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Eine Frau mit Sonnenhut sitzt kaffeetrinkend auf einem schlichten Holzstuhl in einem idyllischen Garten

© Sinnlichtarts - Fotolia

Ein eigener Garten: Wie man erfolgreich zum Kleingärtner wird

Kein schöner Land: Kaffee trinken unter Obstbäumen, sonnen auf der eigenen Wiese: Mit einem Schrebergarten kann man sich auch außerhalb der Ferien wie im Urlaub fühlen. Spießig ist man damit schon lange nicht mehr.

Von Maris Hubschmid

Fast möchte man von Bad Berlin sprechen, wenn man diese Zahlen kennt: 925 Schrebergartensiedlungen gibt es in der Hauptstadt – mit insgesamt 73 500 Parzellen. Geschätzte 250 000 Berliner pilgern regelmäßig an Feiertagen und Wochenenden in ihr Privatparadies mit Seerosenteich und Apfelbaum. „So viel Kleingarten gibt es in keiner anderen Metropole“, sagt Karl-Franz Bothe, Vizepräsident des Landesverbands „Berlin der Gartenfreunde“. Rund vier Prozent der Stadtfläche machen die Anlagen aus. Sie heißen Rehberge, Sonneneck oder Zur Windmühle und sind zunehmend auch jungen Familien ein Zufluchtsort.

WIE MAN AN EINEN GARTEN KOMMT

Noch vor zehn Jahren galt der Kleingarten als Inbegriff der Spießigkeit. „Bio-Boom und Entschleunigung sei Dank entdecken zunehmend auch die hippen Urbanen den Kleingarten für sich“, sagt Norbert Franke, Vorsitzender des Gartenfreunde-Bundesverbands und Sprecher beim Bezirksverband Hellersdorf. Ein Drittel der Neubewerber in Berlin ist unter 30. Der Schrebergarten erlebt eine Renaissance, entsprechend lang sind die Wartelisten. „Es gibt keinen Leerstand“, sagt Berlins Vorsitzender Bothe. In der Hauptstadt seien noch mehr als 11 000 Bewerber unversorgt. Für Interessierte führt der Weg in jedem Fall über den Bezirksverband. Kleingärtner sind rechtlich „Nutzer öffentlichen Grüns“. „Am einfachsten ist es, Interesse, Name und Anschrift über die jeweilige Internetseite kundzutun“, rät Franke. Je offener man seine Wünsche formuliere und je realistischer die Preisvorstellungen seien, desto größer sei die Chance, eine Laube zu bekommen. „Familien mit Kindern werden bevorzugt“, sagt Bothe.

WAS DAS GÄRTNERGLÜCK KOSTET

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung liegt der einmalige Aufwand für die Anschaffung eines Kleingartens zwischen 2000 und 5000 Euro. Der Bezirksverband bestimmt den Wert einer Laube vor jeder Verpachtung neu. Hinzu kommt ein Aufnahmebeitrag des Vereins von etwa 30 Euro. Ohne Vereinsbeitritt geht es nicht. „Auch wenn ein Grundstück von privat angeboten wird, ist ein Verein oder Stadtverband Verpächter“, sagt Bundesvorstand Franke. Der Nutzer geht immer nur einen Unterpachtvertrag ein.

zwei Gartenzwerge, einer trägt ein Reh auf dem Arm
Inbegriff der Spießigkeit. Aber Kleingärtnern ist wieder angesagt.

© picture alliance / ZB

Zudem werden Umlagebeiträge etwa für die Instandhaltung von Wegen und Parkplätzen oder die Abfallentsorgung fällig. Die laufenden Kosten summieren sich so auf etwa 500 Euro im Jahr. Der Pachtpreis von durchschnittlich 36 Cent pro Quadratmeter und Jahr ist in Berlin damit relativ günstig. Noch preiswerter kann gärtnern, wer eine längere Anfahrt in Kauf nimmt. In ländlichen Gebieten Brandenburgs beginnen die Pachtpreise schon bei zwei Cent, sagt Franke. Auch Feuer- und Haftpflichtversicherungen sowie Kosten für Wasser und Strom sollten bedacht werden. Für besonders gepflegte Gärten und Hütten können die Vormieter überdies bis zu 7000 Euro Ablösesumme verlangen. Das Vertragliche regelt der Vereinsvorstand.

KLEINGARTEN VERPFLICHTET

Achtung: Gelegentlich den Rasen mähen und ansonsten die Tage mit einem kühlen Bier in der Hängematte verbringen – so funktioniert das Kleingärtnerdasein nicht. „Wer sich eine Parzelle anschafft, muss sich allerlei Regeln unterwerfen“, weiß man bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Das Bundeskleingartengesetz besagt, dass ein Drittel der Gartenfläche dem Anbau von Obst und Gemüse gewidmet werden muss. Ein Grundstück darf 400 Quadratmeter nicht überschreiten, die Hütte nur einstöckig und nicht größer als 24 Quadratmeter sein. Jeder Um- und Anbau bedarf der Zustimmung des Verpächters. Ausnahme: Kinderspielhäuser sind erlaubt. Hecken müssen auf 1,25 Meter gestutzt werden und 50 Zentimeter Abstand zum Zaun des Nachbarn wahren. Hinzu kommt: Zwei- bis dreimal im Jahr werden alle Gärtner zum Großreinemachen zwangsverpflichtet. „Wer sich drückt, zahlt eine Geldstrafe“, warnt ein Neuköllner Verein. Ob Tiere gehalten oder Gewächshäuser aufgestellt werden dürfen, regelt jede Siedlung selbst. Und das Wichtigste: Ist das Idyll auch noch so anziehend, „dauerhaft wohnen darf man darin nicht“, sagt Berlinvorstand Bothe. Das Installieren von Herd und Ofen, Telefon, Satellitenschüssel oder Toilette ist darum streng verboten. Ab und an mal im Garten übernachten ist aber okay.

Vertreibung aus dem Paradies

Seit dem Jahr 2000 sind in Berlin rund 6000 Gärten verloren gegangen, weil die Grundstücke verkauft und bebaut wurden. „Aktuell gefährden Projekte privater Investoren die Siedlungen ,Famos’ in Pankow, ,Fliederbusch’ in Rudow und ,Oeynhausen’ in Wilmersdorf“, sagt Norbert Franke. Wer lange Freude an seinem Garten haben will, bewirbt sich am besten für eine Anlage, die per Bebauungsplan als Dauerkleingarten oder Dauergrünfläche gesichert ist. Für einige Berliner Kleingartenkolonien wurden Schutzfristen vereinbart. 120 davon laufen 2020 aus, einige bereits 2014. Gekündigt werden muss nach Gesetz für das laufende Jahr immer bis Ende Februar. Bis Ende November haben die Nutzer dann Zeit, das Grundstück zu räumen. „Kommt die Kündigung im März, muss man also erst im November des Folgejahres ausziehen“, sagt Bothe. Bei Anlagen in Privatbesitz ist die Lage weniger eindeutig.. „Auch, was Entschädigungen angeht“, sagt Franke. Über 80 Prozent der Gärten sind aber kommunale Fläche, Entschädigungszahlungen die Regel.

Ein Trost für den, der seinen Garten aufgeben muss: Er findet meist rascher einen neuen als andere. „Die Solidarität unter Kleingärtnern ist groß“, sagt Bothe. „Viele von uns haben schon in der Laube laufen gelernt. Wenn ein Laubenpieper seine Parzelle verliert, tut sich schon irgendwo eine neue für ihn auf.“

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