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Die BMW-Speicherfarm. In seinem Leipziger Werk nutzt der Autobauer bis zu 700 komplette BMW i3 Hochvoltspeicher als Stromspeicher und -puffer.

© Hendrik Schmidt/dpa

Elektroautos als Energiespeicher: BMW will ins Stromnetz

Die Akkus von E-Autos sollen nach Vorstellung von BMW nicht nur fürs Fahren genutzt werden. Sie sollen auch überschüssigen Strom zwischenspeichern.

Es ist ruhiger geworden um die Elektromobilität von BMW. Dabei hat der Hersteller im vergangenen Jahr mehr als 142.000 vollelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride verkauft. Schon 2007 starteten die Münchener ihr "Project i" genanntes Elektrifizierungsprogramm. Heute bezeichnet sich BMW als Nummer eins bei elektrifizierten Fahrzeugen in Europa und in Deutschland. Bis 2025 will BMW ein Viertel seines Absatzes mit elektrifizierten Fahrzeugen bestreiten, die Hälfte davon reine Elektroautos.

Wie seine Wettbewerber stellt aber auch BMW fest, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man nur Autos baute. „Wir haben früh erkannt, dass wir uns als Hersteller nicht nur mit dem Elektroauto allein beschäftigen können, sondern den Bogen weiter spannen müssen“, sagt Joachim Kolling, Leiter der Geschäftseinheit Energy Systems, im Gespräch mit Tagesspiegel Background. „Der Energiemarkt bietet eine sehr interessante Perspektive für die Autobranche, weil sich beide Sektoren aufeinander zubewegen.“ Die Verknüpfung der erneuerbaren Energien mit der Elektromobilität sei der „nächste, konsequente Schritt, die Elektromobilität nicht nur lokal, sondern komplett emissionsfrei zu gestalten“, so Kolling.

Batterien als Puffer für volatile Stromproduktion

BMW setzt bei den Batterien in E-Autos an, die künftig nicht nur ein großer Verbraucher von Strom, sondern auch als Stromspeicher einsetzbar sein werden – wenn eine kritische Masse auf dem Markt ist. Die Elektro-Flotte könnte zum Beispiel überschüssig produzierten Wind- oder Sonnenstrom aufnehmen und diesen wieder marktgerecht ins Netz abgeben, wenn nicht genug produziert wird. Davon sollen alle etwas haben, nicht nur die eigenen Kunden.

Das intelligente Zusammenspiel von Erzeugung, Nutzung und Speicherung von Strom – BMW spricht vom vernetzten „Power Pool“ – habe positive Wirkungen auf den Stromsektor insgesamt. „Wir glauben, dass wir die Volatilität bei der Stromerzeugung mit Wind oder Sonne durch das Mobilitätsverhalten unserer Kunden ein Stück weit ausgleichen können“, sagt Joachim Kolling.

In den USA erprobt der Autobauer das Konzept mit dem Projekt „Charge Forward“. „Wir zeigen dort, wie rechnergestützt über die BMW-Cloud sichergestellt wird, dass der Kunde zu optimalen Zeiten sein Auto lädt“, sagt BMW i-Produktmanager Andreas Aumann. „Das trägt zur Netzstabilität und Vermeidung von Spitzenlasten bei.“

Leipziger „Speicherfarm“ mit ausgedienten i3-Akkus

Ein anderes Experiment mit stationären Speichern läuft in Leipzig, wo BMW den i3 baut. In einer „Speicherfarm“ werden seit 2017 bis zu 700 ausgediente i3-Batterien in einem Kraftwerk gebündelt, um überschüssigen Windstrom zu puffern und bei Bedarf ins Netz abzugeben. „Wir sind seit Januar 2018 am Markt und die Anlage erwirtschaftet mit der Vermarktung von Primärregelleistung genauso viel Geld, wie wir erwartet haben“, sagt Joachim Kolling. Zahlen nennt er nicht. 

