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Paketboten, Reinigungskräfte oder Friseurinnen gehören mit einem Bruttoeinkommen von 1200 Euro zu den schlecht bezahlten Beschäftigten, die sich zunehmend aus politischen Willensbildungsprozessen zurückziehen.

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DIW-Studie: Eine Frage der Gerechtigkeit

Mit der Einkommensverteilung in Deutschland sind viele nicht zufrieden. Das drückt auch auf die Motivation.

Ist es gerecht, wenn in Deutschland einige viel verdienen und andere nur wenig? Dass es Ungleichheiten bei den Einkommen gibt, wird von den Menschen zumindest grundsätzlich akzeptiert, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt. Doch mit der aktuellen Verteilung sind viele nicht zufrieden. Die allermeisten Befragten halten besonders die Gehälter im unteren Einkommensbereich für zu niedrig, wie sie etwa an Reinigungskräfte, Friseurinnen oder Paketboten gezahlt werden (durchschnittliches Bruttoeinkommen: 1200 Euro).

Viele empfinden sehr geringe Einkommen als ungerecht

Für die Studie werteten die DIW-Wissenschaftler die Angaben von gut 2400 Personen aus. Sie sollten nicht nur Auskunft geben, ob sie die eigene Bezahlung als gerecht empfinden, sondern auch, wie sie die Entlohnung bei anderen beurteilen. Das Ergebnis: Nur vier Prozent der Befragten hielten ein monatliches Bruttoeinkommen von 1200 Euro für gerecht. Auch bei den mittleren Einkommen – als Beispielberufe werden hier Krankenpfleger, Buchhalter und Elektriker mit einem Durchschnittseinkommen von 2700 Euro im Monat genannt – sieht das Bild ähnlich aus. Nur 16 Prozent der Befragten empfinden diese Einkommen als gerecht, die Mehrheit von 81 Prozent sieht hingegen eine Unterbezahlung.

Akzeptanz höherer Einkommen ist größer

Anders sieht die Akzeptanz bei den höheren Einkommen aus – etwa bei Ärzten, Ingenieuren oder Universitätsprofessoren (durchschnittliches Bruttoeinkommen von 6100 Euro). Ein gutes Drittel der Befragten (38 Prozent) hält diese Verdienste für zu hoch. Umgekehrt heißt das aber auch: Knapp zwei Drittel empfindet sie als gerecht.

Weniger Engagement am Arbeitsplatz

Die Unzufriedenheit mit der Einkommensverteilung hat Folgen: Wer sich für unterbezahlt hält, neigt dazu, sich weniger am eigenen Arbeitsplatz zu engagieren. Die Wissenschaftler stellten einen solchen Zusammenhang sogar fest, wenn man nicht sich selbst, sondern andere als ungerecht entlohnt empfindet. So könnten sich sehr hohe Gehälter von Top-Managern auf die Arbeitsbereitschaft der Belegschaft auswirken, sagt Studienautor Stefan Liebig. Wenn die Leistung der Spitzenmanager nach Auffassung der Mitarbeiter nicht zu den hohen Bezügen passe, könne sich das Gefühl einstellen: „Wenn die da oben trotz schlechter Leistung viel verdienen, warum soll ich mich dann anstrengen?“

Mit der gefühlten Unterbezahlung sinkt außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass jemand wählen geht. Aber auch der Eindruck, die unteren Einkommen seien generell zu gering, kann laut der Studie dazu führen, dass Menschen sich nicht mehr am politischen Willensbildungsprozess beteiligen. Die Konsequenz von empfundener Ungerechtigkeit sei „nicht ein Aufbegehren, sondern eher ein Rückzug“, sagt Autor Liebig. Der Politik empfiehlt er, bei niedrigen Einkommen einzugreifen. Die Einführung und Anhebung des Mindestlohns sei ein erster Schritt.

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