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Ebay-Deutschlandchef im Interview: "Wir haben gerade die Beta-Phase beendet"

Ebay-Deutschlandchef Eben Sermon über eine neue Plattform für Millenials, das falsche Image hierzulande und den drohenden Verlust von Ebay Kleinanzeigen.

Herr Sermon, Sie haben vor zwei Jahren Ebay-Deutschland übernommen. Welche Besonderheiten gibt es im deutschen Markt?

Einer der ersten deutschen Ausdrücke, die ich gelernt habe, ist „Geiz ist geil“. Tatsächlich achten die Kunden hier stärker auf den Preis als in anderen Ländern. Deswegen sind auch Preisvergleichsseiten wie Idealo in Deutschland so erfolgreich. Von großer Bedeutung sind ebenfalls Versandschnelligkeit und einfache Rückgabemöglichkeiten: 15 Prozent der Artikel werden zurückgeschickt, ein Vielfaches mehr als in den meisten anderen Ländern.

Auch der alte Ebay-Werbespruch „3,2,1,Meins“ hat sich stark eingeprägt. Wie sehr wirkt das Auktions-Image heute noch nach?

Ich mag das Auktionsformat und bin stolz auf das „3,2,1,Meins“-Erbe. Die gebrauchten Artikel von Privatpersonen werden auch immer noch zu etwa zwei Dritteln über Auktionen verkauft. Private Verkäufer tragen mit ihren Artikeln zu der Einzigartigkeit unseres Angebots bei, das will ich nicht verlieren. Allerdings stellt uns das manchmal vor Herausforderungen in der Kommunikation, denn es herrscht immer noch bei vielen Verbrauchern die Annahme vor, dass die Mehrzahl der Artikel bei Ebay gebraucht sind, dabei sind inzwischen 80 Prozent Neuware.

Wie wollen sie das ändern?

Man kann viel Geld für entsprechende Werbung ausgeben, das haben wir auch schon getan. Wir versuchen aber nun vor allem, neuen Kunden Anreize zu bieten, Ebay einfach einmal auszuprobieren und sich selbst ein Bild zu machen.

Als Ebay gestartet ist, waren viele Millenials gerade erst geboren, kennen und nutzen die Ebay noch?

Unsere am schnellsten wachsende Kundengruppe sind die Millenials, wir konnten im letzten Jahr hunderttausende von ihnen für Ebay gewinnen. Aber generell ist es so, dass wir im Durchschnitt noch mehr männliche Käufer über 45 Jahre haben. Diese nutzen Ebay vor allem klassisch am Rechner über die Stichwortsuche. Um mehr jüngere und weibliche Nutzer zu gewinnen haben wir beispielsweise vor einem halben Jahr Catch gestartet, eine mobil-optimierte Shoppingseite speziell für diese Zielgruppe, die sich gern inspirieren lässt.

Wie ist die Resonanz? 

Wir haben kontinuierlich neue Funktionen hinzugefügt und gerade die Beta-Phase beendet. Unsere erste Zwischenbilanz ist positiv, natürlich sind die Nutzungszahlen im Vergleich zu Ebay noch klein, aber wir sprechen tatsächlich andere Kunden an, besonders junge Modekäufer.

Wie wählen sie aus, welche Artikel auf Catch angeboten werden?

Bei Ebay finden sich weltweit eine Milliarde Artikel, bei Catch sind davon derzeit etwa 44 Millionen sichtbar. Diese sind verschiedenen Themenwelten zugeordnet. Es sind vor allem preisgünstige Artikel, die zur Zielgruppe der Millennials passen.

Ursprünglich sollte sogar keiner mehr als 20 Euro kosten, jetzt gibt es aber auch Angebote für 79 Euro. Warum?

Der Durchschnittspreis liegt deutlich unter 20 Euro, doch in bestimmten Bereichen, wie beispielsweise Unterhaltungselektronik, ist solch eine strikte Grenze nicht sinnvoll, da haben wir sie erhöht und trotzdem bekommt man natürlich sehr gute Angebote.

Bisher ist das ein Angebot für den deutschen Markt. Könnte Catch in andere Länder exportiert werden?

Ja, es gibt großes Interesse, ich werde viel danach gefragt. Aber erstmal muss man abwarten, wie es sich weiter entwickelt.

Besonders gut läuft Ebay Kleinanzeigen, der Ableger hat inzwischen genau so viele Besucher wie Ebay selbst. Wollen die Leute doch einen Marktplatz für Gebrauchtes und wenn sie es auf Ebay weniger finden, wechseln sie?

