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Stromtarife

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Energiepreise: Der Strom des Geldes

Der Staat kritisiert die Konzerne wegen der steigenden Preise, die Konzerne geben dem Staat die Schuld.

Berlin - Energie ist ein gutes Geschäft. Die großen Erzeuger wie Eon oder RWE machen Milliardengewinne. Ab September könnten sie noch höher ausfallen, wenn die Preise erneut angehoben werden, wie derzeit trotz Dementi spekuliert wird. An der Leipziger Strombörse kostete ein Kontrakt über Strom für das kommende Jahr im Jahr 2004 etwa 35 Euro je Megawattstunde, zurzeit fast 60 Euro. Die Verbraucher fühlen sich hilflos – und reagieren empört auf Preiserhöhungen. In Berlin musste der Versorger Vattenfall eingestehen, seine Kunden zu oberflächlich informiert zu haben (siehe nebenstehenden Artikel). Der Wirtschaft sonst positiv gesonnene Politiker wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) drohen mit Zwangsverkauf von Kraftwerken.

Das Bundeskartellamt beobachtet zwar zurzeit die Entwicklung, ist aber noch nicht aktiv. „Im Moment kündigen die Unternehmen Preiserhöhungen an, setzen sie aber noch nicht um. Da können wir nichts machen“, sagte eine Sprecherin der Behörde dem Tagesspiegel. Ohnehin könne das Kartellamt nur tätig werden, wenn es Hinweise auf einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung gebe. „Eine Preiserhöhung allein reicht dafür nicht aus.“

Die Mittel des Staates beim Strompreis sind begrenzt. Zum 1. Juli fällt auch die bisherige Pflicht für die Unternehmen, bei Landesbehörden den Preis für einen Basistarif genehmigen zu lassen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat deshalb neue Gesetze und Verordnungen für eine schärfere Regulierung angeschoben (siehe Kasten), über die die Parlamente noch entscheiden müssen. Die EU hat wiederum die Vorgabe gemacht, dass die Konzerne ihre Netztöchter organisatorisch und buchhalterisch abtrennen müssen, um die Transparenz zu erhöhen. Für Vertrieb und Kraftwerkspark gilt das allerdings nicht.

Stromtarife
Die Stromtarife ausgewählter Anbieter in Berlin.

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Die Kartellamtssprecherin warnt vor zu großen Hoffnungen, was die Anwendung der angestrebten Preismissbrauchskontrolle anbelangt. „Wir begrüßen den Gesetzesvorschlag und werden die Aufgabe gerne übernehmen.“ Bei allen Unternehmen, die Preise erhöhen wollen, die geltend gemachten Kosten und Preise zu vergleichen, sei allerdings flächendeckend kaum möglich. Preiskontrollen seien sehr aufwendig, sagte die Sprecherin. „Dies ist ein komplexes Thema und außerdem werfen Unternehmen da gerne eine Menge Nebelkerzen.“

Handlungsbedarf besteht trotzdem. Die Regulierung beziehe sich bisher nur auf die Netzentgelte, erklärte Franz Jürgen Säcker, Professor für Energierecht an der FU Berlin. „Sie erfasst damit nur einen schmalen Sektor des Gesamtstrompreises. Die bisherige Regulierung nutzt dem Kunden sehr wenig.“ Deshalb sei Wirtschaftsminister Glos mit seinen Plänen „auf dem richtigen Weg“. Richtig sei es allerdings auch, dass die schärfere Preisbeobachtung zeitlich begrenzt sei, bis neue Kraftwerke von neuen Betreibern gebaut sind und echte Wettbewerbsbedingungen herrschen, sagte Säcker dem Tagesspiegel.

Die Hotlines der Stromanbieter
Die Hotlines der Stromanbieter.

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Die etablierten Versorger wehren sich gegen die schärfere Kontrolle der Preise. „Die Politik muss sich entscheiden, ob sie einen Markt haben will oder zurückkehrt zu staatlichen Lösungen“, sagt Patricia Nicolai, Sprecherin des Branchenverbands VDEW. Dabei sei der Wechsel des Stromanbieters „mittlerweile einfacher als ein Bankenwechsel“. Neue Energieerzeuger, die in Konkurrenz zu den etablierten Versorgern auf den Markt drängen, sehen einen Zwang für die großen Konzerne, ihre Preise zu rechtfertigen, ebenfalls skeptisch. „Langfristig dürfte sich das negativ auswirken“, sagt Arndt Börkey, Energieexperte beim Bundesverband Neuer Energieanbieter. Denn die neuen Unternehmen müssten sich an dem Niveau orientieren – eine schwierige Vorstellung bei milliardenschweren Investitionen.

Der Staat sei für die hohen Preise wesentlich mitverantwortlich, argumentiert VDEW-Sprecherin Nicolai. Mittlerweile koste die Stromsteuer, die 1999 eingeführt wurde, den Durchschnittshaushalt sechs Euro pro Monat, rechnet Nicolai vor. Mit Mehrwertsteuer und Abgaben liege der staatliche Anteil am Strompreis heute bei 40 Prozent. Hinzu komme die Förderung erneuerbarer Energien oder der effizienteren Kraft-Wärme-Kopplung. „Die Belastungen steigen kontinuierlich.“

Einer der schärfsten Kritiker der großen Konzerne, der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU), stimmt zu. „Auch der Staat muss aktiv seinen Teil zur Senkung der Strompreise beitragen: Die Stromsteuer muss gesenkt und, wenn möglich, sogar abgeschafft werden“, sagte Rhiel dem Tagesspiegel. Das sei leicht möglich, ohne neue Löcher in die öffentlichen Haushalte zu reißen – indem die Rechte zum Ausstoß des Klimagases CO2 den Stromerzeugern nicht länger geschenkt, sondern über eine Auktion versteigert würden. „Diese Zertifikate sind ohnehin in die Strompreise eingerechnet, da sie für die Unternehmen einen Wert darstellen, der bei der Produktion vernichtet wird.“

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