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Läuft für ihn: Tesla-Chef Elon Musk.

© AFP

Elon Musk macht Gewinn: Elektroautobauer Tesla schafft das erste profitable Jahr

Trotz Coronavirus-Krise hat der US-Elektroautobauer die Erwartungen übertroffen. Nun ist der Weg frei für die erste US-Börsenliga. Aber es gibt noch Baustellen.

Tesla-Chef Elon Musk hat die Skeptiker überzeugt und selbst die optimistischen Prognosen der Analysten übertroffen. Nach US-Börsenschluss teilte der kalifornische Konzern am Mittwoch (Ortszeit) mit, in den Corona-Monaten April, Mai und Juni einen Nettogewinn von 104 Millionen Dollar erzielt zu haben. Damit ist Tesla zum ersten Mal in seiner Geschichte vier Quartale in Folge profitabel. Bereinigt erzielte Tesla sogar ein Ergebnis vor Steuern von 1,21Milliarden Dollar, bei einem Umsatz von gut sechs Milliarden Dollar.

Die Aktie stieg nachbörslich kräftig. Die Aussicht auf höher als erwartete Auslieferungen und Geschäftsergebnisse im zweiten Quartal hatte die Kursrally zuletzt angeheizt. Nun steht Tesla vor einem weiteren Meilenstein, der Musks Firma den Weg zum Aufstieg in die US-Börsenelite im Leitindex S&P 500 ebnen könnte.

Eine entscheidende Voraussetzung dafür sind vier Quartale mit schwarzen Zahlen in Serie. Doch je steiler der Aktienkurs steigt, desto lauter werden die Stimmen, die auf einige Baustellen hinweisen, die sich zu einem ernsten Problem für den US-Autohersteller entwickeln können, wenn der Hype einmal nachlassen sollte.

Die Bewertung von Tesla

Mit einer Marktkapitalisierung von zeitweise 300 Milliarden Dollar (sechs Mal so hoch wie Daimler) stellt Tesla alle anderen Autohersteller weltweit in den Schatten. Obwohl allein Mercedes-Benz in der ersten Hälfte dieses Jahres 935.000 Autos verkaufte im Vergleich zu 179.000 von Tesla. Je weiter der Kurs klettert– allein in den vergangenen zwölf Monaten hat er um 500 Prozent zugelegt –, desto größer werden die Zweifel, ob diese Bewertung gerechtfertigt ist. NordLB-Analyst Frank Schwope hält die aktuelle Marktkapitalisierung für zu hoch und erwartet Rückschläge.

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Unter den durchweg optimistischen Analysten finden sich wenige Vorsichtige. Die US-Bank Morgan Stanley zählt dazu. Die Experten erwarten, dass Tesla kurzfristig wegen Nachfrage- und Preisrisiken, seinem Kapitalbedarf sowie im Wettbewerb mit anderen Tech-Firmen in Schwierigkeiten kommen könnte. Langfristig belasteten den Autohersteller vor allem die schwierige Beziehung zwischen den USA und China.

Die Qualität von Tesla

Qualitätsmängel waren schon immer ein Thema bei Tesla und ein Grund für die etablierten Autobauer, sich über den US-Konkurrenten lustig zu machen. Dabei ging es nicht nur um unsaubere Spaltmaße und Lackschäden, sondern mitunter um kuriose Verwechslungen in der Fertigung des Interieurs oder schlechte Verarbeitung. In einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens J.D. Power zur Neuwagen-Qualität für die USA kam Tesla nur auf den letzten Platz. Dabei bemängelten Kunden nicht Software oder Fahrleistung, sondern Fehler an der Hardware. Bei den etablierten Autoherstellern ist es meist umgekehrt.

Service bei Tesla

Tesla betreibt in Deutschland neun Service-Center, sechs weitere sollen der Website zufolge hinzukommen. Ein so dünnes Werkstatt-Netz ist für etablierte Autohersteller undenkbar. Tesla wirbt damit, dass Kunden dank der Ferndiagnose per App und der Unterstützung durchmobile Service-Techniker „kaum jemals ein Service Center besuchen müssen“. Versprochen wird eine „schnelle Abwicklung ohne Verzögerungen“.

Die Praxis sieht indes anders aus. Berichte, in denen Tesla-Kunden über monatelange Wartezeiten und ebenso lange Werkstattaufenthalte klagen, häufen sich. Je erfolgreicher der Hersteller ist, desto größer könnte das Service-Problem werden. Gerade im Premium-Segment– das Model S kostet mit guter Ausstattung mehr als 100.000 Euro – strapaziert Tesla hier die Loyalität seiner Kundschaft.

Portfolio und Flotten von Tesla

Bei den verkauften Stückzahlen und der Modellpalette reiht sich Tesla noch weit hinter den klassischen Autoherstellern ein. Mit vier verschiedenen Modellen (S,3, X und Y) mag Teslafür seine Fan-Gemeinde „S3XY“ genug sein. Doch in einem wichtigen Segment tut sich der Autobauer schwer: bei gewerblichen und Flotten-Kunden.

„Tesla hatte im ersten Halbjahr 2020 einen Marktanteil von 0,6 Prozent am gesamten Flottengeschäft“ sagte ein Sprecher des Marktforschers Dataforce. „Wobei sie derzeit auch nicht in allen Segmenten vertreten sind.“ 2019 wurden hierzulande 900.000 Flottenfahrzeuge neu zugelassen. Insgesamt entfallen auf den gewerblichen Bereich rund 60 Prozent aller Neuwagenzulassungen.

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Vor allem im Klein- und Kompaktwagensegment hat Tesla kein Angebot. Im Dienstwagenmarkt dominieren BMW, Mercedes und Audi, zunehmend auch mit Hybrid-Fahrzeugen. Tesla kann hier trotz hoher Reichweite und einem ausgebauten Netz von Schnellladepunkten nicht konkurrieren. Auch im stark wachsenden SUV-Segment kommt Tesla mit dem Model X nur auf einen Flottenmarktanteil von 1,1 Prozent.

Innovation bei Tesla

Mit seiner zentralen Rechnerfunktion hat Tesla beim Thema Software zweifellos Maßstäbe in der Branche gesetzt. Herausragend ist auch die Position bei Assistenzsystemen, autonomen Fahrfunktionen und Reichweite. Doch insgesamt schneiden die Kalifornier bei den Innovationen nur durchschnittlich ab. Das zeigten zuletzt auch die „Automotive Innovations Awards 2020“, eine gemeinsame Auszeichnung des Center of Automotive Management (CAM) und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Hinter VW, BMW, Daimler, Ford und Hyundai liegt Tesla nur auf Rang sechs.

In der Breite der automobilen Erfindungen schlagen sich die deutschen OEMs also nach wie vor gut. Zugleich sind alle deutschen Premiumhersteller dabei, „Tesla-Fighter“ auf den Markt zu bringen. Mercedes etwa bringt nächstes Jahr den EQS mit einer Reichweite von 700 Kilometern heraus, das elektrische Pendant zur Nobellimousine S-Klasse.

Anders als Tesla stecken die klassischen Hersteller allerdings in einer teuren technologischen Transformation. Daimler wird heute ebenfalls seinen Quartalsberichtvorlegen und Details zum Geschäftsverlauf erläutern. Bereits bekannt gegeben hatte der Konzern unter anderem, dass in den Monaten April, Mai und Juni ein Verlust von 1,7 Milliarden Euro entstanden ist.

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