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In den eigenen vier Wänden wird jeder schnell zum Experten – Psychologen sehen darin einen der Gründe, warum das Werkeln so beliebt ist.

© Kurhan - Fotolia

Do it yourself: Wieso Heimwerken im Trend ist

Baumarkt statt Badesee: Am Wochenende steht dem Heimwerker das Wasser nur auf der Stirn. Das neue Freizeitglück heißt "Do it yourself". Was das Selbermachen so reizvoll macht.

Von Maris Hubschmid

Was macht der Deutsche nach einer nervenaufreibenden Arbeitswoche voller Dauerbeschallung, Termindruck und Überstunden? Er verbringt den Sonnabend im Baumarkt. Steht stundenlang Schlange, damit man ihm Wandfarbe anrührt, eine Schleifmaschine erklärt oder einen Presslufthammer ausleiht. Damit verwandelt er dann sein Zuhause in eine Baustelle. Am Sonntagmittag steht er statt im Planschbecken im eigenen Schweiß und spürt eine tiefe Befriedigung. Das neue Freizeitglück heißt: Do it yourself.

Die Branche freut's. Am vergangenen Donnerstag meldete das Unternehmen Hornbach einen Gewinnzuwachs von 23,8 Prozent auf 106,7 Millionen Euro, vor allem dank der guten Entwicklung auf dem Heimatmarkt. Der Branchenverband BHB spricht von einem Gesamtumsatzwachstum von fünf Prozent, insgesamt haben die 30 größten deutschen Betreiber laut dem Fachportal Baumarktmanager 2014 knapp 33 Milliarden Euro erlöst. In keinem anderen Land Europas geben die Menschen mehr Geld in Heimwerker-Märkten und Bastelläden aus.

Zwar ist die Verkaufsfläche der Sparte insgesamt zuletzt etwas zurückgegangen – das Loch, das die Kette Praktiker und ihre Tochterfirma Max Bahr mit ihrer Pleite gerissen haben, konnten die Mitbewerber nicht in Gänze zuspachteln. Nach einer Erhebung der Gesellschaft für Markt- und Betriebsanalyse gab es deutschlandweit aber immer noch 2118 Bau- und Heimwerkermärkte mit gut 13 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche. Mittelfristig könnten rund 400 hinzukommen. Bis dahin tummeln sich immer mehr Menschen pro Quadratmeter bei Globus, Hagebaumarkt, Hellweg oder Toom.

Heimwerkerwellen gab es immer wieder

Die Ideen liefert das Internet: Eine beeindruckende DIY-Community, zu der täglich neue Blogger hinzustoßen und die Schablonen für neue Träume gleich zum Download bereitstellen. Umfragen zufolge betreiben 16,6 Prozent der deutschen Anhänger ihre eigene Website. Aber auch in den Läden räumt man dem Trend immer mehr Platz ein. Der Umsatz bei DIY-Büchern, Anleitungen und Handarbeitszeitschriften ist seit 2012 um 28 Prozent auf zuletzt 55 Millionen gestiegen. Nach deren Lektüre wollen die Käufer anscheinend nur noch eines: Endlich richtig dicke Bretter bohren.

Woher kommt dieser Drang? Heimwerkerwellen gibt es immer wieder. Die erste nach dem zweiten Weltkrieg, als überhaupt die ersten Märkte eröffneten, das Modell bekannt wurde und Menschen schon aus einer ökonomischen Notwendigkeit heraus selber Hand anlegten. Mit den 68ern trieb dann die Kritik am Überfluss viele Deutsche dazu, sich aufs Essenzielle zu besinnen und selber zu zimmern, statt sich in das bräsige Konsumentendasein einzufügen.

