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Noch geöffnet. Diese Berliner Filiale der Modekette Hennes & Mauritz soll, wie verschiedene Quellen berichteten, demnächst schließen. Das Unternehmen bestätigte das noch nicht.

© Kai-Uwe Heinrich

Druck in der Textilbranche: Wie H&M mit Mitarbeitern umgeht

Die Modekette H&M schließt in Berlin-Mitte eine Filiale. Der Wettbewerb der Textilbranche nimmt zu. Berliner Mitarbeiter fühlen sich unter Druck.

Von Ronja Ringelstein

Einst galt die schwedische Textilkette Hennes & Mauritz, besser bekannt als H&M, als der In-Laden im Billig-Segment. Als Trendsetter bestimmte der Konzern mit, was modisch angesagt war. An belebten Orten in der Stadt kam es vor, dass im Minutentakt die gleiche Tasche, Jeans oder Jacke an einem vorbeigetragen wurde – von treuen Kunden. Doch H&M steckt schon länger in einer Image-Krise: so stand es dieses Jahr wegen der Arbeitsbedingungen bei seinen Produktionspartnern in Indien und Kambodscha in der Kritik. Zudem steigt der Druck auf das Unternehmen, da es auch auf dem großen deutschen Markt mit jüngeren Konkurrenten wie dem irischen Konzern Primark konkurrieren muss. Auch die Kritik am Umgang mit langjährigen Angestellten wird lauter.

Verdi berichtet von Druckausübung auf Mitarbeiter

Die Gewerkschaft Verdi beschreibt mehrere Fälle in ganz Deutschland, in denen auf Mitarbeiter Druck ausgeübt wurde – letztlich um Kosten zu senken. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete, dass vor rund neun Monaten etwa die Hälfte der 450 deutschen Filialleiter in den Büros ihrer zuständigen Gebietsleiter vorsprechen mussten, um darzulegen, wie sie in Zukunft die Personalkosten in ihren Läden drücken wollen.

In Berlin gibt es knapp 30 H&M-Filialen, sie stehen unter Beobachtung der Zentrale. In täglichen Meetings würden, so berichtet ein Insider dem Tagesspiegel, den Angestellten die Umsatzzahlen des Vortages vorgelegt und suggeriert, dass die Mitarbeiter für diese verantwortlich seien.

H&M bestätigt die Schließung der Filiale - mehr will das Unternehmen nicht sagen

Die Hamburger Zentrale des Modeunternehmens in Deutschland bestätigte dieser Zeitung eine Filialschließung in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte. In der Straße gibt es derzeit noch drei. Eine für Männermode, eine in der Nummer 79/80 und eine in der Nummer 69/70. Wie verschiedene Quellen bestätigten, wird letztere geschlossen. H&M bestätigt dies nicht. Auf die Frage, wie viele Filialen in Berlin im kommenden Jahr vor der Schließung stehen und wie viele Mitarbeiter davon betroffen sein werden, bat eine Unternehmenssprecherin um Verständnis, „dass wir dies zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht kommunizieren können.“ Ähnlich überraschend soll es dem Vernehmen nach auch für die Mitarbeiter der Filiale 69/70 gekommen sein, erst vor wenigen Monaten sei ihnen die Schließung bekanntgegeben worden. Das Unternehmen verspricht jedoch, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen werde.

Deutschland ist der wichtigste Auslands-Markt für H&M. Das Unternehmen beschäftigt hier rund 14.500 Mitarbeiter, davon sind nach Angabe von Verdi allerdings nur rund 25 Prozent in Vollzeit festangestellt. Die größte Gruppe sind mit über 40 Prozent Stundenlöhner. In einer aktuellen Umfrage von Verdi unter H&M-Mitarbeitern bemängelten die vor allem mangelnde soziale Kompetenz der Führungskräfte und, dass der Fokus auf Leistung und nicht den Menschen gelegt würde. Ehemalige Mitarbeiter berichteten übereinstimmend, die Belegschaft werde bei der Arbeit extrem unter Druck gesetzt.

Fünf Mal wurde dem Betriebsratsvorsitzenden die Kündigung ausgesprochen

Der langjährige H&M-Betriebsratsvorsitzende Damiano Quinto wurde insgesamt fünf Mal gekündigt, erzählt er. Doch er gewann vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt 2015 gegen H&M. Quinto habe sich in allen Fällen als Betriebsratvorsitzender korrekt verhalten, so das Urteil. In der Kündigung von H&M habe es geheißen, Quinto habe als „Beisitzer der Einigungsstelle nicht die wirtschaftlichen Interessen der Firma vertreten.“

H&M reagiert damit auf den Druck der Branche. Onlineversandhändler, andere Billig-Ketten wie Primark, doch auch die Inditex-Gruppe, zu der unter anderem Zara, Pull&Bear und Bershka gehören, sind die Konkurrenz. Während die nicht rentablen H&M-Filialen in Deutschland geschlossen werden, expandiert das Unternehmen weltweit, eröffnete allein im letzten Jahr 413 neue Geschäfte und erschloss sich mit Indien, Südafrika, Peru, Taiwan und Macau neue Märkte. Ende 2015 beschäftigte das Unternehmen weltweit 148 000 Menschen – das waren 16 000 mehr als im Vorjahr. Seinen Gewinn steigerte das Unternehmen auf 2,3 Milliarden Euro – fast doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren mit 1,2 Milliarden* Euro.

*Anmerkung: In der ersten Fassung stand versehentlich "Millionen". Diesen Fehler bitten wir zu entschuldigen.

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