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Die Batteriezelle ist ein Hight-Tech-Produkt, in das nicht nur Zellchemie einfließt. Werkstoff-Know-how sowie Prozess- und Produktionsexpertise sind erforderlich. Mehr als 50 Produktionsschritte stecken in einer Lithium-Ionen-Zelle.

© Foto: Arno Burgi/dpa

Elektromobilität: Zaudern bei der Zelle

Die Batterie ist Kern des Elektroautos – doch deutschen Konzernen fehlen noch immer die zentralen Teile der Wertschöpfung. Jetzt stehen Produktionsentscheidungen an.

Was soll nur werden, wenn Matthias Machnig nicht mehr da ist? In der Wirtschaft, aber auch im CDU-geführten Forschungsministerium blickt man mit Sorge auf die kommenden Jahre ohne den industriepolitischen Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Der SPD-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium hat sich kräftig engagiert für eine Fertigung von Batteriezellen hierzulande. Aber nicht nur Machnig. Die Politik will unbedingt, wozu sich die Wirtschaft (noch) nicht in der Lage sieht: Die komplette Wertschöpfungskette der Autoproduktion auch in der elektrischen Epoche im Land halten. Dazu bedarf es der Batterie. Und der wichtigste Bestandteil der Batterie ist die Zelle. Alle großen Zellhersteller kommen aber aus Asien. Und künftig aus Nevada, wo Tesla und Panasonic eine sogenannte Gigafactory für fünf Milliarden Dollar bauen.

In Nordschweden entsteht ein Werk

Auch in Europa tut sich etwas: Im Norden Schwedens will das Konsortium Northvolt mit zwei ehemaligen Tesla-Managern an der Spitze 2018 mit dem Bau einer Zellenfabrik für vier Milliarden Euro beginnen. Wenn die Schweden das Geld zusammenbekommen und alles nach Plan läuft, dann könnte dort in sechs oder sieben Jahren eine Fabrik mit einer Kapazität von 32 Gigawattstunden (GWh) stehen. Das ist annähernd so groß wie Tesla in Nevada und reicht für die Batterien von gut 600 000 Autos.

In Polen und Ungarn wird gebaut

In Polen nimmt die koreanische LG Chem auch 2018 eine Fertigung in Betrieb, und Samsung baut in Ungarn. Ebenfalls in Ungarn plant die südkoreanische SK Innovation ein  Werk, das auch Zellen für Mercedes liefert. Und was ist mit Deutschland? Das Autoland schlechthin (VW, Audi und Porsche, Mercedes und BMW, dazu Fabriken von Opel und Ford, und mit Bosch und Conti die größten Autozulieferer der Welt) hat keine Zellenfertigung, obwohl die Politik in den vergangenen zehn Jahren ein paar hundert Millionen Euro in die Batterieforschung gesteckt hat und auch eine Fertigung mit viel Geld fördern will. „Die Zelle und die Batterie sind der Motor von morgen“, sagt Wirtschaftsstaatsekretär Machnig. Für ihn ist es „unvorstellbar“, dass dieser Motor nicht in Deutschland gebaut wird.

SK waren die Genehmigungszeiten zu lang

Beinahe hätte es mit SK  Innovation in Frankfurt an der Oder geklappt. Im Osten Deutschlands, an der Grenze zu Polen, sind hohe Fördersätze möglich. Doch die Koreaner entschieden sich dann für Ungarn, weil dort die Genehmigungszeiten für eine Investition in dieser Größenordnung unschlagbar sind: In zwei Monaten wollen die Ungarn alles durchgewunken haben, hierzulande ziehen sich die diversen Behörden- und Beteiligungsverfahren über zwei Jahre. Das hat, so hört man in der Berliner Politik, SK abgeschreckt, und nicht die Kosten in Deutschland.

Terra E präferiert Sachsen

Terra E stört weder das eine noch das andere. Das Konsortium besteht derzeit aus 18 Unternehmen aus allen möglichen Bereichen: Thyssen-Krupp, Manz und M+W sind dabei, weil sie als Maschinen- und Anlagenbauer über Prozesskompetenz verfügen und endlich auch eine Zellenfabrik in Deutschland bauen wollen. Der Zellenverarbeiter BMZ ist dabei und die erfolgreiche Post-Tochter Streetscooter, die für ihre elektrischen Transporter Batterien braucht. Und eben Zellen.

