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Skandinavisches Design. Das Kraftwerk Avedøre im Süden von Kopenhagen gilt als eines der effizientesten der Welt. Es produziert Strom und Wärme.Foto: Mauritius/Jean Schweitzer

© Alamy Stock Photo

Energiepolitik: Es ist etwas warm im Staate Dänemark

Das Land ist Vorbild für Deutschlands Energiewende. Die Nachbarn heizen mit Wind und Sonne. Doch nicht jede Idee ist übertragbar.

Für Energiepolitiker liegt Mekka nicht im Osten, sondern im Norden. In Dänemark. So ist Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen im November mit Unternehmern nach Aarhus und Billund gefahren, um aus erster Hand zu erfahren, wie die Dänen solarthermische Energie in ihre Fernwärmenetze einspeisen. Oder wie sie ihre Kraftwerke mit Biomasse befeuern und so gleichzeitig Strom und Wärme produzieren – Fachleute nennen das Prinzip Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

Auch Baden-Württemberg und Hamburg kooperieren eng mit dem kleinen Nachbarn im Norden, um sich dort etwas abzuschauen. Die Elbmetropole ist ohnehin Partnerstadt von Kopenhagen, das den Plan hat, 2025 klimaneutral zu sein. Zum Vergleich: Der Berliner Senat hat dieses Ziel bisher für das Jahr 2050 angepeilt, weiß aber noch nicht so genau, wie er das Ziel erreichen will.

"Eine stringente Energiepolitik seit Beginn der Ölkrise"

Es läuft offenbar etwas gut im Staate Dänemark. „Die machen eine stringente Energiepolitik seit Beginn der Ölkrise in den 1970er Jahren“, sagt Heiko Huther, Bereichsleiter für erneuerbare Energien beim Energieeffizienzverband AGFW. Schon sehr früh haben die Dänen begonnen, fossile Brennstoffe immer höher zu besteuern, um ökonomische Anreize für einen sparsamen Umgang mit Energie und einen Umbau der Strom- und Wärmeversorgung zu geben. Vieles davon lässt sich auf Deutschland übertragen – aber nicht alles. Die Bundesrepublik ist dichter besiedelt als das Königreich, die Städte sind viel größer. Dadurch gibt es zum Teil auch andere Anforderungen, zum Beispiel an das Fernwärmesystem.

Vorbildlich ist sicher, wie zielgerichtet die Dänen ihr Energiesystem umgestellt haben. Schon seit 1979 ist jede Kommune gesetzlich verpflichtet, einen Plan für ihre Wärmeversorgung vorzulegen. Diese Pläne werden regional zusammengefasst. Dann schauen Politiker und Techniker, welche Technologie wo zum Einsatz kommen soll, welche Anlagen und Leitungen gebaut werden müssen. Alles steht unter der Überschrift Effizienz und Klimafreundlichkeit.

Fernwärmeanteil liegt viel höher als hierzulande

Ein wichtiger Baustein dabei sind Wärmenetze. Nach einer Untersuchung der deutschen Agentur für Erneuerbare Energien sind fast alle geschlossenen Ortschaften an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Insgesamt liegt der Fernwärmeanteil am Endenergiebedarf in Dänemark bei mehr als 60 Prozent, in Deutschland sind es 14 Prozent. Die Hälfte der dänischen Fernwärme stammt aus erneuerbaren Energien, in Deutschland ist es knapp ein Zehntel. Bis 2035 will Dänemark 100 Prozent seiner Fernwärme aus nachhaltigen Quellen beziehen – für Deutschland ein unerreichbares Ziel.

Wolfgang Schulz, Berater des IFAM Fraunhofer-Instituts in Bremen, weist darauf hin, dass sich über Fernwärmenetze der Abschied von fossilen Brennstoffen viel leichter umsetzen lasse, als wenn jeder Hausbesitzer selbst entscheide, wie er heizt. Die dänische Regierung hatte auch keine Scheu vor harter Regulierung: Seit 2013 sind Öl- und Gasheizungen im Neubau verboten. Seit 2016 dürfen alte Heizkessel für fossile Brennstoffe nicht mehr gegen neue fossil befeuerte Anlagen ausgetauscht werden. Generell laufen alle Lizenzen zum Verfeuern von Kohle bis zum Jahr 2030 aus.

Mit Wärmenetzen dürfen in Dänemark keine Gewinne gemacht werden. Dadurch kann die Wärme relativ preisgünstig angeboten werden. „Dieser Ansatz könnte über Genossenschaften auch in Deutschland genutzt werde“, schreibt das Ifeu-Institut aus Heidelberg in einer Studie für die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung.

Biomasse-KWK-Anlagen statt Kohle und Öl

Entscheidend ist natürlich, wie die Dänen ihren Netzen einheizen. Während in Deutschland meist Kohle, Öl oder Gas verfeuert wird, haben die Nachbarn im Norden schon 1993 begonnen, große Biomasse-KWK-Anlagen zur Produktion von Strom und Wärme zu bauen. In diesen Kraftwerken werden vor allem Holzpellets, Holzhackschnitzel und Stroh eingesetzt. Der Einsatz der Biomasse ist auch von der ansonsten sehr hohen Energiesteuer ausgenommen.

Noch wichtiger: Dänemark hat unzählige Großanlagen zur Erzeugung von Solarwärme gebaut. In der Rangliste der größten Anlagen Europas findet sich unter den Top 30 eine in Norwegen, alle anderen stehen in Dänemark. Die größte hat eine Fläche von 70.000 Quadratmetern, eine mit 100.000 – das sind zehn Hektar – ist gerade im Bau. Während die Solarthermie hierzulande nicht vom Fleck kommt, will Dänemark die Erzeugung aus dieser Quelle von 2014 bis 2025 verneunfachen.

Mindestens einen Schritt voraus ist das Land auch bei der sogenannten Sektorkopplung. Darunter versteht man in der Praxis, dass Strom aus erneuerbaren Energien auch in den Sektoren Wärme und Verkehr eingesetzt wird. In Dänemark werden schon heute 40 Prozent des Stroms aus Windenergie gewonnen – unter anderem aus sehr kostengünstig arbeitenden Anlagen auf dem Meer. Zusätzlich nimmt das Nachbarland auch überschüssigen Windstrom aus Norddeutschland auf, wenn dort die Strompreise niedrig oder sogar negativ sind.

Dänen machen aus dem Strom warmes Wasser

Über Wärmepumpen und riesige Elektrodenkessel machen die Dänen aus dem Strom warmes Wasser – und bekommen für die Abnahme des Stroms sogar noch Geld. Das aufgeheizte Wasser speichern sie in Reservoirs mit bis zu 120.000 Kubikmetern Fassungsvermögen und speisen es bei Bedarf in ihre Wärmenetze ein.

Das ist alles sehr intelligent, lässt sich aber zumindest nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. So verweist AGFW-Experte Huther darauf, dass die Dänen in ihren Wärmenetzen nur eine Wassertemperatur von 60 bis 70 Grad hätten, was die Einbindung von Wärmepumpen und Solarthermie erleichtere und Wärmeverluste verringere. In Deutschland seien dagegen 90 bis 120 Grad üblich. Damit es auch im obersten Stockwerk eines Hochhauses in Frankfurt ankomme, brauche man diese hohe Energiedichte, sagt Huther. Anders als in einem 5000-Seelen-Ort in Dänemark. „Das ändert aber nichts daran, dass man von dort sehr viel mitnehmen kann.“

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