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In Berlin liegt die Wohneigentumsquote nur bei 18 Prozent.

© Robert Kneschke - stock.adobe.com

Eine Alternative zum Mietendeckel?: Sozialen Wohnungsbau abschaffen!

Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt. Ein Grund: Die geringe Wohneigentumsquote. Das belegt eine Studie - und schlägt drei Maßnahmen vor.

Dass seine Vorschläge nicht so bald umgesetzt werden, ist Leo Kaas durchaus bewusst. „Die Szenarien sind natürlich eher grundsätzlicher Natur, als dass sie politisch kurzfristig realistisch sind“, gibt der Wirtschaftsprofessor der Goethe Universität Frankfurt zu. Radikal könnte man seine Vorschläge nennen, manche wären wohl unpopulär bei Linken, andere bei Rechten. Doch sie würden nach Kaas Auffassung zu einem Ziel führen, das beiden Gruppen gefallen dürfte: die gleichmäßigere Verteilung von Vermögen in Deutschland. Der Schlüssel, den er dazu gefunden hat, ist Wohneigentum.

Es gibt zahlreiche Daten, die Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt ausweisen. Nur drei Länder haben weltweit ein höheres Bruttoinlandsprodukt; das Gesamtvermögen beläuft sich laut aktuellem Global Wealth Report der Credit Suisse auf 13,3 Billionen Euro. Auch damit gehört Deutschland zu den vier reichsten Ländern der Welt.

Doch Vermögen haben nicht alle. Laut der Studie, die Kaas zusammen mit drei Ökonomen der Bundesbank, der TU Dortmund und der TU Wien angefertigt hat, ist das Vermögen in Deutschland so ungleich verteilt wie in keinem anderen Land der Euro-Zone. „Der Gini-Koeffizient (der die ungleiche Verteilung eines Werts bestimmt – Anm. d. Red.) des Haushaltsnettovermögens nimmt den höchsten Wert innerhalb der Eurozone an“, schreiben die Wissenschaftler. Dass die Mittelschicht in Deutschland vergleichsweise wenig Vermögen hat, belegen auch andere Daten. Ein erwachsener Bundesbürger besitzt laut den Zahlen der Credit Suisse im Median ein Vermögen von 35.313. In Großbritannien hingegen sind es 97.452, in der Schweiz gar 227.891 Dollar. Laut den Credit-Suisse-Zahlen liegt der Wert in 13 der 19 Mitgliedsstaaten der Eurozone höher als in Deutschland.

Deutschland ist Mieterland, Berlin erst recht

Nach den Berechnungen von Kaas und seinen Kollegen ist der Hauptgrund für die ungleiche Verteilung der Vermögen die Tatsache, dass Deutschland ein Mieterland ist. Nur knapp die Hälfte der Menschen hierzulande verfügt über Wohneigentum. In Berlin liegt die Wohneigentumsquote nach Zahlen des IW Köln sogar nur bei 18 Prozent. Kaas’ Studie zeigt: Der Gini-Koeffizient ist immer dort besonders hoch, wo die Wohneigentumsquote gering ist. Das führt dazu, dass auch ärmere Länder wie etwa Griechenland oder Spanien, in denen es üblicher ist ein Haus zu besitzen als zu mieten, eine gleichmäßigere Vermögensverteilung haben.

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Welchen Einfluss das auf die Vermögensbildung hat, zeigen die Zahlen der Studie deutlich. Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum verfügen demnach durchschnittlich über ein Nettovermögen von 423000 Euro; Mieterhaushalte nur über 53.000 Euro. „Der Immobilienboom der letzten Jahre dürfte diesen Unterschied eher noch vergrößert haben“, fügen die Studienautoren an, da sie sich auf Daten der EZB stützen, die nur alle fünf Jahre erhoben werden.

Doch was dagegen tun? Derzeit ist der Zugang zu Wohneigentum mit enormen finanziellen Hürden verbunden. Selbst wenn die monatlichen Raten durch das Gehalt gedeckt werden, sind die meisten jungen Menschen aufgrund der Kaufnebenkosten und der Eigenkapitalanforderungen auf Unterstützung durch die Eltern angewiesen – eine soziale Auslese, die den Zugang zu Vermögen aus eigener Kraft erschwert.

Kaas schlägt deshalb drei Wege vor: Abschaffung der Grunderwerbssteuer, steuerliche Absetzbarkeit von Immobiliendarlehen und die Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus. „In Kombination würden alle drei Anpassungen die Wohneigentumsquote auf 58 Prozent erhöhen“, schreiben die Autoren. Vor allem Haushalte in der Mitte der Vermögensverteilung würden so zu Eigentümern. Zwar würden Haushalte ihre Finanzvermögen zugunsten von Immobilienbesitz reduzieren und sich stärker verschulden, insgesamt stiege jedoch das Nettovermögen der Haushalte um mehr als 11 Prozent an, so die Wissenschaftler.

"Der soziale Wohnungsbau trifft nicht die Richtigen"

In Zeiten, in denen Politiker mehr Sozialwohnungen fordern und steigenden Wohnkosten mit kurzfristigen Maßnahmen wie Deckelungen Herr werden wollen, sind das ungewöhnliche Ideen. Doch Kaas ist überzeugt, dass sie sofort etwas ändern könnten. „Die Grunderwerbssteuer könnte man mit dem entsprechenden politischen Willen recht schnell abschaffen, zumindest für Erstkäufer“, sagt er dem Tagesspiegel. „Die Absetzbarkeit der Zinsen auf Immobiliendarlehen wäre ebenfalls leicht umsetzbar.“

Anders verhält es sich beim sozialen Wohnungsbau, dessen Förderung durch Bund und Länder noch über Jahre festgeschrieben ist. Dennoch ist Kaas von dessen Ineffizienz überzeugt. „Der soziale Wohnungsbau trifft in Deutschland nun mal nicht die Richtigen“, meint er. „In den Daten lässt sich durchaus eine beachtliche Fehlbelegung feststellen, also zahlreiche Mieter in Sozialwohnungen, die eigentlich keiner Förderung bedürfen.“ Das liege daran, dass meist nur ein Mal beim Einzug die Höhe des Einkommens geprüft wird und die Grenze zudem so hoch liegt, dass diese Wohnungen nicht ausschließlich den Ärmsten vorbehalten bleiben. „Besser wäre es, über eine Ausweitung des Wohngeldes oder über Mietkaufmodelle nachzudenken.“ Die aktuelle Politik des Berliner Senats helfe jedenfalls nicht weiter, ist Kaas überzeugt. „Der Mietendeckel führt aus meiner Sicht nur zu einer Verknappung des Angebots.“

Eine Kritik nehmen die Studienautoren gleich vorweg: Nicht jede der drei Maßnahmen würde den Wohlstand insgesamt erhöhen. So würde eine entfallene Grunderwerbssteuer an anderer Stelle zu höheren Steuern führen, die auch untere Einkommensschichten träfen. Die beiden anderen Wege hingegen führen nach den Berechnungen zu Wohlfahrtsgewinnen der gesamten Gesellschaft, sodass alle drei Instrumente in Kombination ebenfalls insgesamt ein Plus ergeben würden. Ein Plus, das wohl noch lange ein theoretisches bleiben wird.

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