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Im Schatten von Corona. Zum Wintersemester könnten bis zu 15 Prozent der dualen Studienplätze in Berliner Betrieben wegfallen.

© picture alliance / dpa

Duales Studium: Doppeltes Lernen, doppelte Sorgen

Manche dual Studierende trifft die Corona-Pandemie gleich zweifach. Denn zur Umstellung auf Online-Lehre kommt noch eine Ungewissheit hinzu: Wie geht es im Unternehmen weiter?

Das duale Studium ist eine Besonderheit im Hochschulsystem: Die Studierenden machen ihren Abschluss in einem Bachelor- oder einem Masterstudiengang an einer Hochschule und arbeiten parallel über längere Phasen schon vom ersten Semester an in einem Unternehmen.

Wie viele hat sich auch die 22-jährige Daisy Hilbig für ein duales Studium entschieden. Sie studiert an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin im fünften Semester Maschinenbau und arbeitet parallel bei den Berliner Wasserbetrieben. Ihre Wahl hat sie nicht bereut: „Ein technischer Studiengang kann ja ziemlich trocken sein, doch durch die Umsetzung im Unternehmen bekomme ich sehr gute praktische Einblicke“, sagt sie. Hilbig arbeitete bereits im technischen Service, danach bei den Pumpwerken, im Bereich Planung und Bau sowie derzeit im Bereich Forschung und Entwicklung.

Doch wie bei vielen anderen hat die Corona-Pandemie auch ihren Alltag kräftig durcheinandergewirbelt. Das vergangene Sommersemester hat sie wie alle anderen Berliner Studierenden größtenteils online hinter sich gebracht, für die Berliner Wasserbetriebe arbeitete sie überwiegend von zu Hause aus. Sowohl bei ihr als auch bei Kommilitonen seien die Ängste aber nicht groß, dass ihr Arbeitgeber möglicherweise in Konkurs gehe. „Von denen, die schon länger dabei sind, macht sich keiner Sorgen, dass Corona Folgen für das Studium hat“, sagt die junge Studentin.

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Am Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen forscht Sirikit Krone zum dualen Studium und warnt hingegen: „Umfragen deuten darauf hin, dass Betriebe unsicher und zurückhaltend beim Ausbildungsplatzangebot für das duale Studium sind“, sagt sie. Schulabgänger, die sich für ein duales Studium in der sogenannten „praxisintegrierenden Form“ interessieren, könnten von dieser unsicheren Lage besonders betroffen sein. Der Grund: Die Regelungen des Hilfsprogramms, das die Bundesregierung Mitte Juni beschlossen hat, gelten nicht für dual Studierende, die sich für diese praxisintegrierende Form entschieden haben. Gefördert werden nur Betriebe, die ein „ausbildungsintegrierendes“ duales Studium anbieten. Hierbei machen Studierende parallel eine Ausbildung, in der praxisintegrierenden Form arbeiten sie hingegen meist als Praktikant oder Mitarbeiter im Betrieb.

Thorsten Kurzawa, Dekan des Fachbereichs Duales Studium Wirtschaft und Technik an der HWR Berlin, ist allerdings optimistisch, dass trotz Corona sämtliche Erstsemester wie geplant ihr Studium zum kommenden Wintersemester aufnehmen. „Die allermeisten Bewerber haben ihren Arbeitsvertrag bereits in der Tasche und damit auch das Ticket für das Studium an der HWR Berlin“, sagt er.

Die Ausbildungstätigkeit der Berliner Betriebe wird von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin aufmerksam beobachtet, gerade auch zu Zeiten einer Pandemie. „Dass mit eher wenig Einbrüchen gerechnet wird, liegt daran, dass die Verträge meist einen langen Vorlauf haben und bereits im Herbst 2019 geschlossen wurden“, teilt Sandra Trommsdorf mit, die bei der IHK den Bereich Fachkräfte und Innovation leitet. Wo jedoch die Rekrutierung erst im Frühjahr 2020 beginnen konnte, könne es wohl auch schon in diesem Wintersemester zum Teil rückläufige Zahlen geben. Noch sei aber der IHK nichts für das kommende Semester bekannt.

Erste Prognosen für das Wintersemester des kommenden Jahres liegen bereits vor, zumindest in Berlin. „Für das folgende Jahr ist das Wegfallen von dualen Studienplätzen sicherlich zu erwarten. Erste Schätzungen gehen zurzeit von einem Rückgang von rund zehn bis 15 Prozent aus“, sagt Trommsdorf. Gründe dafür könnten in der für die Betriebe schwierigeren Rekrutierungssituation in diesem Jahr liegen. „Viele kleine und mittlere Unternehmen kämpfen um ihre Existenz oder haben weniger Kapazitäten frei.“

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Gefragt sind nun die Hochschulen, etwa indem sie vermehrt die Werbetrommel für das duale Studium bei den Unternehmen rühren. Doch in Zeiten von Corona ist die direkte Firmenansprache schwierig, genauso wie das Angebot sonst sehr gut besuchter Informationsveranstaltungen.

Die HWR setzt jetzt auf individuelle Beratung per Telefon und Video sowie auf die sozialen Netzwerke. Gute Argumente gibt es in jedem Fall für das duale Studium: Die Karriereaussichten sind ziemlich gut: Bislang hätten mindestens 80 Prozent der Absolventen nach dem dualen Studium an der HWR einen Job in der Tasche.

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