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Arbeit im Tandem. Ältere Beschäftigte können vor Fehlern bewahren, die schon einmal gemacht wurden.

© Vesna Andjic/Getty Images

Diversity in der Belegschaft: Vorsprung durch den Generationenmix

Demographischer Wandel und Fachkräftemangel stellen viele Firmen vor Herausforderungen. Altersgemischte Teams sind ein Teil der Lösung.

Ein Einschnitt. Daran dachte Georg Abt 2015, als er in Rente ging. Der gelernte Elektrotechniker arbeitete zuvor 40 Jahre lang bei Airbus, tüftelte am Design von Satelliten, begleitete die langjährigen Projekte bis sie gestartet sind. Zehn Jahre verbrachte er allein in Florida, Französisch-Guyana, Toulouse und im kasachischen Baikonur. Ein langer Abschied vom Arbeitsleben wurde es nicht. „Eigentlich hatte ich mich auf die Rente eingestellt. Heute bin ich froh, etwas weitergeben zu können“, sagt Abt.

Als das Berliner Unternehmen Astro- und Feinwerktechnik ihn kontaktierte, fragte, ob er sich eine Mitarbeit vorstellen könnte, musste Abt nicht lange überlegen. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet der 67-Jährige bei dem Mittelständler im Technologiepark in Berlin-Adlershof. Wieder begleitet er langjährige Projekte, betreut junge Mitarbeiter, hält Vorträge – und gibt Wissen weiter. „Fehler, die ich einmal gemacht habe, müssen ja nicht wieder passieren“, sagt Abt. Hatte er bei Airbus das „große Ganze“ bis hin zum Start eines Satelliten im Blick, beschäftigt er sich heute mit deren Innenleben, produziert Komponenten, die er früher in Satelliten einbaute. „Dabei profitiere ich auch viel vom Austausch mit jüngeren Kollegen. Es ist ein Geben und Nehmen.“

Abt ist kein Einzelfall. Immer mehr Senioren in Deutschland arbeiten, viele weitere sind ehrenamtlich aktiv. Der Anteil der noch arbeitenden 65- bis 69-Jährigen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. 2017 waren 16,1 Prozent von ihnen beschäftigt, rund ein Drittel der Erwerbstätigen zwischen 65 und 74 Jahren war selbstständig.

Ältere Mitarbeiter können „unschätzbare Dienste leisten“

Doch der Antrieb kommt nicht von den Senioren alleine. Immer mehr Unternehmen versuchen, ihre älteren Mitarbeiter zu halten – teilweise sogar nach Eintritt in den Ruhestand. Aus gutem Grund: Die Gesellschaft altert rapide. Ende 2017 waren rund 18 Millionen Menschen in Deutschland 65 Jahre oder älter. Das ist mehr als jeder Fünfte und es werden noch mehr. 2060 könnten es rund 24 Millionen Menschen sein. Während der Anteil der Bürger im erwerbsfähigen Alter sinkt, macht sich vielfach der Fachkräftemangel bemerkbar. Die Fragen, die sich daraus ergeben, beschäftigen Personalabteilungen zwangsläufig. Wie sollte mit erfahrenen Mitarbeitern in Zeiten eines drastischen demographischen Wandels und der Digitalisierung umgegangen werden?

„Es gibt mehr und mehr Unternehmen, die beginnen, ältere Mitarbeiter als ein wirkliches Potenzial zu erkennen und die bereit sind, in umfassende Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren“, sagt Andreas Kruse. Der Altersforscher von der Universität Heidelberg sitzt seit 1998 als Vorsitzender in den Expertenkommissionen, die die Altersberichte der Bundesregierung erstellt. Laut Kruse hätten ältere Mitarbeiter die Erfahrung und auch den Überblick, junge Mitarbeiter zu begleiten, könnten Wissen und Strategien weitergeben. „Hier können Ältere unschätzbare Dienste leisten“, sagt Kruse.

Der Altersmix fördert Kreativität, Austausch und Produktivität

Sebastian Scheiding, Geschäftsführer von Astro- und Feinwerktechnik, sieht sogar die Notwendigkeit, ältere Mitarbeiter zu halten. Der Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt sei groß, der Markt fast leergefegt. Er berichtet: Lange habe man eine Stelle für eine studentische Hilfskraft ausgeschrieben. Beworben hätte sich darauf ein Rentner. Viel Erfahrung habe er durch ihn gewonnen, die Stelle als Hilfskraft sei jedoch immer noch ausgeschrieben. „Die Expertise jahrzehntelanger Erfahrung hilft uns enorm weiter“, sagt Scheiding. 79 Mitarbeiter habe das Unternehmen, mittlerweile sind vier von ihnen über den Renteneintritt hinaus. „Gerade der Altersmix ist für uns von Vorteil. Er fördert die Kreativität, den Austausch und letztlich die Produktivität.“

Dass demographischer Wandel und Fachkräftemangel Folgen haben und es nötig sein wird, Ältere einzubinden, sieht auch Kruse. „Dieser Bedarf wird kontinuierlich steigen. Dies gilt nicht nur für Dienstleistungen im weiteren Sinne, sondern auch für den gesamten Bereich der Fertigung und Produktion.“ Kruse fordert kontinuierliche Weiterbildung über die gesamte Zeit der Berufstätigkeit, und eine Kooperation zwischen Jüngeren und Älteren, um unterschiedliche Formen von Kreativität auszutauschen.

Für Senioren wie Abt hat das Vorteile. „Der Renteneintritt hat mir den Druck genommen. Ich kann freier an die Arbeit gehen. Das hat meine Gelassenheit und Kreativität bei der Arbeit gestärkt“, sagt er. Abt, der vor Jahrzehnten noch am Zeichenblatt lernte und heute mit 3D-Druckern arbeitet, sieht es positiv. „Ich musste von jüngeren Kollegen auch Vieles lernen – und lerne immer noch dazu.“

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