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Große Verluste. In deutschen Krankenhäusern fallen lukrative Operationen aus, weil sich Ärzte um Corona-Patienten kümmern müssen.

© Fabian Strauch/dpa

Exklusiv

Drastische Folgen der Corona-Pandemie: Zwei Drittel der deutschen Kliniken rechnen mit roten Zahlen

Nur jedes fünfte Krankenhaus in Deutschland steht während der Corona-Pandemie noch wirtschaftlich gut da. Ein Grund sind die vielen verschobenen Operationen.

Verschobene Operationen und andere Folgen der Corona-Pandemie haben die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland drastisch verschärft.

Nur noch 18 Prozent der knapp 2000 Kliniken mit ihren 1,3 Millionen Mitarbeitern beurteilen ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut. Und für mehr als zwei Drittel aller Häuser rechnen die Betreiber dieses Jahr mit roten Zahlen. Das ist dem aktuellen Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zu entnehmen, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser habe sich „infolge der Corona-Pandemie dramatisch zugespitzt“, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).

Niemals vorher hätten sich so viele Krankenhäuser vor wirtschaftlichen Problemen gesehen wie in diesem Jahr, sagte DKG-Präsident Gerald Gaß dem Tagesspiegel. Bereits 2019 sei mit 44 Prozent fast jede zweite Klinik im Minus gelandet. Seit 2016 sei der Anteil der Krankenhäuser mit positivem Jahresergebnis von 61 auf nun gerade mal 29 Prozent gesunken.

Der Studie zufolge hatte die Pandemie nicht nur Auswirkungen auf die Allgemein- und Intensivstationen, sie betraf auch die OP-Bereiche. In der ersten Pandemiewelle von März bis Mai 2020 sank die Zahl der stationär durchgeführten Operationen demnach im Schnitt um 41, die der ambulanten Eingriffe gar um 58 Prozent. Allein für diesen Zeitraum betrugen die Erlösverluste der betroffenen Kliniken etwa 2,5 Millionen Euro pro Haus.

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Die meisten Kliniken hätten die OP-Auslastung des Vorjahres bislang nicht wieder erreicht, so die DKG. Grund dafür seien „nach wie vor die Zurückhaltung der Patienten bei planbaren Operationen, erforderliche Schutzmaßnahmen und gestiegene Hygiene-Anforderungen sowie Freihaltekapazitäten für Corona-Patienten in den Intensivbereichen“.

Die aktuell hohen Infektionszahlen würden „einen normalen OP-Betrieb vielerorts weiter erschweren“. Dazu kommt der Fachkräftemangel, der dem DKI-Barometer zufolge nun auch zunehmend die Operationssäle betrifft. Im Jahr 2020 konnte demnach fast jede zweite Klinik offene Stellen im nicht-ärztlichen OP- und Anästhesiedienst nicht besetzen. Bundesweit seien hier inzwischen 3000 Vollzeitstellen vakant.

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Da nicht alle Corona-bedingten Erlösausfälle und Mehrkosten eins zu eins gedeckt würden, sei „davon auszugehen, dass sich für viele Kliniken die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert“, sagte Gaß.

Von der Politik forderte er deshalb mehr Unterstützung. „Die Wiedereinführung von Freihaltepauschalen für die Monate November, Dezember und Januar war wegen der sehr restriktiven Zuordnungskriterien nur für wenige Kliniken eine wirksame Finanzierungshilfe“, so der DKG-Präsident. Daher sei es „wichtig, dass der bestehende Klinik-Rettungsschirm angepasst und wieder an alle Krankenhäuser gezahlt“ werde.

Gleichzeitig verlangte der Verbandschef grundsätzliche Änderungen. Die Erfahrungen aus der Pandemie belegten, „dass wir eine konstruktive Krankenhausplanung benötigen". Die Verantwortlichen dürften es „nicht zulassen, dass Kliniken in die Insolvenz getrieben werden“, mahnte Gaß. „Wir brauchen auch Kapazitäten für Krisenzeiten.“

Ohne Personal geht in den Kliniken gar nichts

Bei der Finanzierung richtete der Funktionär auch einen Appell an die Länder. Neben dem Ausfall von Operationen habe nämlich deren „nun schon Jahrzehnte anhaltende dramatische Unterfinanzierung der Investitionskosten zur Verschärfung der wirtschaftlichen Lage in den Krankenhäusern geführt“. Statt der erforderlichen sechs Milliarden Euro im Jahr erhielten die Krankenhäuser nur rund drei Milliarden Euro. „Diese Zustände müssen sich grundsätzlich und vor allem bald ändern“, verlangte Gaß.

Eine weitere Lehre aus der Pandemie sei, dass ohne Personal in den Kliniken gar nichts gehe, so der DKG-Präsident. „Wir müssen also die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Arbeitsplatz attraktiver wird.“ Dazu gehöre „sicherlich die Bezahlung, aber auch eine deutliche Entbürokratisierung“, betonte Gaß. Zudem müsse man im Gesundheitswesen „weg von der Misstrauenskultur“.

Die Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers 2020 beruhen auf einer repräsentativen Befragung von Allgemeinkrankenhäusern ab 100 Betten, die von Ende Juni bis Ende August 2020 durchgeführt wurde. Beteiligt haben sich daran insgesamt 438 Kliniken, also knapp jedes vierte Krankenhaus.

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