BMW steht mit seinem Vorstoß auf den Energiemarkt im Wettbewerb. Audi testet eine Kombination von Photovoltaik-Anlage, Speicher, Wallbox für Elektroautos und Heizung. Mit gut 70 Unternehmen arbeitet die VW-Tochter in der „EEBUS-Initiative“ an einer „intelligenten Heimintegration von E-Autos“. Kunden, die einen Audi e-tron kaufen, können ihre Geräte über ein Heimenergie-Managementsystem vernetzen. Volkswagen bietet über die Tochter Elli einen eigenen Stromtarif an. Opel und Renault forschen ebenfalls am Stromnetz der Zukunft. Mercedes ist mit Heimspeichern und Wallboxes in Kooperation mit dem Energiedienstleister The Mobility House am Markt. Auch Nissan arbeitet mit The Mobility House und RWE zusammen. Ein Nissan Leaf wurde 2018 wie ein Kraftwerk für den deutschen Energiemarkt zugelassen. 

Die Japaner haben den Vorteil, dass ihr Ladestandard CHAdeMO bidirektionales Laden ermöglicht – also den Stromfluss in beide Richtungen. Der europäische CCS-Standard ist dazu bislang nicht in der Lage. Ohne eine Rückspeisefähigkeit ist auch das BMW-Modell noch nicht marktfähig. „Wir arbeiten daran. Technologisch haben wir das Thema im Griff“, versichert BMW-Manager Kolling. „Das Software-Update und die technische Absicherung sind in Erprobungsfahrzeugen im Einsatz.“

Lastenmanagement für Flottenkunden

Bereits rund 4000 Kunden hat BMW in einem Joint Venture mit dem Heizungshersteller Viessmann für das Leasing von Ladeinfrastruktur gewonnen. Hier arbeitet man mit der Flottenmanagement-Tochter Alphabet zusammen. „Schon bei drei Säulen ist bei mittelständischen Kunden eine intelligente Steuerung der Ladevorgänge sinnvoll. Wir bieten Flottenkunden deshalb ein Produkt zum Lastmanagement an, das Ladepunkte im gewerblichen Bereich steuert“, erklärt Kolling. Einsetzbar sei das Produkt aber auch für das Laden am Arbeitsplatz. „Hier setzen wir uns für eine stärkere staatliche Förderung ein.“

Ein eigenes Stromlabel schließt BMW nicht aus. „Wir legen zunächst mehr Wert auf das Marktdesign und würden dann auch eher Kooperationen eingehen“, sagt Kolling. „Technisch können wir Stromverträge anbieten. Wir sprechen gerade mit möglichen Partnern darüber.“ Perspektivisch will man Kunden, die Energie ins Netz einspeisen, den Strom kostenlos anbieten. „Fahrstrom umsonst – das ist unsere Vision.“ 

Strom günstiger als Benzin und Diesel

Kolling zufolge hat BMW nicht unbedingt ein Interesse daran, die Profitabilität des Elektrofahrzeugs durch das Energiemanagement zu verbessern. „Das wäre zu kurz gesprungen. Wir wollen vielmehr unseren Kunden garantieren, dass sie 100 Prozent nachhaltig produzierten Strom für ihre E-Autos erhalten“, sagt Kolling. „Und dass dieser Strom eher günstiger ist als heute Benzin oder Diesel. Am Ende müssen die Total Costs of Ownership für den Kunden attraktiv sein.“

BMW sieht sich dabei nicht als künftiger Energiedienstleister oder -erzeuger. Das überlasse man anderen, heißt es. Aber der Autobauer sieht die Zeit gekommen, um über den konkreten Rahmen für die Sektorkopplung zu sprechen. „Es wäre gut, wenn Autohersteller und Übertragungsnetzbetreiber mehr und frühzeitig über Geschäftsmodelle nachdenken würden“, sagt Joachim Kolling. „Wir müssen uns jetzt mit den geschäftlichen und regulatorischen Fragen bei der Zusammenführung von Stromerzeugung und Mobilität beschäftigen, wenn Elektromobilität das ,new normal‘ werden soll.“

Dieser Artikel stammt vom Tagesspiegel Background. Das Team veröffentlicht täglich Newsletter mit höchster Relevanz für Top-Entscheider, Kommunikationsprofis und Fachexperten. Hier können Sie die Newsletter vom Tagesspiegel Background abonnieren.

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