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Viele Energiekonzerne verzeichnen wegen der gestiegenen Preise Rekordgewinne. Andere brauchen staatliche Hilfe.

© REUTERS/File Photo

Energieriesen mit guten Bilanzen: Rekordgewinne, aber Verbraucher müssen Gas-Umlage zahlen – wie kann das sein?

Auf den ersten Blick wirken die Gewinne von Shell und Co. widersprüchlich zu den Tönen der Politik. Doch Energiekonzern ist nicht gleich Energiekonzern.

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Zwei Trends passen in diesen Tagen auf den ersten Blick nicht zusammen. Einerseits profitieren Europas Energiekonzerne enorm von den stark gestiegenen Preisen bei Öl und Gas. So verfünffachte der britische Energieriese Shell seinen Gewinn im Quartal von April bis Juni auf knapp 18 Milliarden Dollar. Auch der deutsche RWE-Konzern, der sein Geschäft vor allem Stromerzeugung und Gashandel macht, korrigierte seine Gewinnerwartung für das laufende Jahr stark nach oben.

Andererseits kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an, dass die geplante Gasumlage Haushalte bis zu einige hundert Euro pro Jahr kosten könnte – und das zusätzlich zu den stark gestiegenen Gaskosten, die Verbraucher und Verbraucherinnen stemmen müssen.

Wie kann es sein, dass Energiekonzerne hohe Gewinne einfahren, zugleich aber Privathaushalte unter den hohen Energiekosten ächzen? Und warum sollen sie dann auch noch Energiekonzerne mit einer Umlage stützen?

Importeure kann man mit Ölverkäufern nicht vergleichen

Die ab Anfang Oktober geltende Gas-Umlage soll deutsche Gasimporteure – also etwa Uniper, VNG und Wingas – stützen, denen Insolvenz droht: Aufgrund der Lieferausfälle von russischem Gas müssen sie befürchten, Langfristverträge mit ihren Kunden nicht mehr bedienen zu können. Sie kaufen nun teuer Gas von anderen Lieferanten ein. Für eine Megawattstunde Gas zahlen Einkäufer derzeit 205 Euro – im Juni waren es noch 160 Euro.

Diese Mehrkosten könnten sie ohne den Ausgleich, den sie nun durch die Gasumlage in Anspruch nehmen können, kaum tragen. Wenn aber die Gasimporteure insolvent gehen, gefährdet das ihre Kunden – hier vor allem Stadtwerke und große Betriebe. Mit einem Konzern wie Shell lässt sich ein deutscher Gasimporteur nicht vergleichen, weil er Gas einkaufen muss, aber nicht selbst fördert.

RWE als Sonderfall

Anders sieht die Situation bei den deutschen Stromerzeugern aus: Die Gaspreise treiben auch die Strompreise nach oben – mit Strom ist derzeit gutes Geld zu verdienen. So haben die Großhandelspreise an der Börse mit knapp 500 Euro pro Megawattstunde einen neuen Rekord erreicht. Zwar ist auch Steinkohle am Weltmarkt teuer geworden, weil ab August ein Embargo gegen russische Steinkohle gilt. Dennoch sind die Gewinne besonders mit Strom aus Steinkohle saftig.

„Die Betreiber von Steinkohlekraftwerken können für die nächsten Monate von Nettoerträgen in Höhe von 100 bis 250 Euro pro Megawattstunde ausgehen“, so die grobe Rechnung des Energieexperten Felix Matthes vom Öko-Institut.

Der Energiekonzern RWE ist in diesem Markt ein Sonderfall – einerseits erzeugt er Strom, andererseits importiert er Gas, ist also von der Lieferdrosselung Russlands ebenfalls betroffen. Im ersten Halbjahr hat das Unternehmen auch noch mit Gas gute Geschäfte gemacht. Am Mittwoch meldete RWE ad hoc einen operativen Ertrag (Ebitda) von fünf bis 5,5 Milliarden Euro statt der zuvor erwarteten 3,6 bis vier Milliarden.

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Der Einbruch des Gasimports aus Russland schmerzt den Konzern offenbar wenig – auch wenn er bis 2023 in Russland Gas in Höhe von 15 Terawattstunden gebucht hatte. Mit dieser Menge ist RWE deutlich weniger exponiert als Uniper, der größte deutsche Importeur russischen Gases. Zur Frage, ob RWE die von Habeck angekündigte Gasumlage in Anspruch nehmen wird, wollte sich eine Unternehmenssprecherin am Freitag gegenüber dem Tagesspiegel allerdings nicht äußern. Sie verwies auf Kapitalmarktregeln, die dem Unternehmen Detailangaben kurz vor der Vorlage der finalen Halbjahreszahlen am 1. August verbieten.

Wintershall Dea als Krisengewinner

Voll auf der Gewinnerseite steht dank gestiegener Preise der deutsch-russische Öl- und Gasförderer Wintershall Dea aus Kassel. Als Nicht-Importeur kommt er zumindest nicht auch noch in den Genuss der Gasumlage – ebensowenig wie die deutsche Tochtergesellschaft etwa des Shell-Konzerns. Sie, die französische Total Energies, die spanische Repsol und die österreichische OMV haben wegen hoher Öl- und Gaspreise ebenfalls glänzende Halbjahreszahlen vorgelegt.

Angesichts sprudelnder Gewinne in Teilen der Energiebranche und steigender Belastungen für Verbraucher durch die geplante Umlage wurde am Freitag die Forderung nach einer sogenannten Übergewinnsteuer zur Abschöpfung wieder lauter, beispielsweise von der IG Metall. Auch die Linkspartei machte sich erneut für die Gewinnabschöpfung stark. (mit AFP, dpa, rtr)

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