Die Welt wird gleichzeitig globaler und lokaler, das Einkaufen sowohl im Umkreis von 300 Metern und 3000 Kilometern wird immer einfacher. Die beiden Plattformen sind der einzige Platz, wo genau das passiert. Wenn Leute schwere Gebrauchtgegenstände wie Kühlschränke oder Sofas haben, ist Kleinanzeigen eine ideale Option. Bei Sammlerstücken oder Uhren aus zweiter Hand ist die deutschlandweite Reichweite von Ebay sinnvoll. Da gibt es ein gutes Gleichgewicht und das Zeigen ausgewählter Ebay-Angebote bei Ebay Kleinanzeigen und umgekehrt hilft beiden Portalen beim Wachstum. Diese Synergien sind viel wert. Und wir arbeiten daran, das weiter zu optimieren. Die Kollegen in Australien testen zum Beispiel, dass Angebote für eine Gebühr auf beiden Plattformen gezeigt werden, mir gefällt die Idee, das werden wir wahrscheinlich auch ausprobieren.

Einige ihrer Investoren drängen jedoch zum Verkauf der Kleinanzeigensparte, es wird schon über die Interessenten spekuliert. Wäre das nicht ein enormer Verlust?    

Für Deutschland ist es eine sehr wichtige Entscheidung, denn wir haben eine sehr gute und enge Beziehung und ergänzen uns sehr stark. Derzeit gibt es eine strategische Überprüfung durch unser Board, das letztlich darüber entscheiden muss.

Amazon ist in den vergangenen Jahren stärker gewachsen. Wie wollen sie Kunden zurückgewinnen?

Ich denke es wird nicht einen Gewinner im Handel geben. Um unsere starke Position im Markt zu halten, konzentriere ich mich vor allem auf vier Dinge. Am wichtigsten ist es, wie schon gesagt, neue und vor allem jüngere Kunden zu gewinnen. Dafür brauchen wir als zweites neues Inventar, zum Beispiel exklusive Angebote, die es woanders nicht gibt. Hier ist die Partnerschaft mit den Händlern und Marken wichtig, denn im Gegensatz zu manchem Wettbewerber verkaufen wir ja keine eigenen Waren.

In den USA gibt es schon Forderungen solche Doppelrollen von Plattformen politisch einzuschränken. Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit strikteren Regeln?   

Wir sind wie gesagt eine Plattform, die Käufer und Verkäufer zusammenbringt, ohne mit den Verkäufern im direkten Wettbewerb zu stehen. Andere bieten zwar auch einen Marktplatz, verkaufen aber auch selbst. Ich denke schon, dass das Konflikte erzeugt, die vielleicht andere Regeln erfordern. Unser Ansatz gibt uns hingegen eine gute Basis für eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Händlern und Marken.

Womit wollen sie selbst sonst punkten?

Drittens wollen wir kleinen Händlern helfen, noch einfacher online verkaufen zu können. Zwei Drittel der kleineren und mittleren Unternehmen bieten ihre Waren immer noch nicht im Netz an. Und viertens müssen wir dafür zu sorgen, dass unsere deutsche Seite einwandfrei funktioniert. Wir haben inzwischen ein lokales Entwicklerteam installiert, da wir erkannt haben, dass man Programmierer in der Muttersprache benötigt, damit die Technik perfekt funktioniert. Beispielsweise für die Umlaute in der Suche. Und ich möchte weiter einige Überraschungen in den Markt bringen, davon wird man im Laufe des Jahres mehr sehen.

Wie viele Kunden konnten sie von ihrem Ebay-Plus-Angebot überzeugen?

Was ich sagen kann, ist, dass die Nutzerzahl kontinuierlich wächst. Auch die Zahl der Artikel, für die wir damit kostenlosen und besonders schnellen Versand sowie kostenlosen Rückversand anbieten, hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Dazu kommen neue Vorteile: Versicherungen sind in Deutschland besonders beliebt, wie ich gelernt habe. Daher haben wir gemeinsam mit Axa Partners ein Angebot gestartet, das für Plus-Kunden kostenfrei alle Elektrogeräte im Haushalt versichert. Zudem bekommen Ebay Plus-Kunden seit kurzem für jeden Kauf Punkte gutgeschrieben, für die sie Gutscheine oder Prämien bekommen. Und wir werden die Vorteile weiter ausbauen.

Sie unterstützen Händler nun auch bei der Logistik, wie wird das angenommen?

Die Nachfrage von kleinen Händlern ist sehr groß. 30 bis 40 Prozent von allen, mit denen wir sprechen, sind interessiert. Für Große ist das nicht so entscheidend, doch Kleineren und Mittleren können wir helfen, Logistik und Versand einfacher und schneller abzuwickeln. Die Kunden-Erwartungen sind da sehr hoch und hier können wir unterstützen. Wir prüfen mit den ersten Händlern, dass alles gut funktioniert und planen das Programm dann deutlich auszubauen.   

