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So sieht das aus. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, präsentiert eine App zum Start der „Elektronischen Gesundheitsakte“.

© Wolfgang Kumm/dpa

Elektronische Patientenakte: Umstrittene Datenweitergabe

Kassen sollen allen Versicherten eine elektronische Gesundheitsakte anbieten. Kritiker haben Zweifel. Am Montag findet dazu im Tagesspiegel eine Publikumsveranstaltung statt.

Die elektronische Patientenakte, die die Krankenkassen bis 2021 allen Versicherten anbieten sollen, ist heftig umstritten. Während Krankenkassen einen zu hohen Zeitdruck kritisieren und vor einem Desaster bei der Einführung warnen, nehmen Ärztevertreter das ehrgeizige Projekt in Schutz. „Es ist gut, dass es nun endlich losgeht“, sagt Peter Bobbert vom Bundesvorstand des Marburger Bundes (MB), der Gewerkschaft für Krankenhausärzte.

Denn bisher hätten Ärzte vielfach noch nicht die Möglichkeit, gesundheitsrelevante Daten wie Diagnosen, Behandlungsabläufe und Therapien unverzüglich digital abzurufen. Das könne sich nun ändern. „Durch eine gleichermaßen sichere und praktikable elektronische Patientenakte könnten alle wichtigen Informationen schneller zur Verfügung stehen und Kommunikationsbrüche vermieden werden.“

Bobbert rät deshalb seinen Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklung mitzugestalten, statt wie bisher auf der Bremse zu stehen. Der Marburger Bund hat dazu bereits Ende Februar ein Positionspapier beschlossen, in dem er fordert, dass der Patient Herr über seine Daten bleibt: „Informationen über Behandlungen, Medikamenteneinnahmen, genetische Dispositionen und andere gesundheitsrelevante Sachverhalte sind hoch sensible persönliche Daten, die umfassend vor Fremdzugriffen geschützt werden müssen.“

Hier sieht auch MB-Bundesvorstandsmitglied Bobbert „durchaus berechtigte Sorgen in der Ärzteschaft und auch bei Patienten, dass die elektronische Patientenakte nicht die unbedingt notwendige Datensicherheit bietet.“ Denn natürlich wecken solche umfassenden Datenschätze auch Begehrlichkeiten, zum Beispiel für die medizinische Forschung. Zuletzt hatte Till Osswald, Senior Industry Solution Executive Director für den Bereich Digitales Gesundheitswesen bei Microsoft Deutschland, darauf hingewiesen, dass andere Länder bei der Nutzung von anonymisierten Patientendaten für die medizinische Forschung weiter seien als Deutschland.

Marburger Bund fordert Verbot der Datenweitergabe

In den USA habe der Staat Geld investiert, um die Arbeit mit Patientendaten im Rahmen eines „meaningful use“ – also eines „sinnvollen Einsatzes“ – zu fördern, ebenso wie die britische Regierung, die die Forschung mit Daten aus dem öffentlichen Gesundheitssystem NHS unterstützt. „Auch für Deutschland wäre es wünschenswert, wenn hier Staat und Krankenkassen den Aufbau einer Struktur solcher Provider finanziell förderten“, sagte Osswald. Der Marburger Bund sieht das kritisch: „Allein der Patient darf am Ende entscheiden, wer Zugriff auf seine Daten in der Akte hat“, sagt Peter Bobbert. Für den Patienten müsse jederzeit ersichtlich sein, wer Einblick auf welchen Teil seiner Daten hat.

In seinem Positionspapier fordert der Marburger Bund zudem, dass die Krankenkassen einem Verwendungs- und Weitergabeverbot der Patientendaten unterliegen.

„Gesetzliche und private Krankenversicherungen dürfen weder heute noch in Zukunft von ihren Versicherten verlangen oder ihre Versicherten dazu animieren, Krankheitsdaten preiszugeben, indem sie beispielsweise als Gegenleistung finanzielle Vorteile versprechen.“ Bobbert geht noch einen Schritt weiter und fragt, ob es richtig sei, dass ausschließlich Krankenkassen die elektronische Patientenakte anbieten können. „Wenn Daten so sensibel und schutzbedürftig sind wie die von Patienten, sollte es vielleicht sogar staatliche Aufgabe sein, die elektronische Patientenakte zu organisieren, wie wir es von elektronischen Ausweisdokumenten schon kennen.“

Die elektronische Patientenakte ist auch das Thema des „Forum Wissen & Gesundheit“ des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Marburger Bundes gemeinsam mit dem Tagesspiegel am 29. April um 19 Uhr im Tagesspiegel-Haus, Askanischer Platz 3. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Besucher können sich unter www.marburger-bund.de/berlinbrandenburg anmelden.

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