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Chef von 65 000 Mitarbeitern, davon 34 000 in Deutschland: Wolfgang Häfele.

© Sven Darmer

Dussmann-Chef im Interview: „Wir gucken nicht auf den schnellen Gewinn"

Seit einem Jahr führt Wolfgang Häfele den Vorstand des Dienstleistungskonzerns. Im Tagesspiegel-Interview spricht er über zufriedene Mitarbeiter, Catherine Dussmann und Flüchtlinge.

Der Schwabe Wolfgang Häfele, Jahrgang 1959, studierte Wirtschaftswissenschaft und arbeitete danach viele Jahre als Wirtschaftsförderer mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel zusammen. Als Vorstand der M+W Zander Holding AG hatte Häfele mit Lothar Späth zu tun, der zu Beginn der 2000er Jahre die M+W-Mutter Jenoptik führte. In den vergangenen sechs Jahren war Häfele beim Londoner Gebäudedienstleister Mitie zuständig tätig. Seit August 2017 ist er Sprecher des sechsköpfigen Dussmann-Vorstands. Die Marathon-Bestzeit des Läufers Häfele liegt knapp unter drei Stunden.

Herr Häfele, wie war das erste Jahr bei Dussmann?

Sehr interessant, spannend und abwechslungsreich. Wir haben ja ein dezentrales Geschäft, Mitarbeiter und Kunden befinden sich an vielen Standorten in Deutschland und im Ausland. Ich war also viel unterwegs und habe mir einen guten Überblick verschafft.

Und Ihr Eindruck?

Das Unternehmen war mir natürlich bekannt, aber dennoch hat mich manches überrascht, zum Beispiel die motivierten Mitarbeiter.

Gibt es eine spezifische Dussmannkultur, die man den Mitarbeitern anmerkt?

Dussmann ist ein Familienunternehmen und unterscheidet sich positiv von börsennotierten Firmen, wo der kurzfristige Druck mit Blick auf möglichst gute Monats- oder Quartalszahlen größer ist. Wir gucken nicht auf den schnellen Gewinn.

Frau Dussmann macht keinen Druck?

Auch ein Familienunternehmen muss sich auf dem Markt durchsetzen und ordentliche Zahlen erwirtschaften. Ein gutes Verhältnis des Vorstandssprechers zu ihr ist Voraussetzung für den Erfolg.

Sie haben in London und Stuttgart gearbeitet. Wie gut kannten Sie Dussmann?

Im Rahmen meiner früheren Tätigkeiten ist mir Peter Dussmann ein paar Mal begegnet. Das Unternehmen ist selbstverständlich geprägt durch den Gründer – und nun auch durch seine Ehefrau.

Wie oft stimmen Sie sich ab?

Wir versuchen, uns einmal die Woche persönlich zu treffen. Telefonisch tauschen wir uns häufiger aus, damit ich Frau Dussmann auch aktuell auf dem Laufenden halten kann. So haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt.

Welche Defizite haben Sie im Konzern entdeckt in Ihren ersten Monaten?

Wir haben hervorragende Niederlassungen und andere, wo noch zu viel händisch gemacht wird. Da müssen wir Automatisierung und Digitalisierung vorantreiben. Was die Führungskultur betrifft: Wir als Vorstand wollen flache Hierarchien, die Informationen müssen schnell fließen und Führungskräfte müssen für ihre Mitarbeiter ansprechbar sein.

Das gilt auch für den Vorstandssprecher?

Selbstverständlich. Ich versuche, den Leuten die Scheu zu nehmen und gehe auf die Mitarbeiter zu. Zufriedene und motivierte Mitarbeiter sind in unserem Geschäft entscheidend für den Erfolg.

Die Zuwächse bei Umsatz und Gewinn blieben 2017 unter den Erwartungen. Ist das in diesem Jahr anders?

Wir gehen davon aus, sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis unsere Ziele zu erreichen. Der große Wachstumstreiber ist das Ausland, vor allem Italien, Österreich und die Schweiz. Auch dort gilt: Die Mitarbeiter sind entscheidend. Wir holen gute Leute an Bord und versprechen uns davon mehr Aufträge.

Warum ist Italien so ein guter Markt?

Das hängt ganz entscheidend vom Team ab. Wenn es gute, unternehmerisch denkende Mitarbeiter sind, denen man auch Zeit und Freiheiten gibt, dann läuft das irgendwann. Wir sind in einem People- Business, rund 90 Prozent unserer Kosten sind Personalkosten. Wir müssen uns bemühen, die Leute an Bord zu halten, gute zu gewinnen und einen Dussmann- Spirit zu pflegen.

Was ist das denn?

Entscheidend für unser Geschäft sind langfristige Kundenbeziehungen, auf denen wir dann mit weiteren Services aufbauen können. Der Kunde konzentriert sich auf sein Kerngeschäft und übergibt die Infrastruktur an einen Dienstleister – idealerweise an uns. Dazu muss man das Geschäft der Kunden verstehen und ihre Entwicklung über die Jahre mitmachen.

Suchen Sie derzeit mehr technische Kräfte oder Reinigungspersonal?

