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Berliner Rede. Elinor Ostrom, hier bei ihrem Vortrag in dieser Woche an der Technischen Universität.

© dpa

Elinor Ostrom: "Kleine Gruppe, großes Vertrauen"

"Ich werde ganz rasend, wenn ich mir vorstelle, dass wir nicht sofort handeln." Elinor Ostrom, Trägerin des Wirtschaftsnobelpreises 2009, spricht im Interview über den lokalen und globalen Klimaschutz.

Frau Ostrom, Sie haben sich mit dem Phänomen beschäftigt, dass einzelne Individuen auf Kosten aller öffentliche Güter über Gebühr benutzen. Sie haben mit Ihren Forschungen bewiesen, dass das oft gar kein Drama ist. Was bedeutet das?

Es gibt viel mehr Beispiele für eine nachhaltige und auf sehr lange Zeit gelungene Gemeinschaftsnutzung von Gütern als gegenteilige Beispiele. Meine Fallstudien über die Gemeinschaftsnutzung von Viehweiden, Bewässerungssystemen oder Fischgründen zum Beispiel zeigen das genauso wie die Arbeiten von Geologen, Historikern und Ethnologen. Was allen gelungenen Nutzungskonzepten gemein ist, sind einige Grundprinzipien: Die Regeln für die Bewirtschaftung der Gemeinschaftsgüter müssen von allen Beteiligten gemeinsam bestimmt werden, sie müssen klar sein, sie müssen überwacht werden und Verstöße müssen schnell geahndet werden. Dabei können die Strafen durchaus mild sein.

Sie haben in dieser Woche an der Technischen Universität Berlin vor 1300 Interessierten eine Vorlesung über das Thema Klima gehalten. Was können wir von Ihnen über die Bewirtschaftung unserer gemeinsamen Atmosphäre lernen?

Mein Hauptargument ist, dass wir nicht auf eine globale Lösung warten sollten und es auch nicht können. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, um den Klimawandel zu bekämpfen. Viele davon sind lokal oder regional. Der Emissionshandel in der EU ist ein sehr wichtiger regionaler Ansatz. Wir müssen auf der lokalen Ebene konkrete Handlungsmöglichkeiten erproben. Denn wenn wir tatsächlich irgendwann ein globales Klimaabkommen bekommen, aber keinerlei experimentelle Erfahrungen mit dem Klimaschutz haben, dann wird uns das auch nicht mehr helfen. Viele Städte zeigen ganz konkret, wie es gehen kann. Wenn es Radwege gibt, nutzen mehr Menschen das Fahrrad, sind deshalb gesünder und lassen ihr Auto stehen. Das nützt auch dem Klima.

Aber ist es nicht so, dass der Einzelne immer zuerst an sich selbst denkt?

Das wird immer erwartet, wenn es um Gemeinschaftsgüter geht. Meine Erfahrung ist, dass es gelingen kann, das zu verhindern, wenn es Vertrauen gibt. In kleineren Strukturen ist es möglich, dieses Vertrauen zu bilden. Auf globaler Ebene ist das viel schwerer. Aber es gibt inzwischen genug lokale Gruppen, die sich selbst organisieren und beginnen, sich global zu vernetzen. Innerhalb eines solchen Netzwerks kann wiederum Vertrauen gebildet werden. Es gibt auch für Entwicklungsländer viele wirkungsvolle Ideen. Wenn ich nur an die Kochherde denke, die viel Holzkohle verbrauchen. Die sind mit ihrem Ruß und Rauch furchtbar für die Gesundheit der Frauen. Wenn man afrikanischen Firmen hilft, effiziente Öfen zu entwickeln, dann hat man gleich zwei Dinge erreicht: Klimaschutz und gesunde Luft.

Sehen Sie Anzeichen, dass das passiert?

Ich bin relativ hoffnungsvoll. Aber ich werde ganz rasend, wenn ich mir vorstelle, dass wir nicht sofort handeln. Es geht um eine Verminderung der Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben.

Wenn Ihre Strategie ist, viele kleine Ansätze zu verknüpfen, dann müssten Sie doch mit dem Ausgang des Klimagipfels in Kopenhagen zufrieden sein. In der Kopenhagen-Vereinbarung werden die Handlungsangebote aller Willigen gesammelt …

Die Kopenhagen-Erklärung ist nicht mehr als Papier. Aber ich sehe weltweit richtige Experimente, die wirklich stattfinden. In den Städten, in den Regionen in den USA und Europa.

Wie lässt sich global das Vertrauen bilden, das Sie im Kleinen beschreiben?

Auf regionaler Ebene gelingt uns das ja. Mehr als 1000 Städte in den USA und Europa haben sich verpflichtet, grün zu werden. Ich bin deshalb dafür, diesen Menschen und ihren Netzwerken erst einmal zu vertrauen.

Wenn es gelingt, diese lokalen Lösungen zu einem Ganzen zu verbinden. Sehen Sie die US-Regierung dann auch ein globales Abkommen schließen?

Präsident Barack Obama ist sich des Problems sehr bewusst und besorgt. Deshalb halte ich es durchaus für möglich, dass diese Regierung so unter Druck gesetzt werden kann, dass sie diesen Schritt geht.

Obama schon, aber was ist mit den Amerikanern?

Ich sehe einen langsamen Wandel. Auch in den USA gibt es inzwischen zumindest regional einen Emissionshandel im Nordosten der USA. Außerdem können Städte und Bürger ganz einfach Geld sparen, wenn sie Energie nicht mehr verschleudern. Und in Berkley beispielsweise gibt es ein Darlehensprogramm, das Hausbesitzern dabei hilft, ihre Häuser zu isolieren. Und Städte, die keine neuen Kraftwerke bauen müssen, sparen dabei Geld. Es lohnt sich also.

Hat das Programm die Finanzkrise überlebt?

Ja, das hat es. Zumal die Stadt auf längere Sicht viel Geld spart.

Meistens reicht das als Motivation ja nicht aus, oder?

Stimmt, aber wir arbeiten daran.

Das Interview führte Dagmar Dehmer

ZUR PERSON

DIE FORSCHERIN

Die US-Amerikanerin Elinor Ostrom (76) war die erste Frau, die mit einem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnet wurde. 2009 erhielt sie ihn gemeinsam mit ihrem Landsmann Oliver Williamson. Ostrom gilt als Expertin für die Frage, wie knappe Güter verwaltet werden können, ohne dass es zu negativen ökonomischen und ökologischen Folgen kommt. Sie lehrt Politikwissenschaften an der Indiana University in Bloomington.

DIE PRIVATPERSON

Ostrom gilt unter Forscherkollegen als äußerst bescheidene und gewissenhafte Arbeiterin. Auch ihr Mann, Vincent Ostrom, ist Wissenschaftler.

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