Terra E plant den Aufbau einer Großserienfertigung von Lithium-Ionen-Zellen „an zunächst zwei Standorten in Deutschland mit einer Kapazität von 34 GWh bis 2028“. Das ist eine Menge – und reicht dennoch nur für gut 650 000 Autos. Allein VW will jedoch 2025 bis zu drei Millionen Elektroautos auf die Straße bringen, und es ist derzeit überhaupt nicht erkennbar, woher der Konzern die erforderlichen Zellen bekommt. Wie überhaupt die Hersteller sich bei dem Thema seit Jahren erstaunlich zurückhalten.

Daimler ist ein Problem

Vor wenigen Wochen, beim sogenannten EU-Batteriegipfel, wiederholte der Daimler-Vertreter in Brüssel die bekannte Haltung des Premiumherstellers: Zellen sind so wie andere Komponenten zu betrachten. Man kauft sie ein und ist an Qualität und günstigen Preisen interessiert. Woher die Zellen kommen, ist irrelevant. Und eine eigene Produktion kommt für Daimler-Chef Dieter Zetsche überhaupt nicht in Betracht. Das ärgert die Politik. „Das Know-how zur Batteriezelle ist ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette und kann nicht ausgelagert oder zugekauft werden, wenn man Premiumhersteller bleiben möchte“, meint Machnig im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die meisten EU-Länder, Unternehmen aus dem Zuliefer- und Chemiebereich sowie die Autohersteller hätten das inzwischen erkannt. „Leider noch nicht alle“, sagt Machnig mit Blick auf Daimler.

BMW ist aufgeschlossener und kommt auch als Partner von Terra E in Betracht. VW wird bis 2025 gigantische 50 Milliarden Euro für die Batterie mit allem Drum und Dran ausgeben, und dazu gehört im Kern die Zelle. Denkbar ist folgendes Modell: Ein Drittel des Zellenbedarfs – den die Wolfsburger 2025 zwischen 150 und 200 GWh veranschlagen – kaufen sie zu. Ein Drittel produzieren sie in Joint-Ventures, und ein Drittel machen sie selbst. Und zwar deshalb, um die komplexe Technologie im eigenen Haus zu haben.

Bosch zaudert immer noch

Fast schon tragische Züge nimmt der Umgang des weltgrößten Autozulieferers mit dem Thema an. Bosch will seit Jahren in die Zellproduktion einsteigen – aber nicht mehr in die geläufige Lithium-Ionen-Technologie, sondern in die nächste Generation mit Festkörperzellen. Die ist aber noch immer nicht in Sicht, und so hadert und zaudert Bosch-Chef Volkmar Denner. Der milliardenteure Ausflug in die Solartechnologie steckt den Stuttgartern in den Knochen und lässt sie zurückschrecken vor dem zweifellos extrem teuren Aufbau einer Batteriezellenfertigung.

Es ist auch völlig offen, woher Terra E die erforderlichen Milliarden bekommen will. Gerade gegründet wurde eine Ingenieursgesellschaft, um die Planungsarbeiten für die künftige Produktion in Angriff zu nehmen. Mit Sitz in Dresden. Das kommt nicht von ungefähr, denn Sachsen ist der Favorit für eine Fabrik. Fördermittel von bis zu 30 Prozent hat der Freistaat in Aussicht gestellt. Mit ähnlichen Summen locken aber auch die Wirtschaftsförderer in Brandenburg und Bayern.

Wer steigt als Investor ein?

Alle miteinander hoffen sie auf einen Zellenstandort mit mindestens 1000 Arbeitsplätzen. Der wird aber trotz staatlicher Hilfen nur dann realisiert werden, wenn noch ein potenter Geldgeber bei Terra E einsteigt – das könnte ein Finanzinvestor sein oder ein strategischer Investor. Vielleicht Continental oder BMW. Oder CATL, die für VW und BMW Zellen liefern. Die chinesische Contemporary Amperex Technology Limited (CATL) würde zu gerne in Deutschland Zellen bauen und hat hier und da schon sondiert. In Sorge sind die Chinesen wegen der Produktionskosten – vor allem die Energie ist hierzulande teuer. Doch da wird die Politik schon eine Lösung finden. Ob mit einem SPD-geführten Wirtschaftsministerium oder demnächst mit Jamaika.

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