhungen seien „ein Versuch, zusätzliche Einnahmen zu gewinnen, bevor die Regulierung stärker greift und der Wettbewerb stärker wird“, sagte Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Konsumenten sollten sich aber nicht auf die Politik verlassen, sondern selbst „das Heft in die Hand nehmen“, forderte Fronzcak, „gegebenenfalls auch durch einen Wechsel des Stromanbieters“.

In Zukunft könnte es für die Verbraucher aber eher noch teurer werden, wenn weitere Atomkraftwerke ausfallen. Das meint zumindest Wirtschaftsforscherin Kemfert. „Je mehr Kraftwerke vom Netz gehen, desto schwieriger wird es“, sagte Kemfert. Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Ludwig Georg Braun, warnte vor einem weiteren Preisanstieg durch den geplanten Atomausstieg. „Wer jetzt Kraftwerke abschaltet, gefährdet die Energiesicherheit in Deutschland und nimmt in Kauf, dass die Strompreise drastisch steigen“, sagte Braun der „Bild“.

In den vergangenen Wochen waren nach einer Pannenserie mehrere Atomkraftwerke vom Netz genommen worden, darunter Krümmel, Brunsbüttel und Unterweser.„Wenn noch mehr dazukommen, wird es kritisch“, sagte Kemfert. Der europäische Stromgroßhandel funktioniere noch nicht so gut, dass große Ausfälle leicht ausgeglichen werden könnten.

Das sieht der Chef der Leipziger Strombörse EEX, Hans-Bernd Menzel, anders. Er glaubt nicht, dass der Strompreis grundsätzlich steigen muss, wenn weniger Atomkraftwerke am Netz sind. „Die Wirklichkeit ist komplexer“, sagte Menzel dem Tagesspiegel am Rande einer Pressekonferenz am Montag in Leipzig. Größen wie das Wetter, die Konjunkturlage und vor allem der grenzüberschreitende Stromhandel spielten bei der Preisbildung eine Rolle. „Deutschland ist keine Insel“, sagte Menzel. Einen deutschen Stromgroßhandelsmarkt gebe es nicht mehr. „Wir sind auf dem Weg zu einem europäischen Markt weit fortgeschritten.“ Bisher hat sich die Abschaltung der Atomkraftwerke nicht merklich im Strompreis an der Leipziger Börse niedergeschlagen.

Die Börse plagt indes ein anderes Problem: Die Energieunternehmen wickeln ihren Stromhandel immer stärker bilateral und immer weniger über die Börse ab. Von den rund 20 Millionen Euro Umsatzerlösen, die die EEX (European Energy Exchange) für das erste Halbjahr 2007 ausweist, stammen nur noch knapp acht Millionen Euro aus dem Stromhandel an der Börse. Im ersten Halbjahr 2006 waren es noch zwölf Millionen Euro gewesen. Dass die EEX ihre Umsätze in etwa auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums halten konnte, lag nur daran, dass sie über ihre Clearing-Plattform auch am außerbörslichen Handel beteiligt ist, indem sie den Handelspartnern ein Verrechnungssystem zur Verfügung stellt. Deshalb stieg auch der Gewinn der EEX.

Stefan Kaiser

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