zum Hauptinhalt
Bis zu 16 Stunden am Tag sind die Schlachter und Zerleger im Einsatz. Das Gesetz zieht die Höchstgrenze bei zehn Stunden.

© picture alliance/dpa

Ein Gesetz gegen die Fleischwirtschaft: Scharfe Einschnitte

Arbeitsminister Heil legt Entwurf zum Verbot von Werkverträgen und mehr Kontrollen des Arbeitsschutzes vor.

Wenn sogar Betroffene eines Gesetzes die damit einhergehenden Einschränkungen begrüßen, spricht das Bände über die Zustände in der Branche: „Der Verband der Fleischwirtschaft unterstützt das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, das System der Werkverträge abzuschaffen.“ In ihrer „Gesamtheit“ strebe die Industrie „eine Umkehr der bisherigen Praxis an“. Also auch Marktführer Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, wo 1400 Coronafälle den Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Schub gegeben hatten. Parteiübergreifend will die Politik die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie nach mehreren halbherzigen Versuchen jetzt entschlossen verändern. Mit der Generalunternehmerhaftung wurde 2017 das „Messergeld“, mit dem das Werkzeug vom Lohn abgezogen wird, abgeschafft. Nun zahlten viele ein „Matratzengeld" in Sammelunterkünften, wie Uwe Schummer von der Arbeitnehmergruppe der Union sagt. „Der Zeitpunkt ist gekommen, den Missbrauch von Werkverträgen gesetzlich zu unterbinden.“

"Mindestbesichtigungsquote" für Kontrollen

Das Arbeitsministerium hat dazu einen Referentenentwurf vorgelegt, der am nächsten Mittwoch durch das Kabinett gehen soll. Neben dem Verbot der Werkverträge im Kerngeschäft der Fleischindustrie, „also in der Schlachtung und Zerlegung sowie in der Fleischverarbeitung“, sieht Heils Entwurf stärkere Kontrollen des Arbeitsschutzes vor. Seit Jahren seien die von den Arbeitsschutzbehörden durchgeführten Betriebsbesichtigungen rückläufig. Der Arbeitsminister möchte eine „jährliche Mindestbesichtigungsquote“ einführen, „die schrittweise ansteigend im Jahr 2026 ihren Zielwert erreichen soll“, wie es im Entwurf heißt. Und damit die Kontrolle auch kontrolliert wird, schlägt Heil die Einrichtung einer „Bundesfachstelle für Sicherheit und Gesundheit bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ vor. Die Coronakrise habe gezeigt, wie wichtig eine starke Arbeitsschutzaufsicht sei.

630 zusätzliche Stellen geplant

Für die vorgeschlagene Bundesfachstelle kalkuliert das Arbeitsministerium mit jährlichen Kosten von 1,6 Millionen Euro. Deutlich teurer wird es für die Bundesländer, die für den Arbeitsschutz zuständig sind. Sie brauchen 2026 insgesamt 630 zusätzliche Stellen, um die Erfüllung der Mindestquote zu überwachen. Das kostet 37 Millionen Euro.

Zur Legitimation des „Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz“ geht das Ministerium ausführlich auf die Fleischwirtschaft ein. Eine Kontrolle in NRW bei 30 großen Schlachtbetrieben mit 17 000 Beschäftigten habe im vergangenen Jahr rund 8800 Rechtsverstöße offengelegt. Davon betrafen 5900 das Arbeitszeitrecht. „Es wurden Fälle aufgedeckt, in denen Arbeitnehmer 16 Stunden an einem Tage gearbeitet haben.“ Künftig müssen die Betriebe der Fleischwirtschaft eine elektronische Zeiterfassung installieren. Den „einmaligen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft“ schätzt das Ministerium auf 2,4 Millionen Euro. Wenn gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird, kann künftig ein Bußgeld von bis zu 30 000 Euro verhängt werden. Doppelt so viel wie derzeit.

Arbeitgeber beklagen "Staatsinterventionismus"

Schließlich befasst sich der Entwurf auch mit der Wohnsituation der zumeist aus Polen, Rumänien und Bulgarien stammenden Schlachter und Zerleger. Der Arbeitgeber soll verpflichtet werden, „angemessene Gemeinschaftsunterkünfte bereitzustellen“ und das auch zu dokumentieren.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) äußerte Verständnis für eine stärkere Regulierung der Fleischindustrie. „Dass die Politik jetzt aber über diesen Bereich hinaus gehen will, ist nicht zu verstehen.“ Man habe den Eindruck, „dass die Bundesregierung die Corona-Pandemie als Einfallstor für staatliche Regulierungseingriffe missbraucht“. Die BDA warnte vor einer „staatsinterventionistischen Wirtschaft“.

Zur Startseite