Der Selbermach-Trieb hat auch mit Kontrolle zu tun

Und heute? „Heute geht es vor allem ums Schaffen“, meint Doreén Pick, Marketingprofessorin an der Freien Universität Berlin. „Viele Berufe sind sehr abstrakt geworden, sodass es oft keine Beziehung zum Ergebnis der Tätigkeit gibt.“ Selbst in handwerklichen Berufen sei das so. „Im Automobilbau wird nur ein Teil der gesamten Produktion von jedem Mitarbeiter erfüllt. Menschen möchten aber das Ergebnis ihrer Arbeit sehen. DIY hilft ihnen dabei.“

Hinzu komme, dass die Deutschen grundsätzlich mehr in Heim und Garten investieren. „Cocooning“ nennt das Peter Walschburger, Biopsychologe an der FU. „In Anbetracht einer schwierigen Außenwelt zieht man sich gerne zurück und verschönert sein Nest, macht es sich heimelig.“ Im Zeitalter von Massenproduktion würden individuelle Lösungen dabei zunehmend geschätzt. Er erkennt in der Lust am Sägen und Basteln aber auch eine Sehnsucht nach Kontrolle: „Das Sinnlich-Warnehmbare entgleitet uns. Beim Heimwerken gewinnen wir das haptische Erlebnis und den Überblick zurück.“

Jeder kann Experte werden

In den eigenen vier Wänden wird jeder schnell zum Experten – Psychologen sehen darin einen der Gründe, warum das Werkeln so beliebt ist.
In den eigenen vier Wänden wird jeder schnell zum Experten – Psychologen sehen darin einen der Gründe, warum das Werkeln so beliebt ist.

© Kurhan - Fotolia

Ein besonderer Reiz, meint Walschburger, liegt dabei womöglich auch darin, dass Heimwerken jedem Aufstiegschancen und Anerkennung verheißt. „Platt gesagt: Man ist schneller Spezialist“, erklärt er. „Während es in der Jobwelt meist eines Studiums und langer Praxiserfahrungen bedarf, um sich diesen Status zu erarbeiten, kann, wer es ernst meint, in Haus und Garten vergleichsweise schnell Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, mit denen sich Eindruck schinden lässt.“

Die Kette Toom, die zu Rewe gehört, zielt momentan genau darauf ab. „Respekt, wer’s selber macht“, heißt die aktuelle Marketing-Kampagne, mit der das Unternehmen großflächig auch in Berlin wirbt. Konkurrent Hornbach geht etwas subtiler vor: „Die neue Frühjahrskollektion“, steht auf den Plakaten, die Männer und Frauen in dreckbefleckten Schlabberklamotten zeigen. Die Botschaft ist die gleiche: Selbermachen, sich schmutzig machen, ist nicht nur akzeptiert, es ist cool.

"Einfach Rumsaufen geht nicht mehr"

„Handwerker genießen ohnehin eine hohe Reputation“, sagt FU-Professor Walschburger. „Weil sie direkte Lösungen versprechen, und man ohne sie oft aufgeschmissen wäre.“ Nicht ohne Grund sei die Bewunderung dafür schon bei den Kleinsten veranlagt. Ihre Helden heißen eben Bob der Baumeister – und nicht Ivo der Investmentbanker. „Mancher Vater kommt heutzutage in Not, wenn er seinem Sohn erklären soll, was er eigentlich beruflich macht. Da ist es schön, am Wochenende zeigen zu können: So baut der Papa ein Gartenhaus.“

Respekt, wer’s selber macht – „das meint ja auch einen, der sich kümmert, sich engagiert“, sagt Marketingprofessorin Doreén Pick. „Interessant an den aktuellen Kampagnen der Baumärkte ist die sehr starke männliche Ansprache der Konsumenten. Dies könne „auch eine Antwort auf die Feminisierung der Gesellschaft sein.“ Im Baumarkt findet der Mann das Refugium, in dem er aus Sicht der Kunden noch Mann sein kann. Frauen sind längst Konkurrentinnen der Männer in der Arbeitswelt und im Sport – Männer bekommen ein Identifikationsproblem. Also lassen sie sich Bärte wachsen, zelebrieren das Grillen, als hätten sie das Tier selbst erlegt, und trinken wieder mehr Bier. Walschburger sagt dazu: „Aber einfach nur Rumsaufen und Männerwitze reißen geht nicht. Da bekommen sie heute gleich von ihrer Frau einen drauf.“ Sie müssen ihre Männlichkeit schon in konstruktivere Kanäle lenken.

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