Und sie lagern Artikel der Händler in Warenhäusern und verschicken direkt von dort?

Genau, wobei wir das gemeinsam mit Hermes und dem Logistiker Fiege machen. Wir möchten nicht selbst hunderte von Millionen in Lagerhallen investieren. Daher ist unser Fullfillment-Angebot im Kern eine Technologieplattform, bei der alle Partner leicht integriert werden können.

Was bringt das den Kunden?

In Deutschland ist die Geschwindigkeit bei der Lieferung besonders wichtig. 80 Prozent der Artikel werden schon heute innerhalb von zwei Tagen geliefert. Das können wir dadurch noch weiter verbessern.

Sie wollen auch das Artikelangebot ausweiten, was planen sie da? 

Einerseits wollen wir das Angebot von Marken vergrößern. Zum anderen öffnen wir die Plattform stärker für den weltweiten Verkauf. Die Zurückhaltung der Verkäufer gegenüber Exporten überrascht mich immer wieder. Bei kleineren deutschen Unternehmen sind es beispielsweise nur zehn Prozent, die exportieren, dabei hätten sie allein bei Ebay weltweit potenziell 180 Million Käufer. Gleichzeitig versuchen wir, mehr von unserem globalen Angebot auch in Deutschland zu zeigen und den Kunden so Zugang zu mehr Artikeln beispielsweise aus Frankreich, Italien oder Großbritannien zu geben – hier beobachten wir durch das niedrige Pfund gerade besonderes Interesse.

Wie wird sich das mit dem Brexit ändern?

Derzeit versuche ich mich nicht als Brite erkennen zu geben und lerne deswegen noch mehr Deutsch (lacht). Im Ernst: Ich verfolge jeden Abend die Nachrichten über die Abstimmungen und bin sehr nervös und ein bisschen niedergeschlagen. Ich fürchte ein harter Brexit könnte zu Veränderungen in unserem Angebot führen. Zoll und Steuern werden komplizierter, das dürfte durchaus einige Verkäufer abschrecken. Wenn es einen Verbleib in der Zollunion oder eine andere Vereinbarung gibt, bleibt es hoffentlich wie bisher. Der deutsch-britische Warenaustausch ist bei uns in beiden Richtungen sehr wichtig.

Es gibt neue gesetzliche Regeln vor allem mit Blick auf chinesische Händler, damit die Umsatzsteuer korrekt gezahlt wird. Wie funktioniert die Umsetzung?

Die Entscheidung der Regierung kam schnell und es war anspruchsvoll, diese in kurzer Zeit umzusetzen. Denn der ganze Prozess läuft nicht digital sondern in Papierform. Ich hatte auch Sorgen, das die Anträge nicht schnell genug bearbeitet werden. Es hat aber geholfen, dass die Regierung die Frist verlängert hat. Wir haben nun noch Zeit bis zum 15. April, danach schließen wir alle Händler von der Plattform aus, die uns die notwendigen Papiere nicht vorgelegt haben. Wir haben aber inzwischen viele tausend Papierzertifikate unter anderem von chinesischen Händlern bekommen und auch von deutschen, die diese allerdings erst bis Oktober vorlegen müssen. Die Oktoberfrist, wenn also alle deutschen und EU-Händler ihre Bescheinigungen vorlegen müssen, bereitet mir aber auch ein wenig Sorge. Dann rechnen wir mit mindestens zehnmal so viel Anträgen. Wenn das die Händler alle auf den letzten Drücker machen, kann es nicht nur auf Seiten der Behörde, sondern auch bei uns zu Engpässen kommen. Deshalb bitten wir die Händler jetzt schon regelmäßig, die Bescheinigung zu beantragen und einzureichen.

Ebay hat vor einem Jahr viele Aktivitäten von Luxemburg nach Kleinmachnow verlegt. Wieviel mehr Steuern werden Sie dadurch zahlen?

Was sich geändert hat ist, dass nun die Verkäufer ihre Verträge europaweit, mit der Ausnahme Großbritannien, mit der deutschen Ebay GmbH schließen. Die Umsatzsteuer auf die Gebühren fällt dadurch in Brandenburg an und das hat auch Auswirkungen auf unsere Körperschaftssteuer. Welche genau prüfen unsere Experten und führen dazu auch viele Gespräche mit den Finanzbehörden. In jedem Fall ist das eine positive Entwicklung für die deutsche Wirtschaft.

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