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Der Auszubildende Abdi Jamal Awal misst ein Werkstück im Ausbildungszentrum des BMW-Werks Leipzig. Generell beginnen junge Ausländer nur halb so häufig eine Ausbildung wie junge Deutsche.

© Jan Woitas/ dpa

Duale Ausbildung: Fast jeden nehmen, der kommt

Die Politik spricht im Bundesbildungsbericht von glänzenden Ausbildungschancen – das stimmt allerdings nur zum Teil. Millionen stehen ohne Abschluss da.

Der Bundespräsident reist für sie quer durch Deutschland, die neue Bildungsministerin setzt sich mit als erste Amtshandlung für sie ein. Die Rede ist von der dualen Ausbildung. Sie „war ein Pfeiler, um gut durch die Krise zu kommen“, sagte Anja Karliczek (CDU) mit Blick auf die zurückliegende Finanzkrise. Nun könne die duale Ausbildung einen Beitrag dazu leisten, die Herausforderungen der Digitalisierung gut zu meistern.

„Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz sind so gut wie lange nicht“, sagte Karliczek bei der Vorstellung des neuen Berufsbildungsberichts, der zuvor vom Bundeskabinett beschlossen worden war. Auf 100 Bewerber kämen rechnerisch 105 Ausbildungsplätze. Entgegen dem demografischen Trend gebe es auch mehr Ausbildungsverträge.

Weiter sieht die Entwicklung so aus: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im vergangenen Jahr leicht auf 523 300 gestiegen. Weniger als jeder fünfte Betrieb bildet aus. Die Zahl der unbesetzt gebliebenen betrieblichen Ausbildungsstellen stieg hingegen auf knapp 49 000 – was drei Mal so viele sind wie 2009. Dem stehen rund 24 000 unversorgte Bewerber gegenüber. Und: Knapp 10 000 Geflüchtete begannen bis zum Beginn des Berufsschuljahres eine Lehre.

Migranten werden oft benachteiligt

Die Abbrecherquote bei den Azubis bezeichnete Karliczek als zu hoch. Da einige in einen anderen Betrieb, eine andere Branche wechseln, bezifferte Karliczek den Anteil der „echten Abbrüche“aber nur auf zwölf bis 13 Prozent. Mehr als doppelt so hoch ist die Quote im Hochschulbereich. Apropos: Inzwischen verfügen mehr Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger über eine Hochschulreife als über einen Hauptschulabschluss, weswegen auch immer mehr junge Menschen studieren. „Wir müssen aufhören mit dem Akademisierungswahn“, fordert der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann. Die Vorstellung, man komme nur mit einem Studium erfolgreich durchs Leben, sei einfach falsch.

Was der Bericht aber auch zeigt, ist, dass junge Ausländer nur halb so häufig eine Ausbildung beginnen wie junge Deutsche. Demnach lag die Ausbildungsanfängerquote bei jungen Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft im Jahr 2016 bei 27,6 Prozent. Bei den Deutschen waren es 55,8 Prozent. Allerdings steigt die Zahl der ausländischen Azubis an. Knapp 40 000 nichtdeutsche Frauen und Männer starteten den Angaben zufolge 2016 eine Lehre. Das waren gut 5000 mehr als im Vorjahr – ein Anstieg von 14,7 Prozent. Gegenüber 2011 betrug der Zuwachs rund 38 Prozent.

Bei Bewerbungen hätten Deutsche dem Bericht zufolge deutlich bessere Möglichkeiten. Von den bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Bewerbern fanden 42 Prozent eine Ausbildungsstelle, aber nur 26 Prozent der nichtdeutschen Jugendlichen. Dabei gibt es unter den Migranten je nach Herkunftsland deutliche Unterschiede. „Insbesondere für junge Menschen türkischer oder arabischer Herkunft ist es erheblich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden“, heißt es im Berufsbildungsbericht. Als mögliche Erklärungen werden neben schwächeren Schulleistungen auch „Selektionsprozesse der Betriebe“ genannt.

Gewerkschaften sprechen von "Skandalen"

Die Unterschiede schlagen sich den Angaben zufolge auch in der deutlich höheren Quote an Migranten ohne Berufsabschluss nieder. 31,4 Prozent der 20- bis 34-jährigen Ausländer haben keinen Abschluss. Bei Türken sind es 54,1 Prozent. „Obwohl die Arbeitgeber zunehmend über unbesetzte Ausbildungsplätze klagen, gibt es offenbar Vorbehalte und Berührungsängste bei vielen Unternehmen“, kommentierte dies die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. „Selbst bei gleicher Leistung werden Einwanderer deutlich seltener zu Einstellungstests und Vorstellungsgesprächen eingeladen als junge Menschen ohne Migrationshintergrund.“ Gerade Einwandererkinder müssten jedoch frühzeitig in den Kontakt mit Betrieben kommen, etwa durch Schülerpraktika oder Einstiegsqualifizierungen. Auch anonymisierte Bewerbungen seien dafür aus ihrer Sicht eine wichtige Maßnahme.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert ebenfalls Verbesserungen seitens der Betriebe. Auszubildende würden ihre Verträge doch nicht grundlos auflösen, sondern meistens wegen Problemen im Unternehmen oder wegen der schlechten Qualität ihrer Ausbildung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verlangt eine gesetzliche Ausbildungsgarantie. Mehr als 2,1 Millionen junge Erwachsene hätten im vergangenen Jahr gar keinen Berufsabschluss gehabt. „Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal ersten Ranges“, sagte GEW-Vorstandsmitglied Ansgar Klinger.

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