Sowohl als auch. Das Basisgeschäft muss ja weitergemacht werden. Dabei geht der Trend Richtung cleaning on demand: Sensoren stellen fest, wann und wo im Gebäude etwas zu reinigen ist. Per App gibt es dann eine Mitteilung auf das Smartphone. Auch der Einsatz von Reinigungsmaschinen nimmt zu. Die menschliche Kraft wird weiter gebraucht werden, aber mithilfe von Automatisierung und Digitalisierung können wir die Arbeit erheblich erleichtern.

Also auch die Arbeit der Putzkräfte?

Ja, selbstverständlich. Wenn Sie mit einem Akku-Staubsauger unterwegs sind, dann sparen Sie 30 Prozent der Zeit im Vergleich zu einem Gerät mit Kabel. Und mit leichten Staubsaugerrucksäcken müssen sich die Leute nicht mehr bücken.

Warum konzentriert sich Dussmann auf den Gebäudeservice, obwohl die Marge im Pflegebereich höher ist?

Unsere Pflegesparte Kursana ist und bleibt eine Säule des Unternehmens. In rund 100 Einrichtungen betreuen wir hierzulande fast 14 000 Senioren. Kursana ist gesund aufgestellt, steht aktuell nicht so im Fokus wie die Services.

Ist es schwieriger, im Pflegebereich Arbeitskräfte zu finden als im Gebäudeservice?

Überall ist das schwierig, vor allem im Süden und Südwesten Deutschlands. In der Region Berlin-Brandenburg, wo wir ja rund 6000 Menschen beschäftigen, sind die Probleme noch nicht so groß.

Wie sind die Erfahrungen mit der Integration von Flüchtlingen?

Wir stellen uns der Verantwortung und wollen unseren Beitrag leisten. Im Personalbereich haben wir einen aus Vietnam stammenden Kollegen, der früher als Sozialarbeiter tätig war und das federführend macht. So stehen einige Flüchtlinge bei uns inzwischen in Lohn und Brot.

Wie viele?

Jeden Monat führen wir Bewerbertage durch, bei denen jeweils zehn bis 15 Interessierte eingeladen werden. Sie lernen Dussmann Service mit den vielfältigen Dienstleistungen in den Bereichen Reinigung, Küche und Sicherheit kennen. Bisher haben wir bei zehn Bewerbertagen über 100 geflüchtete Menschen erreicht und erste kleine Erfolge erzielt, in Berlin und Brandenburg rund ein Dutzend Praktika und Arbeitsverträge.

Frau Dussmann schimpft über die deutsche Bürokratie, die der Integration im Wege stehe.

Ganz allgemein ist die anfängliche Euphorie ja einer gewissen Nüchternheit, einem Realismus gewichen. Frau Dussmann hat ein soziales Gespür. Sie ist überzeugt, dass man etwas tun muss – und ärgert sich dann über Arbeitsverbote, weil der rechtliche Status der Flüchtlinge nicht geklärt ist. Viele, die arbeiten wollen und können, dürfen nicht arbeiten.

Das Lieblingsgeschäft von Frau Dussmann sind die Kindergärten, von denen Peter Dussmann nicht viel hielt. Wie viel Verlust fahren die ein?

Überhaupt nicht. Wir betreiben acht Kulturkindergärten und werden in diesem Jahr einen weiteren eröffnen. Mit Augenmaß werden wir weiter wachsen.

Wachstum ist im Kulturkaufhaus nicht drin, der Umsatz stagniert seit Jahren.

Das Haus ist ein wichtiger Imageträger und bietet die Möglichkeit, uns zu präsentieren. Wenn man in Berlin über Dussmann spricht, denken viele sofort an das Kulturkaufhaus. Wir haben hier ein Unikat – und wir sind profitabel. Hier bekommt man alles und wird von einem sehr fachkundigen Personal betreut.

Ein weiteres Steckenpferd der Eigentümerin ist Saudi-Arabien. Haben Sie dort inzwischen einen Auftrag reingeholt?

Wir haben einen Managing Director eingestellt, der jetzt die Geschäftsregistrierung vornimmt.

Darf man überhaupt Geschäfte machen mit dem Regime der Saudis?

Der Kronprinz hat bemerkenswerte Entwicklungen eingeleitet, und wenn sich das Land öffnet und sich die Liberalisierungstendenzen fortsetzen, dann möchten wir dabei sein. Es wäre fahrlässig, sich nicht auf die Chancen einzustellen.

Ihr Vorgänger war in dieser Frage anderer Meinung als Frau Dussmann und hat seinen Job verloren.

Ich schaue nur nach vorne und führe die Geschäfte verantwortungsvoll und in Abstimmung mit den Eigentümern.

Hat sich der Schwabe Häfele inzwischen an Berlin gewöhnt?

Ich komme jedenfalls herum, laufe jeden Morgen eine Stunde, vor allem durch den Tiergarten, und nutze den öffentlichen Nahverkehr. Ich brauche hier kein Auto.

Nerven Sie nicht die Verkehrsprobleme?

Das muss man gelassen sehen, es funktioniert doch, wenngleich die Zustände in Tegel teilweise schon hanebüchen sind. An Freitagen steht es manchmal kurz vor Mord und Totschlag.

Hat der Ex-Wirtschaftsförderer von Stuttgart einen Rat für die Berliner Kollegen?

Es muss deutlich werden, dass Politik und Verwaltung den Unternehmen helfen wollen. Was können, was müssen wir tun für Euch, dass Ihr Euch entwickeln könnt? Investieren leicht machen, das ist das Credo jedes Wirtschaftsförderers.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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